EIN HIMMLISCHER JOB. Til Erwig
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Aber darüber macht sich ein Sparkassenfilialleiter natürlich keine Gedanken. Ihm geht´s nur ums Überleben, deshalb insistiert er auch außerhalb der Toilettenräume ohne Rücksicht auf heute gängige Abhörpraktiken in Bild und Ton.
„Nur mit Namen und Ausweis kriegen Sie Arbeit. Ohne Identitätsnachweis können Sie kein Bankkonto einrichten, mit einem Wort: Sie sind kein Mensch, Herr Breibeck.“
Er reicht Fidelitas das Ausländer Personalausweiskärtchen von Kozak, das sie aufmerksam betrachtet.
„Lustig, Herr Breibeck.“ Reuss verdreht genervt die Augen, dann korrigiert sanft.
„S i e sind jetzt der Herr Breibeck, Herr Breibeck.“
„Ich bin der Herr Breibeck!“ Mit spitzem Finger tippt Fidelitas auf den Ausweis.
„Das Foto sieht gut aus, ist es mir ähnlich?“ Schnell macht sie sich eine Notiz.
Ganz so naiv wie es aussieht, ist Fidelitas natürlich nicht. Insbesondere weil sie weiß, dass sie kein Spiegelbild hat, dieses Foto also ein Fake ist, denn fotografieren funktioniert nicht bei Engeln, bei Erzengeln nicht und schon gar nicht beim Fußvolk, den weiblichen Engeln. Und das hat auch nichts mit der Emanzipation zu tun. Mitarbeiter der Himmlischen Heerscharen können nicht mir nichts dir nichts einfach so abgelichtet werden, sie genießen nämlich eine Art Immunität. Bestenfalls Gemälde kann man von ihnen anfertigen, wie das schon vor langer Zeit berühmte Künstler wie Raffael oder Michelangelo getan haben. Ob ihnen die Engel als Model zur Verfügung standen, in tagelangen Sitzungen um möglichst original und originell porträtiert zu werden, das weiß bis zum heutigen Tag niemand. Man kann es nur vermuten. Nicht zuletzt deshalb, weil bisher von keiner Seite Beschwerden vorliegen. Nicht mal von Allah oder dem Budda. Oder vom Herrn aller Dinge. Im Gegenteil, der Allmächtige ist ja offensichtlich sehr angetan von seiner Darstellung durch Leonardo da Vinci. Jedenfalls steht das im Prolog hier geschrieben, schwarz auf weiß. Und was geschrieben steht, ist nun mal geschrieben.
„Jetzt feiern wir den Deal erst mal mit Schampus! Einverstanden?!“
Reuss wittert Morgenluft und der clevere Kozak hat an der Bar bereits drei Gläser mit Champagner gefüllt. Das Magenknurren ist leise, aber dennoch nicht zu überhören. Fidelitas kann das Geräusch nicht einordnen, weil Kozak ihr bereits lautstark zuprostet.
„Ein Gläschen Champus für die Herren! Zum Wohl allerseits!“
„Champus ist wichtig!“ Fidelitas sieht in ihrem Notizbuch nach und zitiert dann Mehmet: „Geld ist wichtig! Für schöne Frauen, ein Motorrad, Urlaub auf Mallorca, geile Klamotten...“
„Jetzt hat er’s geschnallt!“ Reuss zwinkert Kozak zu, ist überglücklich, wähnt sich auf der sicheren Seite, zumal Kozak seinem Plan offenbar zustimmt.
„Sie sind eingeladen, Herr Breibeck. Nicht zuletzt, weil ich der Sparkasse gerade einen neuen Kunden gewonnen habe, richtig?!“ Übertrieben deutlich blinzelt er Kozak zu. Das Knurren aus dem Magen von Fidelitas meldet sich mit größerer Lautstärke zurück.
„Sie haben Hunger, Herr Breibeck! Was kann ich für Sie tun?“ Reuss will das Eisen schmieden, solange es heiß ist, zwinkert erneut Kozak zu. Fidelitas zwinkert jetzt ebenfalls, zwinkert auch Reuss zu. Ein Ritual scheint das zu sein, was bei Erdenmenschen wohl üblich ist.
„Prost! Auf die große Kozak Familie!“ Das tut gut, Kozak schwillt die Brust, im Gegensatz zu Clint Eastwood ist er für Komplimente immer zu haben.
„Wo er Recht hat, hat er Recht, der Breibeck. Meine Mädels vermehren sich – und ganz ohne Trauschein, hahaha!“
Beide Herren wollen sich ausschütten vor Lachen. Reuss leert sein Glas, knallt es auf den Tresen und schmettert übermütig ein angetrunkenes „Lass die Luft raus, Karl-Heinz!“ hinterher.
„Lass die Luft raus! Jep!“ Fidelitas zückt erneut ihr Notebook und versucht den Spruch aufzuschreiben, was einigermaßen misslingt, weil der Magen erneut knurrend anmahnt, dass er gern etwas Festes genießen möchte.
„Hat immer noch Hunger, der gute Breibeck“, kichert Reuss, was Kozak veranlasst zum Haustelefon zu greifen. Unfein brüllt er hinein. „Wo bleibt Mehmet mit dem kalten Buffet? Unser junger Gast hier hat Kohldampf!“
Er will Fidelitas freundschaftlich auf die Schulter schlagen – aber die ist verschwunden. Ein leichter Wind kommt auf, woher auch immer, ihr leeres Sektglas fällt plötzlich um und zerbricht.
In der Dunkelheit vor der ´Tenne` ist Bewegung. Fidelitas kauert in einer Ecke, versucht im Schein der matten Beleuchtung in ihrem Notizbuch zu lesen. Auch für einen hungrigen angetrunkenen Engel, das soll an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt werden, braucht’s dafür eine große Disziplin.
„Falls Ihr mit mir seid, Chef, alles bisher Gesehene und Gehörte hat wenig bis gar nichts mit meinem Auftrag zu tun. Eine deutliche Emanzipation von Frauen und Mädchen ist für mich jedenfalls nicht spür- oder sichtbar. Neu scheint zu sein, dass es neben dem im Himmel bisher bekannten Christentum noch sehr viele andere Religionen gibt. Zu denen gehören dann Hindus, Buddhisten, Atheisten oder Baptisten und dann ist noch von griechischen Orthodoxen und russischen Orthodoxen und noch ein paar anderen die Rede, hallo, da kann unsereiner nur staunen. Eine Religion davon ist der Islam. Seine Anhänger heißen Muslimin oder Muslime. Den Christen ist es erlaubt Alkohol zu trinken, vermutlich weil Jesus irgendwann einmal Wasser in Wein verwandelt hat. Die Muslime dürfen das nicht, weil ein Muslim kein Christ ist und ein Christ kein Buddist und ein...“
Der Champagner im leeren Magen macht ihr zunehmend zu schaffen. Da haben alkoholisierte Engel offensichtlich die gleichen Probleme wie besoffene Menschen: die Konzentration lässt nach, Sprechen fällt schwer, unkontrollierte Bewegungen, Gleichgewichtsstörungen, Müdigkeit. Das Notizbuch endgleitet ihren Fingern, der Kopf sinkt zur Seite, schwer geht der Atem, Schnarchen kündigt sich an. Was für ein Glück, dass Engel Wesen ohne die Fähigkeiten des Allmächtigen sind. Ein zerstörendes Erdbeben, eine gewaltige Sturmflut, ein Klimawandel gar wären mit Sicherheit die Folgen eines solchen Besäufnisses. Fidelitas aber schläft bestenfalls den Schlaf der Gerechten. Der mündet meist in ein Erwachen mit Kopfschmerzen. Wieder eine Erfahrung, die nichts, aber auch gar nichts mit dem göttlichen Auftrag zu tun hat.
*
Im Hinterzimmer der ´Tenne` hören Blumenauer, Fehrmann und Reuss angestrengt zu, was Kozak zu sagen hat. Angestrengt deshalb, weil der wütende Chapter Boss nach Clint Eastwood Manier wiedermal auf einem Zigarillo herumkaut, was seine Artikulationsfähigkeiten, im Gegensatz zu seinem filmheldischen Vorbild, erheblich beeinflusst.
Mehmet, obwohl zentraler Mittelpunkt von Kozaks Standpauke, tut unbeeindruckt, gibt sich auch als Poker Loser lässig und cool.
„Wie hast du dir das gedacht, Junge - fünftausend bis morgen?! Wie konntet ihr Idioten den Scheiß zulassen, hä?!“ Mehmet rafft sich auf zu einer Gegenrede. Nur ein einziger Satz kommt ihm über die Lippen.
„Ich …äh … rede mit meinem Vater.“ Kozak klatscht in die Hände. Seine Stimme, triefend vor Ironie.
„Sicher. Der wird dir die Kohle schon geben. Hat ja genug davon.“
„ Ey, ich weiß Bescheid. Du kriegst noch was, vom letzten Monat.“
„Gut, dass du was weißt, Kleiner. Könnte nämlich sein, dass mir eben einfällt, wie du die Schulden schnell abzahlen kannst.“
„Okay,