Unglück. Iris Wandering

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Unglück - Iris Wandering

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gut. Lieber Gedanke, sei bitte einfach mal still, damit ich anfangen kann.

       Okay.

      Einige Dinge sind aber so daneben gewesen, die glaubt keiner.

      Das Leben schreibt immer noch die besten Geschichten naja, nicht immer die besten, aber die markantesten auf jeden Fall.

      Ah so. Hm. «Es war einmal ein großer Bruder.»

       Anders! Fang am Anfang an.

      An welchem Anfang? Die Erinnerungen hüpfen hin und her. Halbe, ganze und sich wiederholende Gedanken. Da gibts keine lineare Struktur.

       Nee, nur den «katastrophalen Strukturunwillen», ich weiß, ich hab Adams auch gelesen. Na gut, dann fang eben mit dem großen Briefumschlag an.

      «Das Frühstück ist schon fast beendet ...», sei aber nicht zu still, ja?

       Halt den Rand.

      Selber. Und wie mach ich das mit der Geschichte vom großen Bruder?

       Füg sie einfach ein.

      Einfach?

       Na, dann eben kursiv.

      Was, noch mehr Stimmen?

       Das hatten wir doch gerade, das sind Gedanken oder in deinem Fall eben Erinnerungen.

      Hm.

      Mir ist schlecht.

       Das ist das Osterfeuer!

      Nein, das ist Magen-Darm!

       Echt?

      Ich denke schon – jetzt muss ich spucken.

       Weil das alles zum Kotzen ist? Jan hat dir doch extra für so etwas die papierumwickelten Dinger besorgt!

      Puh, die kriegt ja keiner runter.

      Die sollen auch nicht schmecken das ist Medizin!

      So wie «Böses muss Böses» vertreiben?

       Exakt!

       Kanns endlich losgehen?

      Klar, bin multitasking. Solls formulieren, trotz Grummeln im Bauch und Gurgeln in der Kehle und ´nem Kerl im Kopf, der alles besser weiß.

       Wieso bin ich eigentlich ein Kerl? Hab ich dich nie gefragt.

      War immer schon so.

       Und wieso heiß ich Mick?

      Wegen der Musik.

       Aus den Achtzigern bei Sat.1?

      Jepp.

       Gut!

      Also, wie schreibt man heute diese Bewegung von oben herab?

      Keine Ahnung. Schreib doch einfach einfacher die haben doch gesagt, dass sie es vereinfachen wollen.

      Dann schreibt man jetzt Philosophie mit f und f? Hast du sie noch alle?

      Was ist mit dem Ursprung der Spra –

      – das interessiert doch heute keinen mehr und sind auch kürzere SMS.

      Seit wann filosofierst ausgerechnet du per SMS!?

       Ruhe jetzt! Und huste nicht so laut! Du weckst ja das ganze Haus auf.

      Machst du Witze? Wie soll das denn gehen?

       Schreib, dann vergisst du schon den Husten.

      Oder er mich.

       Verrat mir mal was. Wieso Notizbücher?

      Hey, du magst meine analogen Bilder doch! Und solange der Walkman funktioniert ...

       Ja, klar.

      Also, Ruhe! Das macht mich ganz wuschig, ich soll doch authentisch sein.

      Dann musst du aber alles übertragen. Ist das nicht umständlich?

      Nö. Dann kann ich dir noch die eine oder andere Gemeinheit dazu in den Mund legen.

       Ah ja!? Ich dachte, das seien Erinnerungen.

      Sag ich doch! Und jetzt sei still, sonst bist du auch bald eine.

       Nur eines noch: Wähle dein Schlachtfeld mit Bedacht.

      Oktober 1992, Professor Doktor Ades Semesterbeginn

      «Ich bin nicht sonderlich an Geschichte interessiert, ich modelliere sie nur gerne» ist eine der Einleitungen bei seinen Vorlesungen, welche Professor Ade gerne auf diese Weise beginnt und mit einem Lächeln in sein mehr oder seltener auch minder aufmerksam lauschendes Publikum ergänzt.

      Das Lächeln umspielt nur wenig mehr als die Lippen, seine klaren grauen Augen erreicht es dabei nicht ganz. Hochaufgeschossen und für jegliche Dinge aufgeschlossen hatte Herr Professor Ade sein Amt vor einem Jahr an der Hochschule angetreten.

      Er ist ein Mann, der weiß was er will und wer er ist. Er ist jemand, der – im Gegensatz zu vielen anderen Männern – auch weiß was oder vielmehr wer er nicht sein möchte. Der von ihm mit seiner etwas rauen und dennoch melodischen Stimme in Schwingung versetzte Universitätsraum ist etwas älter, klassisch eingerichtet in Holz mit Holz, und eine gute Ausgangslage für vieles. Oft weiß man zu Beginn nicht wie eine Sache ausgehen wird, denkt er, aber man kann einiges dafür tun, um es in die Richtung zu bringen, die man für sinnvoll erachtet – Dinge die sich rechnen lassen. Er mag es, wenn seine Stimme auch ohne Mikrofon nur mit Hilfe der architektonisch gut durchdachten Akustik noch die hinterste Reihe erreicht.

      «Sie werden in diesem Studiengang lernen wie man Dinge lenkt. Aber nur, wenn Sie sich dafür eignen. Sie werden die Geschicke der Staatsorgane wie ein Marionettenspieler in der Hand haben. Nicht, indem Sie sich in der Öffentlichkeit prostituieren, sondern unsichtbar hinter dem grauen Vorhang der Bürokratie im Verborgenen handeln. Bevor die Figuren es bemerken, werden Sie sie bereits bewegt haben. Wenn Sie gut sind, werden Sie Ihre Grenzen erkennen.» Meist hat sein Publikum Mühe, ihm zu folgen. Auch seine leisen Scherze werden leider nicht immer als solche erkannt. Was die Leute im Hörsaal als geistreich unterhaltend empfinden, ist für ihn Alltag, den er mit Freude gestaltet. Vielleicht trifft er den ein oder anderen von ihnen in ein paar Jahren nur in anderem Ambiente wieder. Er hatte schon immer gerne mit Menschen gearbeitet.

      Da ist sie wieder: Die Kraft der Rhetorik! Sie ist sein Mittel der Kommunikation. Eine Möglichkeit, mit Sprache zum Verständnis beizutragen.

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