Parkbank ins Leben. Frank W. Kolbe

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Parkbank ins Leben - Frank W. Kolbe

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bekannt wie ein bunter Hund. Marc hatte bei ihm als Kind schon das Eis gekauft und heute traf er ihn wieder. Hatschi, wie er ihn nannte, weil er damals als Kind das Wort Gelati noch nicht einordnen konnte und daraus dann Hatschi machte, war ein alter Mann. Seine hellen, grauen Haare waren unter einer Melone versteckt und durch seinen langen weißen Bart flößte er einem irgendwie Ehrfurcht ein. Marc hätte es gar nicht versuchen brauchen, zu ihm durchzudringen. Die Kinder waren in der Überzahl und die Lautstärke der Stimmen brachte jede seiner Silben zum Zerplatzen, sobald sie seinen Mund verließen. Der Eiswagen war noch immer der von damals. Nostalgie pur, denn es war ein hölzerner Handwagen mit schönen detailreich gemalten Blumenmustern an den Seiten. Die großen Holzräder passten sich mit ihren Speichen dem Muster an und vorne war eine kleine Stütze an dem Wagen, damit Hatschi ihn nicht immer festhalten musste. Zum Schutz vor Regen und Sonne war der Wagen überdacht und auch die kleinen Eisfächer hatten Abdeckungen. Der Innenraum war allerdings umgebaut wie Hatschi einmal zu Marc sagte. Die Hygienevorschriften zwangen ihn dazu. Aber es hatte auch etwas Gutes, denn so konnte er ein paar Eissorten mehr in sein Sortiment nehmen. Nach und nach löste sich die Traube aus gestressten Eltern und glücklichen Kindern wieder auf und Marc wagte es, zum Wagen zu gehen.

      „Was darf ich Ihnen geben?“, fragte der Verkäufer.

      „Erdbeere und Zitrone Herr Hatschi.“, antwortete Marc lachend.

      Hatschi zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen und konnte sein Grinsen nicht verbergen. Die Eiskugeln in den Becher füllend stichelte er: „Das so ein schüchternes Bübchen einmal zu so einem erwachsenen Mann heranwächst, man, das ist ja ein Ding!“

      „Schön dich mal wiederzusehen. Ich glaube, das letzte Eis habe ich vor 15 Jahren von dir bekommen und ich hoffe, es schmeckt noch genauso.“

      „Ich bin erstaunt, dass du das noch so genau weißt mein Junge. Ich habe oft an dich gedacht, wenn ich an die Zeit mit deinen Großeltern zurück dachte. Du warst das einzige Kind, dass sich immer ganz weit nach hinten gestellt hatte, damit die anderen zuerst ihr Eis bekamen.“

      „Ja, das stimmt, und immer hattest du noch eins für mich übrig. Ich habe mich immer gefragt, wie so viel in diese kleinen Schalen passen konnte.“

      „Passte es ja nicht. Ich habe immer Erdbeere und Zitrone für dich gelassen, weil ich deine Sorten kannte und ich kannte dich, denn deine Großeltern haben immer von dir gesprochen, wenn wir zusammen waren.“

      „Sag mal Hatschi, wie lange machst du das hier jetzt schon?“

      „Oh, ich bin jetzt 86 Jahre alt und mache das seit 1950, also 56 Jahre. Wenn meine Beine es mir irgendwann verbieten, werde ich mich dem beugen müssen, aber solange werdet ihr mich noch haben.“

      „Wow, du kannst echt stolz auf dich sein. Ich wünsche es dir, dass du das noch lange Zeit machst. Wo soll ich sonst meinen Becher mit Erdbeere und Zitrone herbekommen!?“

      Hatschi lachte mit weit geöffnetem Mund. Es war ein freudiges Lachen und man sah ihm besonders in diesen Momenten sein Alter nicht an. 60 Jahre, vielleicht 65, aber älter würde man ihn niemals schätzen. Er musste weiter und sie verabschiedeten sich voneinander. Marc ging zur Parkbank zurück auf der ein junger Mann saß, der sein Skateboard quer über die Bank gelegt hatte.

      „Würdest du bitte dein Skateboard runter nehmen, damit ich mich setzen kann.“, bat Marc sehr höflich.

      „Alter, such dir ne andere Bank. Siehst doch, dass hier besetzt ist, oder?“

      „Ich habe dich darum gebeten, dein Skateboard von der Bank zu nehmen. Du kannst es machen, oder du tauchst gleich danach, dann kannst du es als Surfbrett benutzen. Überlege dir, was dir lieber ist.“

      Der Junge schreckte durch Marcs sehr fordernde Stimme auf und dass man ihm das ansehen konnte, war ihm sichtlich peinlich. Eben flegelte er sich noch breitbeinig auf der Bank und nun machte er eine Bewegung zum Aufstehen. Er zog seine Hose nach oben, die schon fast in seinen Kniekehlen hing und ging langsam weg. Marc regte sich gar nicht erst über diesen Knaben auf, denn anstatt cool, wie sie wirken wollten, wirkten sie nur lächerlich. Nur in Gruppen konnten sie Stärke zeigen und das war ein Zeichen von Schwäche.

      Zwei Studenten liefen vorbei. Sie unterhielten sich angeregt und nahmen von ihrer Umwelt keine Notiz. In Marc keimte die Hoffnung auf, dass es nun ein bisschen ruhiger wird. Soviel, wie er in den paar Stunden erlebt hatte, erlebte er sonst an einem ganzen Tag nicht. Er lehnte sich zurück und entspannte ein wenig.

      Kapitel 6

      Von Herrchen und Frauchen, die mit ihren Hunden spazieren gingen und von den Leuten, die zur Arbeit liefen oder von der Arbeit kamen, ließ Marc sich jetzt gerade nicht mehr stören. Er ließ den Tag noch einmal an sich vorbei laufen und stellte fest, dass heute alles anders war als sonst. Es schien, als ob alle von seiner Kündigung wussten und sich nun hier im Park zusammengefunden hatten, um ihn zu ermuntern und ihm Lebensweisheiten beizubringen. Aber warum das alles? Er würde so gerne alles rausheulen, aber er hatte ja nicht mal die Möglichkeit dazu. Seit er hier im Park war, häuften sich die Begegnungen mit den verschiedensten Menschen - bekannte und unbekannte. Sie erzählten ihm von ihrem Leben und er selber bekam von allen diesen Menschen etwas für ihn ganz besonders wertvolles geschenkt: deren Lebenserfahrungen. Doch warum lässt ihn keiner weinen? Immer wieder stellte er sich die Frage und erinnerte sich an einen Spruch, den seine Mutter ihm einmal sagte, als er seinen ersten Liebeskummer hatte:

      „Niemand ist deiner Tränen wert.

       Der, der sie wert wäre,

       würde alles dafür tun,

       damit du sie nicht vergießt!“

      Alle Leute, die er heute getroffen hatte, haben genau dies getan. Sie gaben vieles dafür, dass er sie nicht vergießen musste. Sie taten es unbewusst, aber sicherlich der eine oder andere auch bewusst. Und wieder stellte er sich die Frage: „Warum das alles?“ Wenn er an den Spruch seiner Mutter dachte, müssten alle diese Menschen es wert sein, für sie Tränen zu vergießen, denn sie alle sorgten ja nun mal dafür, dass er es nicht brauchte. Er ging noch einmal alle Personen im Geiste durch und kam zu dem Entschluss, dass es tatsächlich stimmte. Für sie alle hätte man Tränen vergießen können. Für Olivia, weil er sie wieder weggeben musste zum Beispiel oder für den Obdachlosen, der all sein Geld durch den Konkurs verloren hat, weil er so merkwürdig lehrreich war und Hatschi, aus Ehrfurcht. Alles fügte sich wie ein Puzzle zusammen und es kam Marc so vor, als ob heute ein Tag war, der für ihn eine Ausbildung darstellte.

      Fragen über Fragen kamen auf ihn zu und er wusste gar nicht, wo er beginnen und wo er enden sollte. Sein Kopf war voll von Gedanken. Er litt Schmerz über die Kündigung und erfuhr gleichzeitig Freude über die ganzen Geschehnisse. Er wusste sich nicht mehr auszudrücken. Sein Geist, seine Gedanken fuhren Achterbahn. Er selber aber, sein Körper, saß still auf dieser Bank. Er kam sich inzwischen vor wie ein König auf seinem Thron, der seine Bürger empfing, die ihm alle von ihrer Ernte abgeben mussten. Die Ernte bestand diesmal aus Wissen und Erfahrung.

      Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gebracht, durchbrach eine fürchterlich schrille Stimme diese herrliche Stille. Die Stimme schrie seinen Namen und gehörte niemand anderem als Stefanie, einem Mädchen, mit dem er zusammen zur Schule ging. Sie war damals über beide Ohren in ihn verliebt, aber er hatte sich nie auf sie eingelassen. Ob sie ihn immer noch so mochte, das wusste er nicht. Marc drehte sich um und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, welches Stefanie direkt als Einladung sah, sich zu setzen. Sie erzählte ihm ohne Punkt und Komma ihr Leben. Marc war kurz vor einem Schrei mit dem flehenden

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