Anele - Der Winter ist kalt in Afrika. Marian Liebknecht
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„Ich habe noch etwas, das ich ihnen vorschlagen möchte. Sie haben selbst gesagt, dass eine Kündigung von Ihrer Seite nicht möglich ist, selbst wenn Sie es wollten“, begann Philipp.
„Das habe ich keineswegs gesagt, es gibt im Zuge von Geschäftseinschränkungen oder Betriebsübergängen durchaus Möglichkeiten, auch Dienstverhältnisse mit Kündigungsschutz zu lösen, derzeit wird daran aber nicht gedacht“, fuhr ihm Dr. Schröder dazwischen.
„Sei’s wie es sei, eine Frage habe ich. Was wäre es Ihnen wert, wenn ich einer einvernehmlichen Lösung meines Dienstverhältnisses zustimme? Meine Frage zielt natürlich auf die Höhe der Abfertigung ab.“ Als er es ausgesprochen hatte, sah er, wie Erich aufhorchte. Auch Dr. Schröder wirkte kurzfristig etwas überrascht. Er hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, dass es jemand überhaupt in Betracht ziehen würde, die Sicherheit des geschützten Dienstverhältnisses für ein paar Monatsgehälter Abfertigung aufzugeben. Philipp selbst wartete nach seiner Frage gespannt auf die Antwort.
„Das müsste man sich ansehen. Grundsätzlich ist die Zahlung einer Abfertigung bei einer einvernehmlichen Lösung nicht ausgeschlossen. Wie ich gerade gesagt habe, ist durch die Maßnahmen im Zuge der Rationalisierung die Situation nun einmal so, dass wir zu viele Mitarbeiter haben. Sollten Sie anderweitig Möglichkeiten haben, wäre eine einvernehmliche Lösung natürlich auch in unserem Interesse.“ sagte Dr. Schröder nach der ersten Verwunderung sehr schnell. „Aber es hängt natürlich von der Höhe Ihrer Wünsche ab. Deshalb würde ich gerne konkrete Zahlen hören.“
‚Dir ist doch vollkommen egal, ob ich andere Möglichkeiten habe oder nicht‘, dachte sich Philipp, und der bisherige Verlauf des Gesprächs zeigte ihm deutlich, dass für Dr. Schröder die Entscheidung über seinen Vorschlag eine reine Kosten-Nutzen-Rechnung darstellen würde. Aber das war beinahe mehr, als er sich erwartet hatte. Schließlich wäre es auch möglich gewesen, dass Dr. Schröder für Einzelfalllösungen wegen der Vorbildwirkung für andere Kollegen überhaupt nicht zu haben gewesen wäre.
„Ich könnte mir das Doppelte der gesetzlichen Abfertigung vorstellen bei Bezugszahlung bis Ende März und Dienstfreistellung ab sofort. Die Abfertigung soll beim formellen Ende des Arbeitsverhältnisses, also Ende März, zur Auszahlung kommen.“ Philipp hatte sich natürlich schon im Vorhinein überlegt, wie viel er, je nachdem wie es lief, fordern wollte. Da das Gespräch seiner Meinung nach keine schlechte Wendung genommen hatte und ihn wegen der Kaltschnäuzigkeit Dr. Schröders auch keinerlei Hemmungen davon abhielten, unverschämte Forderungen zu stellen, hatte er sehr hoch gegriffen.
„Meinen Sie das im Ernst?“ fragte Dr. Schröder.
„Ich glaube nicht, dass ich aussehe, als wollte ich Späße machen? Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder, Sie zahlen mir mein Gehalt, bis ich fünfundsechzig bin und anschließend noch die vertraglich vereinbarte Zusatzpension, obwohl ich ja Ihrer Meinung nach überzählig bin, oder Sie zahlen mir ein Jahresgehalt und sind mich dafür für immer los“, antwortete Philipp, dem seine Forderung, nachdem er das gesagt hatte, gar nicht mehr so unbescheiden vorkam.
„Na gut“, meinte Dr. Schröder, „ich ersuche um schriftliche Formulierung Ihres Angebotes, dann werde ich mich damit befassen, aber ich kann Ihnen keinerlei Zusagen machen, nur die, dass es ernsthaft geprüft wird.“
„In Ordnung“, sagte Philipp, „ich werde meinen Vorschlag auch noch schriftlich formulieren und anmerken, dass ich innerhalb von einer Woche eine Entscheidung erwarte, sonst gilt er als zurückgezogen. Ich weiß nicht, wie Sie es sehen, aber meines Erachtens stehen Sie jetzt vor der Wahl, auf mein Angebot einzusteigen oder für die nächsten sechsundzwanzig Jahre eine Beschäftigung für mich zu finden.“ Nachdem er das gesagt hatte, verabschiedete er sich, stand auf und ging aus dem Zimmer. Er hätte gern die Gesichter von Erich und Dr. Schröder gesehen, widerstand aber der Versuchung sich noch einmal umzudrehen.
Als er wieder in seinem Büro war, schrieb er seinen Vorschlag zusammen, ging zu Erichs Sekretärin und gab ihr das Schriftstück mit dem Ersuchen um dringende Weitergabe an die Generaldirektion. Ihm kam das Ganze fast wie ein Spiel vor, bei dem er ausnahmsweise einmal eine reale Chance hatte, etwas zu gewinnen. Für ihn selbst war entschieden, dass er die Bank verlassen würde, egal ob er auch nur einen Cent Abfertigung bekommen würde. Sein Vorteil aber war, dass Dr. Schröder das nicht wusste, und wenn es irgendwie möglich war, wollte er diesen Informationsvorsprung in bares Geld umsetzen.
Dienstag Nachmittag bekam Philipp einen Anruf. Es war Piet, der an diesem Abend Zeit hatte und deshalb fragte, wie es mit einer Partie Schach und einem Glas Wein wäre. Philipp, der außer Montag und Donnerstag, den Tagen der Schulung, abends fast immer zu Hause war, ließ sich nicht lange bitten und es wurde vereinbart, dass er um sieben kommen sollte. Piet beschrieb ihm am Telefon nochmals genau den Weg zu seiner Wohnung. Sie befand sich in einem Außenbezirk, nicht in unmittelbarer Nähe von Philipp, aber mit dem Bus recht gut erreichbar.
Nach dem Büro machte Philipp noch einen Abstecher in seine Lieblingsvinothek und besorgte eine Flasche eines Weins, den er selbst sehr schätzte, als Mitbringsel für den Abend. Es war draußen ziemlich bewölkt und etwas nebelig, aber nicht mehr so kalt wie in den letzten Tagen. Durch den Nebel waren die Straßen nass, obwohl es nicht regnete, und der ganze Tag schien mehr in den Spätherbst als in den Winter zu passen. Vereinzelt hatten die letzten Wochen, die mit Frost und gelegentlich auch Schnee aufgewartet hatten, noch Reste der weißen Pracht übrig gelassen, welche durch die jetzt milderen Temperaturen allerdings vor sich hin schmolzen, während ihr prächtiges Weiß langsam ergraute. Es war die Zeit, in der man tun konnte, was man wollte, man hatte immer schmutzige Schuhe, wenn man eine Wohnung betrat. Bevor er nach Hause kam, war Philipp noch in den Sinn gekommen, ein paar Erdnüsse und Chips zu besorgen, denn Piet hatte keine Andeutung gemacht, dass es etwas Essbares bei ihm geben würde. Auf diese Weise wollte Philipp sicher stellen, zumindest ein wenig zum Knabbern zu haben.
Zehn vor sieben erreichte er das Haus, in dem Piet wohnte. Es war ein sechsstöckiges Wohnhaus aus den sechziger- oder siebziger Jahren, als Mangel an Wohnraum herrschte und von daher auf Äußerlichkeiten nicht viel Wert gelegt wurde. In der Straße, in der es stand, wechselten Plattenbauten und Industrieanlagen einander ab. Die ganze Gegend wirkte nicht besonders einladend und der Nebel samt dem Nieselregen, von dem er begleitet wurde, machte die Umgebung nicht sympathischer. Unten an der Eingangstür befand sich eine Sprechanlage. Philipp suchte sich unter den vielen Namensschildern jenes von Piet heraus und drückte auf die Klingel. Nach etwa einer halben Minute hörte er eine Art Krächzen, das offensichtlich Piets Stimme war.
„Ja bitte“, nahm Philipp mit einiger Anstrengung wahr. Es folgten noch ein paar unverständliche Geräusche, deren Bedeutung er aber nicht mehr entschlüsseln konnte.
„Hier ist Philipp“, antwortete er und hoffte, dass das genügen würde, um eingelassen zu werden.
„Es ist im vierten Stock, gleich links vom Lift“, rauschte aus dem Lautsprecher, diesmal etwas deutlicher als zuvor, worauf die Tür zu surren begann und Philipp sich beeilte, sie zu öffnen, bevor es zu spät war.
Das Stiegenhaus sah ziemlich verwahrlost aus und es schienen nicht alle Wohnungen belegt zu sein, da einige der Postkästchen neben dem Eingang aufgebrochen waren.
Philipp stieg in den schon etwas antiquarisch wirkenden Lift, der sich, nachdem das Stockwerk gedrückt war, langsam und bedächtig in Bewegung setzte. Als er im vierten Stock ausstieg, sah er auf der linken Seite neben einer geöffneten Wohnungstür schon Piet stehen, der ihm zuwinkte.
„Hallo, Philipp, da bist du ja“, rief er ihm freundlich