Trojanische Pferde. Peter Schmidt

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Trojanische Pferde - Peter Schmidt

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Nacken.

      “Wir arbeiten im Auftrage einer Vereinigung gegen den fortschreitenden Verfall der Sitten in der Stadt”, sagte er, immer noch nicht viel lauter. “Leider gibt es keine rechtliche Handhabe, die Arbeit des Klubs zu unterbinden.”

      “So was existiert hier? Ich meine, seit wann machen Vereine denn in Moral?”

      “Was glauben Sie, was es hier in der Region alles gibt. Dieser Moloch von Städten, die an allen Ecken zusammenwachsen, ist mittlerweile genauso in der Hand der Ost-Mafia wie unsere ehrenwerte Hauptstadt. Da bleibt nur noch die Selbsthilfe des mündigen Bürgers.”

      “Selbstjustiz, wollen Sie sagen?”

      “Gewalt ist nicht unsere Sache, Winger. Wir wollen keine Prügel und teilen selber keine aus.”

      “Aber Sie haben doch irgendein faules Ding ausgebrütet, um den Burschen das Handwerk zu legen?”

      “Na, sagen wir mal, wir haben einen Weg gefunden, der zwar nicht illegal ist, aber auch nicht ganz koscher.”

      “Sie müssen wissen, dass in dem Laden zwischen ‘Klubmädchen’ und ‘Ware’ unterschieden wird. Klubmädchen sind gewöhnliche Bardamen aus Thailand, Ware jene Mädchen, die unter der Hand zum Kauf angeboten werden”, erklärte Kranz.

      “Und was ist meine Aufgabe dabei? Wofür brauchen Sie meine Hilfe?”

      “Wir sind zu bekannt in dieser Stadt, wir sind Anwälte, Winger. Man würde sofort Verdacht schöpfen.”

      “Wir schlagen Ihnen vor, regelmäßiger Besucher des Klubs zu werden”, sagte Everding. “Auf unsere Kosten. Das ist doch auch schon was, oder? Neben Ihren Spesen, meine ich? Der Laden ist recht gut bestückt, was den Spirituosenschrank anbelangt. Und mit Ihren Spesengeldern können Sie dann der Brünetten im Souffleurkasten ein paar schöne Stunden machen.”

      “Sie kennen Silvia?”

      “Silvia ist ein nettes Mädchen, aber den Leuten vom Theater brennen zu leicht die Sicherungen durch. Die sind nichts für Leute von Ihrem Kaliber, Ralf. Das wäre, als würde man Feuer ins Öl schütten.”

      “Na, herzlichen Dank für die Charakteranalyse.”

      Everding machte eine ungeduldige Handbewegung. “Ihre Privatangelegenheiten interessieren uns nicht. Versuchen Sie das Vertrauen der Geschäftsleitung zu gewinnen. Und nach einiger Zeit fangen Sie an, sich für eine der Damen zu interessieren.

      Wählen Sie ein Mädchen, das Ihnen vom Typ her liegt. Sie sollen ja nicht über Ihren eigenen Schatten springen …

      Sobald Ihnen ein Angebot wegen des Kaufpreises gemacht wird, lehnen Sie ab! Sie hätten sich in das Mädchen verliebt. Geld käme nicht in Frage. Also versuchen Sie beide den Klub zu verlassen, notfalls mit Gewalt. Für diesen Zeitpunkt haben wir Ihnen am anderen Ende der Stadt ein Hotelzimmer reservieren lassen, wo Sie erst mal mit der Kleinen untertauchen können.”

      “Auf wessen Kosten?”

      “Auf unsere, versteht sich.”

      “Hm, hört sich ganz plausibel an. Aber damit sind Sie und Ihre hochmoralischen Auftraggeber doch noch längst nicht am Ziel angelangt?”

      “Aber wir liegen schon ganz gut im Rennen. Später werden Sie dann noch mal allein den Klub aufsuchen und der Inhaberin und ihren Hintermännern klarmachen, das Mädchen sei jetzt bereit, vor der Polizei auszusagen. Sie selbst würden ihre Aussage bestätigen können.”

      “Damit wäre zum ersten Mal eine gesetzliche Handhabe zur Schließung des Klubs gegeben”, meinte Kranz. In seine müden Schultern war etwas Haltung gekommen, als richte der Gedanke ihn innerlich auf.

      “Hübscher Plan”, bestätigte ich, “ außer, wenn man mir dabei den Schädel einschlägt, nicht wahr?”

      “Sie sind doch auf solche Geschäfte spezialisiert”, sagte Everding. Wenn er jemals versucht hatte, verbindlich zu lächeln, dann musste ihm das gründlich misslungen sein. Jedenfalls seiner gegenwärtigen Grimasse nach zu urteilen. Er hatte keine Übung darin.

      Ich zuckte die Achseln und stieg aus. Ich war auf die restlichen Scheine in Everdings Umschlag scharf, notgedrungen. So ist das nun mal im Leben, die Zeiten, in denen man auf die Jagd ging, um der Familie eine Gazelle fürs Abendessen zu schießen, sind leider schon seit ein paar Dekaden vorüber.

      All die Ideale in meinem Gewerbe – von wegen heroischer Ritter der Großstadt und sprächen nicht meine Natur und meine Vorsätze dagegen, dann würde ich Ihnen jetzt eine runterhauen –, falls man sich dabei nicht ohnehin selbst was in die Tasche gelogen hatte, verflüchtigten sich auf der Stelle, wenn einem im Büro Heizung und Licht abgedreht worden waren.

      Ich bedauerte die armen Dinger da drin, so wie ich alle auf der Welt bedauerte, denen es schlechter ging als mir, aber ich wäre kaum freiwillig für sie aus dem Wagen gestiegen.

      Die Tür des Vereins war mit einer brandfleckigen Bügeldecke verhängt. Hinter dem provisorischen Vorhang – an der Stelle der Milchglasscheibe, wo er knapp über der Klinke ein kleines Dreieck freiließ – schimmerte rötliches Licht.

      “Tut mir schrecklich leid ”, sagte eine rothaarige Alte in schwarzem Drachenkimono, die man wegen ihres verhärmten Gesichts leicht für die Reinemachefrau hätte halten können, wäre das goldene Gebammel an ihren Ohrläppchen nicht ein paar Pfund zu schwer dafür gewesen, “aber wir hatten eine Überschwemmung. Eines der Mädchen spielt verrückt – das Heimweh”, fügte sie mit mitleiderweckendem Augenaufschlag hinzu, als sei “Heimweh” eine Art Zauberformel für mein abgestumpftes Herz.

      Der Boden war eine einzige große Lache, die sich aus dem Waschraum bis zum Eingang ergossen hatte.

      “Kein Problem, werd' einfach ein wenig meine Hosenumschläge liften”, sagte ich und setzte mich auf einen Barhocker an der Theke, die Schuhe auf der Trittstange. “Wer von den Mädchen ist denn die Unglückliche?”

      “Die Kleine mit der netten Stupsnase.” Sie zeigte auf ein Mädchen, dass apathisch an der gegenüberliegenden Wand saß und durch mich hindurchblickte. Ihre Kolleginnen waren damit beschäftigt, feuchte Aufnehmer auszuwringen und volle Wassereimer zur Toilette zu tragen. “Sum Nong, bitte komm zu uns herüber und leiste dem Herrn Gesellschaft.”

      Sum beachtete uns nicht.

      “Ich bin Helga”, sagte die Rothaarige, als seien Probleme beim Dressurakt nichts, was eine erfahrene Dompteuse wie sie aus der Ruhe bringen könnte. “Die Gründerin des Vereins. Sum ist etwas unpässlich, weil ihr das Klima nicht bekommt. Sie spricht kein Wort Deutsch, aber auf englisch kann sie sich ganz gut verständigen.”

      Helga zischte ihr ein paar Worte in einer Sprache zu, von der ich annahm, es sei Thai. An ihrem Tonfall hätte man leicht mein Rasiermesser abziehen können.

      Das Mädchen wurde so lebendig, als habe ihm jemand ein Lebenselixier eingeflößt, und zwar über den Gehörgang direkt ins Gehirn. Sie patschte durch die Wasserpfützen zu uns herüber, berührte mit der flachen Hand ungeschickt mein Knie und sah mich schicksalsergebener an als eine Kuh, die beim landwirtschaftlichen Leistungswettbewerb den ersten Preis machen sollte und das auf irgendeine sprachlose Weise auch verstanden hatte, in ihrer dumpfen Art …

      Sum war etwa zwanzig

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