Parkbank ins Leben. Frank W. Kolbe
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In leuchtenden Klamotten durch die Stadt laufen und dann auch noch Müll aufsammeln? Nein, das war nichts für Marc, wenn er auch Respekt dafür hatte, denn es ist ein harter Job. Aber er war es gewohnt in Designerkleidung zur Arbeit zu gehen um ein gutes Bild abzugeben. Was sein Aussehen anging, war er sehr akkurat und kleinlich. Er wusste, dass er sehr tageslichttauglich war. Er sah gut aus, schließlich stand er schon einmal Modell für eine Werbung in einer regionalen Zeitung. Darauf war er sehr stolz und die Mappe, die man ihm damals mitgab, stand einsehbar in einem Regal in seinem Wohnzimmer. Er überlegte sich, ob er es vielleicht noch einmal versuchen sollte. Mit seinen 25 Jahren war er noch jung genug und hatte gute Chancen. Doch im Moment verwarf er auch diesen Gedanken recht schnell wieder.
„Hallo Onkel.“, meldete sich eine zarte, junge Stimme.
Marc schaute und sah ein kleines Mädchen, das neben ihm stand und ihm einen Strauß reichte, der aus fünf Gänseblümchen bestand. Sie umklammerte die zarten Stängel kräftig mit ihrer kleinen Hand und das Lächeln in ihrem Gesicht mit den roten Wangen versprühte in diesem Moment mehr Energie als die Hitze der Sonne.
„Hey meine Kleine!“, antwortete Marc, „Sind die Blumen für mich?“
Die Kleine nickte nur mit dem Kopf, während sie so grinste, dass ihre Augen geschlossen schienen.
„Olivia!“, rief eine Stimme, „Was machst du denn schon wieder? Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du die Leute in Ruhe lassen sollst?“
Die Mutter der Kleinen kam angerannt. Marc merkte, dass sie Olivia wohl aus den Augen verloren haben muss, denn in ihrem Blick erkannte er Angst.
„Lassen Sie sie ruhig, die junge Dame hat mir einen Blumenstrauß geschenkt.“, rief Marc ihr entgegen und lachte dabei, um die Mutter ein wenig zu beruhigen. Vor ihm brauchte sie wirklich keine Angst haben, denn er mochte Kinder sehr. Schon als Jugendlicher hat er oft auf Kinder aufgepasst und sich so als Babysitter ein bisschen Geld dazuverdient. Es war für ihn völlig normal, die Kleinen zu beobachten und bei ihnen zu sein, um auf sie aufzupassen.
Seufzend ließ sich die Mutter von Olivia auf die Bank fallen und stellte sich vor.
„Hi, Sabine, stopp. Außer Atem, stopp!“
Beide mussten lachen. Ein mündliches Telegramm hört man nicht alle Tage.
„Hi, ich bin der Marc.“, stellte er sich vor, „Und das hier ist die kleine Ausreißerin Olivia, stimmt´s?“
Olivia nickte freudestrahlend und schlug Marc auf den Oberschenkel.
„Hey, warum haust du mich?“, fragte er.
Sie schaute verlegen auf den Boden und sprang Marc fast in die Arme, als er sie fragte, ob sie auf seinen Schoß möchte.
„Den Strauß hast du mir doch eben erst geschenkt!“, sagte er verdutzt, als die Kleine nach den Gänseblümchen grabschte und sie vor sich auf dem Weg verstreute.
„Wie alt bist du denn?“, fragte er sie.
Olivia nahm ihre rechte Hand und streckte ihm alle Finger entgegen.
„Nein, das ist nicht richtig.“, wandte Sabine, ihre Mutter, ein, „Du kannst das. Komm, zeig dem Onkel wie alt du bist.“
Olivia nahm nun ihre linke Hand zur Hilfe, um diese schwierige Aufgabe zu meistern. Doch bevor sie sich für einen Finger entschied, den sie weg bog, musste sie noch einmal laut lachen. Dann schaute sie gespannt ihre rechte Hand an. Alle drei Blicke schienen erstarrt. Die Kleine ging mit der linken Hand erst einmal die anderen Finger durch und entschied sich dann, ihren kleinen Finger nach innen zu biegen. Auf die Zustimmung ihrer Mutter hin strahle sie voller Glück.
„Oh, vier Jahre bist du schon alt?“, fragte Marc erstaunt, „Dann gehst du ja bald schon in die Schule.“
„Ich habe auch schon einen Freund!“, kam zögerlich aus Olivias kleinem Mund.
Marc und Sabine schauten sich an und lachten.
„Wie heißt der denn?“, fragte er.
„Christian Oliver.“
„Ist der auch schon so alt wie du?“
Olivia schaute ihn auf diese Frage hin ganz erstaunt an. So, als wollte sie damit sagen, dass sie sich bisher noch keine Gedanken über das Alter ihres Freundes gemacht hat und es ja enorme Unterschiede geben kann. Doch nach einer kurzen Denkpause und einem fragenden Blick zur Mutter lächelte sie wieder und nickte bejahend. Langsam fing sie an zu drängeln und zeigte in Richtung Spielplatz, auf den sie gerne wollte. Die beiden verabschiedeten sich von Marc und sie wünschten sich gegenseitig einen schönen Tag. Er schaute den beiden noch einen Moment hinterher und sein Blick verfing sich immer mehr im Nichts.
Als Kind pflückte er immer Klee von der Wiese bei seinen Großeltern, den er seiner Oma schenkte. Einmal hat sie angefangen zu weinen, als er ihr einen solchen Strauß brachte. Sie nahm eines dieser kleinen Stängel aus dem Strauß heraus und zeigte es Marc. Sie erklärte ihm, dass dieses Kleeblatt etwas ganz besonderes sei. Es hatte vier Blätter und weil er es gefunden hatte, so sagte sie, sollte es ihn durch sein ganzes Leben begleiten und ihm immer Glück bescheren. Die Szene verlief wie ein Film vor seinem geistigen Auge ab, als ob es erst gestern war. Aus seiner Hosentasche holte er sein Portemonnaie, öffnete es und nahm ein kleines Teil aus Plastik heraus. Auch das öffnete er und sah sich das Kleeblatt an, dass er all die Jahre immer bei sich hatte. Ausgerechnet heute wurde er daran erinnert und nun wusste er, dass seine Großmutter wieder bei ihm war, um ihn zu trösten. Der Engel am Eingang des Parks hätte ihn schon daran denken lassen müssen, aber da war er noch zu sehr gedankenverloren. „Was ist eigentlich Glück?“, fragte sich Marc, während er auf das Kleeblatt starrte. Er dachte an Olivia, die noch sorglos durchs Leben ging. Sie musste glücklich sein, denn sie war behütet. Aber andere Menschen, die nicht behütet sind, scheinen auch glücklich zu sein. Einige davon haben Schulden und können sich nicht einmal jeden Tag etwas zum Essen machen und trotzdem lachen sie. Was macht diese Leute glücklich? Marc klappte das kleine Plastikheftchen wieder zu und entdeckte auf dem Deckel einen verblassten Text. Er hielt es in die Sonne und konnte nun erkennen, welcher Text einmal dort in silbernen Buchstaben stand: Gott schütze Dich!
Seine Großmutter hatte dieses Heftchen in Altötting gekauft. Innen sind zwei Metallplättchen. Auf dem einen schien Maria zu sein mit dem Jesus Kind und auf dem anderen war der heilige Bruder Konrad zu sehen. Marc überlegte, was seine Großmutter ihm über den Bruder Konrad erzählte. Er war nicht sehr bibelfest und an seinen letzten Besuch in der Kirche konnte er sich auch nur noch vage erinnern. Doch eines fiel ihm wieder ein. Immer wenn seine Großmutter Kresse für das Essen abgeschnitten hatte, fragte sie ihn, an wen ihn die Kresse erinnere. Die Kapuzinerkresse sollte ihn immer an das Kleeblatt erinnern, weil es ebenso grün war. Und der Name Kapuziner erinnerte ihn zwangsläufig an den Kapuziner Orden, in dem der Bruder Konrad Pförtner war. Er wusste es nun wieder genau, was ihm seine Oma immer beigebracht hat. Niemals sollte er schlecht denken oder reden, er sollte immer lieb sein und alle nett behandeln. Jeden Abend sollte er dafür danken, dass auch er geliebt wird. Das war laut seiner Oma die Botschaft, die Bruder Konrad ihm in diesem kleinen Plastikheftchen mitgab, in dem nun auch dieses Kleeblatt lag.
„Oma beschützt mich!“, flüsterte er leise zu sich, während er über diese Erinnerung nachdachte. Seine Augen wurden feucht und Tränen liefen ihm über seine Wangen. Eben noch fragte er, was Glück ist und schon bekommt er eine Antwort durch einen Gegenstand, den er so lange schon bei sich trug. Glück kann man nur erlangen, wenn man selber versucht