Das Wolkenreich. Eike Ruckenbrod
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Читать онлайн книгу Das Wolkenreich - Eike Ruckenbrod страница 4
Ihr habt es geschafft! Ihr seid die Besten. Ich liebe euch, freute sich der erschöpfte Junge, rutschte mit weichen Knien von Kahs Rücken und drückte Ares einen kalten Kuss auf die zitternden Nüstern. Der graue Hengst tropfte vom Schweiß, obwohl es immer noch eisig war. Sorgenvoll betrachtete Kesimo Jolanis' bläuliches Gesicht. Rasch führte er Kah zu einer Wolke, die hell und warm erleuchtet, in einiger Entfernung schwebte. Vorsichtig zog er den Jungen vom Einhorn und hievte ihn auf die Sonnenwolke, die seinen ausgekühlten Körper augenblicklich warm umhüllte. Kesimo beobachtete ihn angespannt. Zögerlich öffnete Jolanis die Lider und sah direkt in Kesimos breites Grinsen.
Na, mein Freund, alles klar?, erkundigte sich der Junge erleichtert.
Kesimo, ich könnte dich küssen, du hast mich gerettet! Jolanis streckte seine Arme aus.
Spar dir mal lieber die Energie, um Ria zu retten, wehrte Kesimo weich ab.
Jolanis setzte sich erschrocken auf und warf einen Blick in die Runde. In einiger Entfernung erblickte er die dunkelgrauen Ränder es Strudels. Ein heftiger Schmerz wütete in seiner Brust und sein Herz krampfte sich zusammen. Ist sie etwa noch da drin?, fragte er bange, obwohl er die Antwort schon kannte. Ein tiefes Schuldgefühl ließ ihm übel werden.
Der Jüngere nickte ernst. Ja, leider konnte ich ihr nicht mehr helfen, sie war schon im Schlund verschwunden. Du hattest Glück, dass sich Kah so heftig gewehrt hat. Vorsorglich verschwieg Kesimo, was er Schreckliches gesehen hatte, als sich der Wolkenstrudel zu einer Bestie verwandelte.
Niedergeschlagen blickte Jolanis auf das erschöpfte Tier und streichelte ihm liebevoll die weichen Nüstern.
Ich bin sehr stolz auf dich und bin glücklich, dass du mich damals auserwählt hast. Kah schnaubte zart in seine Hand. Gemeinsam überlegten Jolanis und Kesimo, wie sie Riala retten konnten. Jolanis machte sich die größten Vorwürfe, dass er nicht besser aufgepasst hatte, vor lauter blindem Ehrgeiz …
Nach einer Weile entschlossen sie sich, trotz der Aussicht auf heftigen Ärger, erst einmal zur Hohepriesterin zu reiten und ihr zu beichten, was vorgefallen war, vielleicht hatte sie ja eine Idee. Denn, wenn sie ehrlich waren, wollten sie beide nicht noch einmal in den eisigen Schlund, so lieb sie Riala auch hatten.
Namatani stand neben den Koppeln und warf einen besorgten Blick in die Runde. Ihr hellblauer Umhang und ihr hüftlanges, pinkfarbenes Haar wiegten sich sanft im Wind. Der Nebel hatte sich aufgelöst. Aber trotz der guten Sicht erblickte sie nicht das, was sie sich erhoffte. Wie so oft hielt sie Ausschau nach Riala. Da auch Jolanis und Kesimo unterwegs waren, hoffte sie, dass die Jungs auf das übermütige Mädchen aufpassen würden. Aber ihr ungutes Gefühl sagte ihr das Gegenteil.
In diesem Augenblick entdeckte sie in weiter Ferne zwei Reiter. Auf ihrer Stirn bildete sich eine tiefe Falte. Warum kommen nur zwei zurück?, fragte sie sich noch mehr beunruhigt und ging ihnen gerade so weit entgegen, dass sie die kleinen Sonnenkinder noch im Blick hatte.
Je näher Namatani den Reitern kam, desto größer wurde ihre Unruhe. Es sind die Jungs!, stellte sie erschrocken fest und sandte Jolanis nur diese eine Frage: Wo ist Riala?
Die Jungs erblickten die Hohepriesterin und warfen sich einen besorgten Blick zu.
Oh je, jetzt geht’s gleich los, meinte Kesimo. Jolanis nickte schweigend. Im Gegensatz zu vorhin wurde es ihnen siedend heiß. Und er war auch noch Schuld …
Wahrheitsgetreu antwortete Jolanis, dass sie es selbst nicht so genau wussten.
Die Priesterin wartete nun mit ernster Miene, bis sie endlich vor ihr standen und sie in ihre Augen blicken konnte. So blieb ihr keine Lüge verborgen.
Kaum waren die Jungs bei ihr, sprangen sie von den Reittieren und begrüßten die Hüterin, indem sie ihre Handinnenflächen küssten.
Was ist geschehen? Ich sehe euch an, dass etwas nicht in Ordnung ist. Kesimo, wo ist dein Gewand?
Der Junge senkte beschämt den Blick und schaute schweigend auf seine nackten Füße.
Namatani wandte sich streng an den Älteren: Jolanis schau mir in die Augen und antworte! Sofort!
Der Junge blickte in das schöne Gesicht Namatanis, das nun ernst und besorgt aussah und lange nicht so strahlte wie sonst.
Wir haben ein Wettrennen gemacht …, fing Jolanis zögerlich an zu berichten und kaute auf seiner Unterlippe.
Wer ihr? Du und Kesimo?, fiel sie ihm erstaunt in den Gedanken. Jolanis schüttelte den Kopf. Ungeduldig mischte sich Kesimo ein: Jolanis, wir haben nicht so viel Zeit zum Plaudern. Erzähle rasch, was geschehen ist!
Du hast recht, Kesimo. Der Nebel hat die grauen Wolken verschleiert, erklärte Jolanis betrübt. Und wir waren so im Rennfieber, dass wir gar nichts mitbekamen und plötzlich waren wir drin, im eisigen Strudel …
Sein Herz brannte vor Kummer und Schuld. Würde er Riala je wiedersehen?
Namatani wich auch noch die letzte Farbe aus ihrem blassen Gesicht. Nein! Wie konntet ihr nur so unvorsichtig sein? Habe ich euch nicht täglich vor den grauen Wolken gewarnt?! Und das nicht ohne Grund, sie sind lebensgefährlich! Jolanis, du solltest in deinem Alter verantwortungsbewusster handeln. Ich würde dir am liebsten den blanken Hintern versohlen.
Jolanis errötete bis an die Haarwurzeln. Er fühlte sich noch mieser. Es tut mir unglaublich leid, ehrlich.
Tief sog sie den Atem ein und schwieg einige Zeit, um sich zu beruhigen und klare Gedanken zu fassen.
Dann richtete sie ihre Gedanken an die nervösen Jungs:
Es ist wie damals, als plötzlich die weißen Wölfe verschwanden. Und danach sind immer wieder Kinder und Fohlen verschwunden und nie mehr aufgetaucht. Niemals hört ihr?! Zu keiner Zeit, seit ich lebe, ist jemand lebend zurückgekehrt und konnte Bericht erstatten. Wir hatten zwar eine Vermutung, aber nie Zeugen, wo sie geblieben sind. Aber ich war mir stets ganz sicher, dass ER es war. Was sich ja nun leider auch bestätigt hat.
Die Priesterin sah mit leerem Blick in die Ferne. Sollte sie wieder eines ihrer Schützlinge opfern müssen? Und dann noch eine Mal-Trägerin, die eine höhere Bestimmung hatte, das würde der Schlossherrin ganz und gar nicht gefallen.
Die Jungs schauten sich entsetzt an. Ihre geliebte Riala sollte für immer verloren sein, daran wollten sie nicht glauben. Schon der Gedanke daran ließ sie erschaudern.
Nein, das darf nicht wahr sein. Kesimo und ich werden sie retten! Irgendwie werden wir es schon schaffen. Kesimo hat auch mich gerettet, stimmt's?, ereiferte sich Jolanis.
Ja, gemeinsam wird es uns gelingen. Wir sind stark und mutig! Aber ich befürchte, wir haben nicht mehr viel Zeit, gab Kesimo zu bedenken.
Zeit spielt nun keine Rolle mehr. Laut der Überlieferung steht die Zeit am Ende des Strudels still, sie ist eingefroren. Nichts geschieht mehr, außer der Graue Urus wünscht es. Seit die Wölfe verschwunden sind, fällt es ihm immer leichter, Opfer in seinen eisigen Gierschlund