Der Zarewitsch. Martin Woletz

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Der Zarewitsch - Martin Woletz

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Sohn des russischen Paten hatte mehrere Nachtclubs in Moskau geführt und sich mit Drogen und Prostitution ein nicht unerhebliches Vermögen aufgebaut.

      "Ich möchte, dass Dir Oleg hilft, eine neue Route über Bulgarien nach Mitteleuropa aufzumachen. Es gefällt mir nicht, dass wir nur eine Route kontrollieren. Und Oleg hat bewiesen, dass er von diesem Geschäft etwas versteht." Oleg war Josef Iwanowitschs' älterer Sohn und für den Menschenhandel im Unternehmen verantwortlich. Die bisher einzige Route des Syndikats führte über Lettland und Schweden nach Mitteleuropa. Sollte auf dieser Route etwas schief gehen, würden Millionen Dollar und Euro an Einnahmen fehlen. Josef Iwanowitsch war trotz seiner fünfundsechzig Jahre noch immer am planen und aufbauen. Oleg schwieg zu den Ausführungen. Er hatte bereits vor der Besprechung bei seinem Vater gegen diese Entscheidung protestiert, als ihn sein Vater von seinen Plänen unterrichtet hatte - und musste für diesen Protest auf die Hälfte seiner Einnahmen verzichten.

      "Das Treffen ist damit beendet. Ihr könnte gehen. Jurij, du bleibst noch." Mit diesen Worten wandte sich der Pate um und blickte durch die hohen Fenster seiner Hochsicherheitsvilla über das verschneite Tiefland. Als die Männer das Zimmer verlassen hatten, fuhr Josef Iwanowitsch fort.

      "Ich habe über vierzig Jahre diese Organisation aufgebaut. Es ist ein Familienunternehmen mit einem Umsatz von über zwei Milliarden Dollar jährlich. Doch diese Summe bedeutet nur, dass es Menschen gibt, die für unsere Dienstleistungen bezahlen. So, wie überall auf dieser Welt für Dienst bezahlt wird. Doch die Dinge, die wir den Menschen verkaufen, sind nicht gerne gesehen. Doch das hat mich nie interessiert. Jede Bank, jedes Pharmaunternehmen und jeder Rüstungskonzern muss genauso mit Gesetzen und Politikern fertig werden, wie wir und sind nicht illegaler oder legaler als wir. Es geht immer darum, wie man die Gesetze umgehen kann, um noch mehr Gewinn zu machen und noch mehr Einfluss zu bekommen." Josef drehte sich zu seinem Sohn um.

      "Und es geht darum, keine Fehler zu machen, Jurij. Wenn Du Fehler machst, stirbst Du. Und mit Dir unsere Firma."

      Er beugte sich über seinen jüngeren Sohn.

      "Du hast bis jetzt keine Fehler gemacht, darum bekommst Du einen größeren Teil des Kuchens. Wenn Du klug bist, wirst Du so viel Geld verdienen, wie Du es Dir nie erträumen konntest. Aber Du musst zuerst investieren. In deine Kontakte, in deine Sicherheit. Du musst mit Geld und Blut bezahlen, dann kommst Du weiter. Wer Dir im Weg steht, den musst Du töten. Du musst Deine Gegner töten, hörst Du! Es macht keinen Sinn, Sie zu fangen, zu foltern und zu erpressen. Das lenkt Dich nur ab. Wenn sie für Dich arbeiten, investiere in Sie. Wenn nicht, dann schaff sie Dir für immer aus dem Weg. Dann hast Du wieder einen klaren Kopf für neue Aufgaben." Er machte eine kurze Pause und blickte seinem Sohn scharf in die Augen.

      „Du musst auch Deinen Onkel, Deine Tante oder Deinen Bruder töten können, wenn es sein muss.“ Wieder legte der Pate eine kleine Pause ein.

      „Oleg ist ein guter Mann, aber er ist gierig. Er investiert nicht in die richtigen Kontakte, weil er dem Geld, das er dafür aufwenden müsste, nachjammert. Wenn Oleg an deiner Seite nicht lernt, was er zu tun hat, dann wird er Bulgarien nicht mehr verlassen. Er hat drei Monate Zeit. Hast Du verstanden Jurij Josifowitsch?"

      Jurij sah seinen Vater mit seinen stahlblauen Augen an und nahm einen Zug von seiner Zigarette.

      „Ja, ich habe verstanden, Vater." Blutsbande waren wichtig - aber nicht alles. Oleg war gut drei Jahre älter als Jurij und daher früher auf einen sehr einflussreichen und lukrativen Posten in der Firma gekommen. Hatten sie als Kinder noch gemeinsam gespielt, maßen sie sich bereits als Jugendliche mit Waffen und Fäusten. Sie waren wie junge Wölfe, die das Töten spielerisch gelernt hatten. Jurij hatte schon getötet. Einen Kellner, der ihn verraten wollte und einen Journalisten, der ihn in seinem Mistblatt als Verbrecher beschrieben hatte. Doch seinen eigenen Bruder zu töten, war selbst für die Jokovs eine ungewöhnliche Maßnahme. Doch Jurij kannte seinen Vater. Er wusste, dass er keine Wahl hatte. Keine, die sein Leben nicht dramatisch verändern würde.

      Jurij nutzte die nächsten Tage um seinen Umzug vorzubereiten. Er musste seine Klubs absichern, Leute, denen er vertrauen konnte, für die Weiterführung finden. Er musste sich von seinen Mädchen verabschieden, denn er würde keines von ihnen nach Bulgarien mitnehmen. Bei Protesten würde er sich endgültig von der einen oder anderen trennen. Es gab genug Bordelle in Sibirien. Dort konnten sie dann von ihm aus vor die Hunde gehen. Und er musste mit Oleg sprechen.

      Josef Iwanowitsch nahm Beziehungen nicht auf die leichte Schulter. In seiner "Branche" war es immer gefährlich, eine Frau oder Kinder an seiner Seite zu haben, da man mit einer Familie erpressbar war. Doch Josef Iwanowitsch wusste, wie er sich absichern konnte. Seine Frau Natascha entstammte einer Familie, die sich mit Betrügereien, Diebstählen und organisiertem Betteln ihren Reichtum ergaunert hatte. Josef Iwanowitsch übernahm das "Unternehmen" der Schwiegereltern und vergab die wichtigsten Positionen an Familienmitglieder. Erst einige Jahre später, als Josef Iwanowitsch die Gewissheit hatte, dass seine neuen Mitarbeiter völlig von ihm abhängig waren, ging er mit Natascha daran, eine eigene Familie zu gründen. Oleg wurde sofort nach seiner Geburt von Dienstboten und Leibwächtern umgeben. Es gab mehrere Versuche, Oleg zu kidnappen und damit den Paten von seinem Thron zu stoßen. Alle Versuche endeten mit dem grausamen Tod der Entführer. Natascha verkraftete die Gewalt und die Sorge um Oleg nur schwer. In ihrer kriminellen Welt hatte sie die Opfer ihrer Betrügereien meistens gar nicht zu Gesicht bekommen. Gewalt war nie nötig gewesen. Seit ihrer Hochzeit mit Josef Iwanowitsch gehörten jedoch Mord und körperliche Gewalt zu ihrem Alltag. Da sich Josef Iwanowitsch nicht sicher war, ob Oleg überleben und sein Nachfolge antreten würde können, beschloss er ein zweites Kind mit Natascha zu zeugen. Natascha versuchte Oleg immer von Gewalt fernzuhalten und ihm eine möglichst angenehme und luxuriöse Kindheit zu bieten. Oleg lernte von Natascha viele lustige Kartentricks, von denen er zu seinem dritten Geburtstag seinem Vater ein gutes Dutzend stolz präsentierte.

      Josef Iwanowitsch beobachtete diese Entwicklung mit Argwohn. Betrug und Lüge waren aus seiner Sicht nur ein Mittel zum Zweck, konnten aber keine Organisation zusammenhalten. Für Josef Iwanowitsch war das zu wenig. Betrug und Lüge spalteten Organisationen und Menschen, sie verbanden sie nicht. Es waren Fähigkeiten, die man für den Kampf benutzte, aber nicht, um die eigene Firma zu leiten. Dazu bedurfte es weit mehr. In Josef Iwanowitschs Welt waren Gewalt und Belohnungen die schärfsten Waffen. Angst und Gewalt hielt seine Leute bei der Stange, Belohnungen gab es in Form von Geld oder Autos für besondere Leistungen. Doch Oleg war kein Junge, der Angst verbreiten konnte. Er war klein, ein wenig pummelig als Kind und genoss die Vorzüge von gutem und reichlichem Essen. Er hatte mehr Freude an Gold und Diamanten als an Waffen und sobald er alt genug war, waren junge Mädchen sein liebstes Spielzeug. Oleg war der häufigste Anlass für Streit zwischen Josef Iwanowitsch und Natascha, denn Oleg war aus Josefs Sicht von Natascha zu sehr verwöhnt worden.

      Dann kam Jurij zur Welt. Jurij Josifowitsch wurde vor allem von seinem Leibwächter und seinem Vater erzogen. Josef Iwanowitsch achtete streng darauf, dass sein jüngerer Sohn nicht verwöhnt und verhätschelt wurde und sich nicht in nutzlosen Spielereien verlor, wie Oleg. Das führte dazu, dass Jurij Josifowitsch schon sehr bald gelernt hatte, dass er sich alles, was er wollte, erkämpfen musste. Nicht durch Bitten und Kindertränen, Lüge und Betrug, sondern vor allem durch körperliche Gewalt. Er war sportlich und kräftig, dominant und herrschsüchtig. Oleg und er prügelten sich oft. Auch wenn Jurij jünger war, gab es nach Jurijs fünftem Geburtstag keinen Kampf mehr, den er gegen Oleg verlor. Josef Iwanowitsch beobachtete die Entwicklung seiner Söhne mit Sorge. Der Erstgeborene konnte die Thronfolge nicht antreten. Für Josef Iwanowitsch eine Schande. Er schickte Oleg in ein Internat in der Schweiz und anschließend zu einem Wirtschaftsstudium in die Vereinigten Staaten. Jurij blieb in einer Eliteschule in Moskau und absolvierte die Militärakademie. Dank der Kontakte seines Vaters in die militärischen und politischen Kreise, bekam Jurij die allerbeste Ausbildung. Im tiefsten Innersten gab der Patron Natascha die Schuld für Olegs Schwäche. Und Schuldige mussten bestraft werden. Natascha jedoch gewaltsam

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