HimbeerToni. Joachim Seidel

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HimbeerToni - Joachim Seidel

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vögelt ihr eindeutig zu wenig.«

      »Judith. Fragst du dich nicht auch manchmal: Was bleibt später mal von dir übrig?«

      »Toni. Die Sinnfrage stellt sich für mich nicht mehr.«

      »Wie biste denn dahin gelangt?«

      »Schaff dir einfach ein Kind an, Toni, das bleibt.«

      »Damit ich so ende wie du und Stephan. Nein, Judith. Mit was Bleibendem meine ich Musik, Kunst, Schreiben, etwas Großartiges eben.«

      »Toni, du steckst eindeutig in einer Midlife-Krise. Soll ich dir mal einen ehrlichen Rat geben?«

      »Nein!«

      »Such dir ’nen festen Job, und eier nicht weiter als Freier rum. Das wird dich auf andere Gedanken bringen.«

      »Das sagt Ada auch. Seit vier Wochen meckert sie in einer Tour an mir rum.«

      »Vielleicht hat Ada ihre Tage?«

      »Aber doch nicht einen Monat lang.«

      »Vielleicht ist es ja was Ernstes?«

      »Ada hat ’nen Termin bei ihrer Frauenärztin. Aber ich weiß nicht, ob die ihr helfen kann. Ohne Unterlass geht das seit vier Wochen: Toni hier, Toni da, dauernd hat sie was Neues an mir auszusetzen, und das trägt sie dann extra in breitestem Schwäbisch vor, weil sie genau weiß, dass mich das verrückt macht. Ich kann das jetzt auch schon. ›Toni, du hängsch dauernd in moir Wohnung ab. Geh doch rübr z dir. Sind doch nur 500 Medr. Und wenn du scho hir bischd: Siahsch nedd, dess dr Müllbeidl so auf koin Fall in den Mülleimr hinoighörd? Die Tüde muss undr den Henkl draa, siahsch, so, sonsch rudschd sie in den Eimr, und i muss den Dregg wiedr oisammeln. Muss man dir noh alls sage??‹ Ich sag dann: ›Ada. Sei mal ein bisschen locker. Das hätte ich schon noch gemacht.‹ Darauf sie: ›Wenn du scho den ganze Abnd hier abhängsch, kannsch ab jedzd bei mir arbeide, wo du sowieso dauernd moi Wohnung okkubiersch.‹ ›Locker bleiben, Ada‹, sage ich, aber es kommt nicht an. ›Wenn du no oimol doi Schuhe bei mir im Flur ausziahsch und bloß so hinknallsch, noh schmeiße i sie dir auf d Schdraße. Und di hinderhr. Hasch mi verschdande? Räum doi Schuhe fälligsch so weg, damid nedd jedr darübr schdolberd.‹«

      »Das hört sich nicht gut an«, sagt Judith, »und das passt auch gar nicht zu Ada.«

      »Wann ging denn damals bei uns beiden der Stress los?«

      Judith schweigt, sie überlegt.

      »So nach drei Jahren.«

      »Vielleicht liegt’s ja daran: Ada arbeitet im Moment richtig viel. Nach dem Praktikum bei ELLA verdient sie jetzt als feste Freie zum ersten Mal gut Geld mit dem Schreiben. Sie ist ja auch schon fast siebenunddreißig.«

      Im Hintergrund heult etwas auf.

      »Wart mal, Toni, Bruno braucht was zu trinken, ich geb ihm rasch die Brust…«

      Das Pumpgeräusch erstirbt, und Bruno schluchzt, wahrscheinlich schnappt er gerade vergeblich nach Judiths Milchbar. Dann läutet es an meiner Tür.

      »Mal ehrlich, Toni. Wenn ihr beiden sowieso keinen Sex mehr habt, dann könnt ihr euch auch ein Kind anschaffen.«

      »Danke für den Tipp, Judith, bist ’ne echte Freundin, dann bis heute Abend.«

      Ich lege auf. Wovon redet die Frau eigentlich? Ich und ein Kind. Meine Türschelle bimmelt weiter, und in der Wohnung über mir donnert und kracht der Stelzenläufer. Überall Baustellen in meinem Leben, ich denke an mein Problem Nummer eins und gehe gemessenen Schritts zur Tür. Bereits bei unseren ersten Dates vor ein paar Monaten hatte sich bei Ada und mir offenbart: Wir ziehen uns magnetisch an, verfügen aber über diametral entgegengesetzte Temperamente. Ich höre am liebsten Punk-, Indie- und Glamrock, Ada Klezmer und Klassik. Sie trinkt Wein, verträgt nichts und ist Frühaufsteherin, ich bin Langschläfer und Biertrinker, und meine Mutter Piia Hornig, geborene Sinisalo, ist Finnin, und die können bekanntlich saufen, bis der Arzt kommt.

      Außerdem belastet eine extrem unharmonische Planetenkonstellation unser Zusammensein. Das jedenfalls wurde uns an einer schäbigen Astro-Bude auf dem Hamburger »Dom« für zehn Euro von einem ratternden Nadeldrucker schwarz auf weiß attestiert. Kurzum – zwischen Ada und mir ist es die… GANZ GROSSE LIEBE.

      2. Der ultimative Chartbreaker: Von null auf eins und fünf nach zwölf!

      Baby love – Supremes

      Ich öffne die Tür. Vor mir steht Ada. Und ein Stockwerk über uns ruckelt der Kosovare vor seiner Tür auf dem Treppenabsatz herum – auf Stelzen.

      »Adä, you come to my show tonight?«, krächzt Milo von oben, während gegenüber die Wohnungstür aufgeht und Holgi zu uns auf den Flur schlurft. Mein Nachbar schaut zu Ada und mir, dann hoch und blökt: »Was geht ’n hier wieder für ein Punk ab?«

      Welch ein Anblick: Obenherum trägt Holgi seine vollständige Elvis-Montur. Und zwar nicht Elvis, Memphis, Tennessee, 1956, rank, schlank, gut aussehend, sondern Elvis, Las Vegas, 1976/77, mit weißem, paillettenbesetztem Jackett plus chromglänzender Breitwandsonnenbrille in der gedunsenen Gesichtsmaske. Sein öliges Langhaar hat Holgi zusätzlich mit Pomade gebändigt und zu einem schulterlangen Pferdeschwanz verknüpft, sodass uns seine freigelegten Frühsiebzigerkoteletten regelrecht ins Auge springen.

      »Kann i vielleichd mol naikomma, odr sollet dia Babbnohsa do älles midgriaga?«

      Dass Ada schwäbisch spricht, werte ich als schlechtes Zeichen: »Äh, klar doch, ich mein, was gibt’s denn so Wichtiges, ich denke, du bist bei der Arbeit…«

      »Schwätz koin Bäbb, Buala. Lass mi nai, sonsch gibd’s Ärgr, Toni, so isch des.«

      Holgi spitzt die Ohren. Ärger in der engeren Nachbarschaft wittert er spürsicher wie ein Zollhund am Flughafen die Kokapaste im Handgepäck eines kolumbianischen Drogenkuriers.

      »Ada, Toni, ich will euch ja nicht zu nahe treten, so ein Streit bringt nichts! Ihr müsst vernünftig reden miteinander«, sprudelt es aus ihm heraus.

      Holgi als Fachmann in Sachen Beziehungsberatung? Meines Wissens hat er seit Jahren keine Frau mehr in die Nähe seiner Wohnung gelassen, zumindest seit seine Messie-Höhle fast ausschließlich aus Autoprospektestapeln besteht.

      Entsprechend beachtet Ada Holgi nicht weiter. Und ich vergesse schlichtweg, den Türrahmen freizumachen und meine Geliebte hereinzubitten. Ada neigt den Kopf zu meinem Ohr.

      »Ich war gerade bei Frau Gerstung.«

      Ada sieht mich durchdringend an, und ich heuchle interessiertes Erstaunen an ihrer hochdeutschen Feststellung.

      »Ach, Frau Gerstung. Wie geht es ihr?«

      Schon ist Ada den Tränen nahe, und ich habe leider nicht die leiseste Ahnung, wer Frau Gerstung ist.

      »Geht’s ihr nicht gut? Ich mein, Frau Gerstung.«

      »Wie’s ihr geht? Frau Gerstung ist meine Frauenärztin, und ich bin in der zehnten Woche schwanger.«

      Mir schwindelt.

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