Oskar trifft die Schwiegermutter. Jörgen Dingler

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Oskar trifft die Schwiegermutter - Jörgen Dingler

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bekommender Plastiksprengstoff ohne eingebaute taggants, die international vorgeschriebenen, von Spürhunden oder Röntgenstrahlen detektierbaren Zusatzstoffe. Lieferanten für derartige Substanzen waren auch für einflussreiche Menschen schwer bis gar nicht aufzutreiben. Der letzte Lieferant sprang aus nicht näher genannten Gründen plötzlich ab, und die Selbstversorgung, sprich Eigenentwicklung und -fertigung befand sich noch im Aufbau, war also noch nicht soweit.

      Ein kräftiger Mann – Ende dreißig, blaue Handwerkerlatzhose – erschien und herrschte die junge Frau an, sie solle ihr Telefonat langsam mal beenden.

      »Moment, cherie«, gab sie der Stimme am anderen Ende zu verstehen. »Hier gibt es grad eine kleine Störung.«

      »Hast du kein Handy, oder was?«, blaffte sie zurück. »Verpiss dich!«

      Weil ihn eine zierliche junge Frau angeblafft hatte, beging der Störende einen entscheidenden Fehler: Er versuchte, sie anzufassen. Eine kräftige Männerhand griff nach dem Arm der sonnenbebrillten Schönheit mit dem beigen Kangool-Barett und der beigen Weste über einem ebenfalls beigen Pullover. Fast im selben Moment lag er waagerecht in der Luft, platschte anschließend rücklings auf den Boden und blieb dort liegen. Selbst, wenn man es genau beobachtet hätte, wäre schwerlich auszumachen gewesen, dass die zierliche junge Frau dafür verantwortlich war. Wie bei den besten Zaubertricks hätte sogar eine verlangsamte Wiederholung nicht wirklich viel zutage gefördert. Es war einfach zu gut gemacht, zu schnell sowieso.

      »So, wir können weiterreden«, sprach sie ungerührt in die Sprechmuschel, »Wir haben keine Zeit mehr, das Zeug vorher noch großartig zu testen. Naja, wahrscheinlich werden wir es ohnehin nicht brauchen… hoffentlich brauchen wir es nicht«, brabbelte sie und zischte abschließend

      »Shit! Ich hasse sowas!«

      Sie knallte den Hörer auf die Gabel – da war doch noch was! – und drehte sich zu dem Handwerker um. Er lag nach wie vor auf dem Boden, kam nun langsam wieder zu sich, bewegte sich, röchelte. Ihre Mundwinkel, die bis eben noch hängend ihre miese Laune widerspiegelten, schnellten nach oben. Ebenso schnell konditionierte sie ihren Gesichtsausdruck auf erschrocken und mitfühlend. Besorgnis heuchelnd stakste sie händeringend auf den Handwerker zu.

      »Mon dieu!«, sie kniete sich zu ihm hinunter, tätschelte seine schlaffe, schwere Hand, »Sie Armer, was ist denn mit Ihnen passiert? Warten Sie, monsieur, ich helfe Ihnen auf!«

      Sie half ihm geschickt auf und war in der Tat froh, dass er sich bei ‚seinem Sturz‘ keine schweren Verletzungen zugezogen hatte. Das hielt sie aber nicht davon ab, ihm leise ins Ohr zu raunzen

      »Mach irgendeinen Stress, und du liegst gleich wieder.«

      Er stand wieder auf eigenen Beinen, wenn auch wackelig und sah sie staunend an. Sie indes grinste ihn breit an, senkte dann ihren Kopf und wechselte ihr Grinsen in ein gefährliches Grinsen. Der Mann vermutete richtig, dass sie hinter ihren dunklen Gläsern Blitze auf ihn abschoss.

      »Merci, mademoiselle«, zischte sie durch die Zähne. Er kapierte nicht gleich, also nickte sie ihn auffordend an.

      »M… merci, mademoiselle«, quälte er sich schließlich heraus.

      »Pas de quoi, monsieur.«

      Ein paar Passanten applaudierten, weil dieses zierliche Wesen dem armen, gefallenen, kräftigen Mann wieder auf die Beine geholfen hatte. Sie verbeugte sich ausgesprochen galant, wie es nur Menschen mit Bühnenerfahrung können und entschwand.

      »Gefährliches Miststück«, zischte der Handwerker, als sie vermeintlich außer Hörweite war.

      Sie hörte es dennoch, was sie erst recht breit grinsen ließ.

       Genfer See, Mai 2006

      Die zwei Menschen hatten nicht den Hauch einer Chance gegen die zwei Katzen.

      Zwei Wachleute der privaten Wach- und Schließgesellschaft Securité Romande schoben wie üblich Dienst in der schlossartigen Villa oberhalb des Genfer Sees. Während der Ausbildung zum Objekt- oder Personenschützer wird man auf manches vorbereitet, aber sicher nicht darauf, mit Pfeilgeschossen aus Pusterohren außer Gefecht gesetzt zu werden. Quasi wie es Naturvölker im Dschungel mit ihrer Beute tun. Das passte irgendwie. Und weil es nicht nur funktionell, sondern auch thematisch passte, hatten sich die beiden Schützinnen für diese Betäubungsart entschieden.

      Der Besitzer der mondänen Villa war der CEO des größten Nahrungsmittelkonzerns der Welt. Er hatte im Namen dieses Konzerns das Versprechen gegeben, die Kinderarbeit auf afrikanischen Schokoladenplantagen zu beenden. Ein Versprechen, das er nicht eingehalten hatte. Insofern war der von einer, sagen wir mal ‚Weltverbesserer-Organisation‘ in Auftrag gegebene Job den ausführenden jungen Damen auch hochwillkommen. Weil er in ihr Weltbild passte. Sie würden die Hälfte des horrend hohen Lösegeldes behalten können, das diese ‚Weltverbesserer‘ mit der Entführung des CEOs zu erpressen gedachten. Obwohl die beiden zweibeinigen, schwarzen Raubkatzen dieser Organisation kaum unkritischer als dem Lebensmittelmulti gegenüber standen, sollte hier der Zweck Mittel und Auftraggeber heiligen. Obendrein ging es weniger um die Kohle, die hier einzustreichen war. Die zwei jungen Frauen hatten genug davon. Nach einer furchteinflößenden, nicht verfolgbaren Entführung würde nach Erfüllung der Bedingungen die Freilassung erfolgen. Und beides würde garantiert passieren. Es war der Job der katzenhaften jungen Damen, den CEO des Weltkonzerns in die Hände der vermeintlichen Weltverbesserer zu bringen. Das war weder ein moralisches noch handwerkliches Problem. Jede von ihnen hatte bereits getötet, mehr als einmal, auch berüchtigte, ja gefürchtete, schwer erreichbare wie schwer zu besiegende Gegner… mehr als einen auf einmal. Jede für sich war bereits die Beste, als Duo waren sie chancenlos für jeden Gegner.

      Gut, die Bewacher waren ausgeschaltet. Und genau diese Bewacher besaßen die Schlüssel für das Objekt – wie leichtsinnig. Jetzt besaßen die zwei Katzen diese Schlüssel. Sie sahen / nickten sich an – eine von ihnen trug eine blaue, die andere eine rote Strähne in ihrem schwarzen Pagenkopf, ihrer ‚Mireille Mathieu-Frisur‘. Sie hatten sich auch optisch weiterentwickelt, sahen in ihren schwarzen Dressen mit Lederbesatz hinreißend aus. Ein neutraler Beobachter hätte eine nicht von der anderen unterscheiden können – bis auf die blaue und rote Strähne. Die zweibeinigen Raubkatzen verstanden sich nonverbal und verschafften sich mittels der Schlüssel Zugang zur Villa. Aber hier wartete erst die eigentliche Schwierigkeit. So ähnlich wie Züge nach wenigen Kilometern stoppen, falls der Lokführer nicht regelmäßig die Sicherheitsbremsung deaktiviert, verhielt es sich auch hier. Die ausgeschalteten Wachleute hatten alle fünf Minuten ein Signal zu geben. Taten sie das nicht, riegelte eine Art reale Firewall den Kern der Villa ab. Die Wachmänner waren seit zwei Minuten K.O. und hatten das letzte Signal vor vier Minuten und fünfzig Sekunden gegeben – vierminuteneinunfünfzig, zweiundfünfzig, dreiundfünfzig…

      … fünf Minuten.

      Rotierende Rotlichter kündigten eine Veränderung an. Die schwarzgekleideten jungen Damen sahen sich an. Sie befanden sich im geräumigen Vorraum, der ihnen Zugang zum Inneren verschaffen würde. Verdammt! Sie waren zum ersten Mal nicht schnell genug. Ihre Informationen besagten, dass das, was nun passierte, erst nach fünfzehn Minuten passieren würde. Sonst richtig, nun aber eine Fehlinformation. Und ‚nicht schnell genug‘ galt im doppelten Sinne. In gut zehn Metern Entfernung vor ihnen fuhr eine metallene Zwischenwand hinunter, schottete den Innenbereich ab. So schnell waren selbst diese zweibeinigen Katzen nicht, um sich nach vorn zu begeben und eben noch unter der zügig herabsinkenden Wand aus metallenen Lamellen hindurch zu gleiten.

      Aber sie waren vorbereitet – Fehlinformation, nicht optimaler

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