Franzi und die Ponys - Band IV. Eike Ruckenbrod

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Franzi und die Ponys - Band IV - Eike Ruckenbrod страница 2

Franzi und die Ponys - Band IV - Eike Ruckenbrod

Скачать книгу

mein Süßer, wie geht‘s dir?“ Zärtlich streichelte sie seine flauschige Stirn. Mojo steckte sein Handy wieder in die Tasche.

      „Svartur muss aufstehen. Komm hilf mir!“, forderte sie ihren Bruder auf. Franzi hob Svarturs Kopf an. „Hoch!“, befahl sie energisch. Mojo versuchte, das Pony im Schulterbereich hochzudrücken. Svartur zog seine Beine unter den Bauch und sog mehrmals tief die Luft ein. Ängstlich blickte er nach draußen auf die vorbeibrausenden Autos.

      „Wie konnte das nur passieren?“, fragte Mojo seine Schwester immer noch fassungslos.

      „Wahrscheinlich ist ihm der Strick beim Fressen über das Genick geraten, er hat Panik bekommen und dagegengezogen. Dadurch hat sich das Halfter verdreht und ihm die Luft abgeschnürt. Irgendwann hat es ihn dann wohl umgehau ’n“, erklärte Franzi und fügte kleinlaut hinzu: „Eigentlich darf man das Knotenhalfter nicht zum Verladen benutzen, denn es ist ein reines Arbeitshalfter, aber es war schon so spät ...“

      Mojo atmete tief ein und schüttelte ungläubig den Kopf. „Man sollte ab und zu sein Hirn einschalten, fast hätte ihn deine Ungeduld das Leben gekostet. Du musst noch viel lernen, kleine Schwester“, sagte er vorwurfsvoll. Franzi schwieg betroffen. Ihr war speiübel. Nie hätte sie es sich verziehen, wenn Svartur etwas passiert wäre. Der Rappe bewegte sich unruhig, stand kurz darauf auf und schüttelte sich. Mojo lobte ihn und streichelte seinen kräftigen Hals. Nervös scharrte der Wallach mit dem Vorderhuf und blickte mit weit aufgerissenen Augen aus dem Hänger.

      „Es scheint ihm gut zu gehen“, stellte Mojo beruhigt fest. Franzi nickte erleichtert.

      „Ich hab‘ noch ein normales Stallhalfter in meinem Rucksack“, fiel ihr gerade ein, als ein Lkw direkt neben dem Hänger ohrenbetäubend laut hupte. Svartur bäumte sich auf, drehte sich blitzschnell auf der Hinterhand und galoppierte panisch aus dem Hänger heraus. Franzi griff vergeblich nach ihm.

      „Nein, Svartur nicht ...“, schrie sie ihm noch nach. Mojo rannte dem Pony hinterher. Das sprang hastig weg von den angsteinflößenden Autos und Lkw, über die Leitplanke und hinaus aufs freie, schneebedeckte Feld. Die Geschwister hetzten ihm hinterher. Bei jedem Schritt sanken sie knietief im Schnee ein und kamen nur langsam vorwärts. Svarturs Silhouette wurde immer kleiner, bis sie hinter einem Hang verschwand.

      Frustriert blieb Mojo stehen und beugte sich keuchend vornüber. Mit zittrigen Knien stand Franzi ein paar Meter hinter ihm und drückte fest gegen ihre Seite, in der Hoffnung, damit das fiese Seitenstechen zu vertreiben. Ihr Hals schmerzte. Sie fühlte sich so schlecht wie noch nie in ihrem Leben.

       Was habe ich nur getan? Svartur ist weg. Lieber Gott, bitte lass ihm nichts zustoßen. Bitte, bitte, bitte ...

      Mojo kam mit hochrotem Gesicht auf sie zu.

      „Ich ruf‘ die Polizei an. Die müssen uns helfen.“ Franzi nickte mit Tränen in den Augen. „Vielleicht können sie ja mit einem Hubschrauber nach ihm suchen“, sagte sie hoffnungsvoll.

      „Beim Hof müssen wir auch anrufen.“ Mojo zog sein Smartphone aus der Jackentasche.

      „Ich muss den Wagen und den Anhänger heute noch zurückbringen“, fügte er verzweifelt hinzu. Franzi schwieg betreten.

       Wie kann er jetzt nur an den blöden Hänger und den Wagen denken. Svartur ist weg! Und vielleicht sehen wir ihn nie wieder.

      Dunkle Punkte tanzten vor ihren Augen. Ihr war schwindlig. Kraftlos stapfte sie hinter ihrem Bruder durch den Schnee. Mojo blieb stehen und zog schwungvoll einen seiner Lederhandschuhe aus, dabei rutschte ihm sein Smartphone aus der Hand, fiel in den Schnee und verschwand augenblicklich darin.

      „So ein Mist“, fluchte er, bückte sich und suchte nach dem flachen Gerät. Hektisch wühlte er im Schnee, sodass man bald nicht mehr erkennen konnte, wo genau es hineingefallen war.

      Franzi schaute sich immer wieder nach Svartur um, aber er blieb, wie auch das Smartphone, verschwunden.

      Tränen verschleierten ihren Blick. Mojo grub wie ein Hund im Schnee. Die Verzweiflung ließ ihn lange nicht ermüden. Auch Franzi schaufelte den Schnee durch. Nach einer Weile fiel ihr ein: „Im Auto liegt mein Handy. Komm, wir holen es, dann kann ich dich anklingeln.“

      „Geh‘ du, ruf‘ mich an und warte im Wagen auf mich!“ Franzi nickte und stapfte mit bleischweren Beinen los.

      Tief saugte der Ausreißer die kalte Luft in seine Lungen. Endlich weg von alldem, was ihm Angst einjagte. Übermütig buckelte er und galoppierte immer weiter. Der lockere Schnee umwirbelte ihn und ließ sich auf seinem Fell nieder. An seinen Tasthaaren hafteten zarte weiße Kristalle. Als er endlich langsamer wurde, dampfte sein Körper und umhüllte ihn in eine weiße Wolke. Ketten von kleinen Eisklumpen hingen an dem langen Fell seiner Beine. Locker trabte er einen Hang hinunter. Ab und zu senkte er den Kopf und blies in die dichte Schneedecke hinein. Schneeflocken stoben daraus hervor und wirbelten einen Moment durch die Luft. Plötzlich blieb er stehen und verharrte regungslos im tiefen Schnee. Aufmerksam und fluchtbereit beobachtete er seine weiße Umgebung.

      Unglaubliche Begegnung

      Sally lag auf ihrem Bett und starrte zur Decke. Sie hasste das Leben und besonders das, was das Schicksal aus ihr gemacht hatte. Einen Krüppel, den keiner mehr liebte. Und damit meinte sie Liebe, kein Mitleid, das verabscheute sie. Ihre Familie konnte ihr nichts mehr recht machen. In allem sah sie nur Mitleid und sie wurde ungerecht, launisch und hart.

      Bis zu ihrem Fahrradunfall vor einem Jahr war sie die neunjährige, hübsche, lebenslustige Sally gewesen, die jeder mochte. Der Liebling ihres Vaters. Jetzt nervte er nur noch, mit seinen überflüssigen Geschenken und der geheuchelten Liebe.

       Und Mutti, die weint sich noch mal die Augen aus dem Kopf. Sie meint wohl, ich höre nicht, wie sie Nacht für Nacht leise in ihr Kissen schluchzt.

      Angeekelt blickte Sally an ihrem Körper hinab. Ihr Blick ruhte auf ihren leblosen dünnen Beinen, die verdreht auf der Decke lagen.

      „Ich hasse euch!“, zischte sie und zwickte sich fest in den Oberschenkel. Dass ihre Krankengymnastin, mit der sie ein paar Mal in der Woche trainierte, sie auf einen weiteren blauen Fleck ansprechen würde, interessierte sie nicht.

       Warum gerade ich? Konnte es nicht jemand anderem passieren? Habe ich was Schlimmes getan, dass ich so hart bestraft werde?

      Es waren immer dieselben Gedanken, die sie beschäftigten. Früher hatte sie täglich gebetet und Gott um Gesundheit angefleht. Doch inzwischen hatte sie es aufgegeben.

      Es hat alles keinen Sinn mehr. Ich bin doch nur eine Belastung für Mutti und Vati.

      Seit zwei Tagen versteckte Sally ihr Essen in einem Schuhkarton im Kleiderschrank. Und immer wenn ihre Mutter „Hat es dir geschmeckt, meine Liebe“, fragte und ihr liebevoll übers Haar strich, antwortete Sally: „Ja Mami, war lecker.“ Ihr schlanker Körper magerte rasch ab und die Kraft schwand.

      Jede Nacht plagte Sally der gleiche Albtraum: Nach der Schule radelte sie nach Hause. Plötzlich quietschten Reifen, ein großes, schwarzes Auto kam direkt auf sie zugerast. Angstvoll starrte sie der Limousine entgegen. Sie sah noch den Qualm von den quietschenden Reifen aufsteigen. Verschmorter Gummigeruch stach ihr in die Lunge, als sie zu Boden geschleudert wurde. Schwärze umgab sie. Sie bekam nicht mehr mit, wie einer ihrer Rückenwirbel zertrümmert wurde und damit

Скачать книгу