Der Zarewitsch. Martin Woletz
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Oleg hatte die letzten Tage damit verbracht, viel Geld in seine Kontakte zu investieren um dem Vater zu zeigen, dass er aus Fehlern lernen konnte. Als ältester Sohn war Oleg davon ausgegangen, dass er der neue starke Mann der Organisation werden sollte, wenn sein Vater den Stuhl eines Tages räumen würde. Josef Iwanowitsch legte großen Wert auf Loyalität, Durchsetzungsvermögen und gute Manieren. Im Laufe der Zeit merkte Oleg, dass sein Vater wenig Freude mit ihm hatte und ihm die Leitung des Unternehmens vielleicht nicht übertragen würde. Dabei hatte Oleg immer alles versucht, seinen Vater davon zu überzeugen, dass er die Firma übernehmen könnte. So gründete er wenige Wochen nach Beginn des Studiums in den USA ein eigenes kleines Unternehmen und versorgte die Studenten an der Universität mit Drogen und Nutten. Von den Einnahmen kaufte er sich ein Appartement in der Stadt, das er für Partys und die Produktion kleiner schmutziger Videos nutzte. Trotz seines ausschweifenden und kriminellen Lebensstils war Oleg vom Rektor, Professor Dr. Steven Ferguson, nicht von der Universität verwiesen worden.
Der Grund dafür war aber nicht in den erpresserischen Videos aus Olegs Appartement zu finden sondern in den großzügigen Spenden seines Vaters an die Universität und den Pensionsfonds der Polizei. Die Videos zu verwenden hatte Josef Iwanowitsch seinem Sohn untersagt. Oleg verstand damals nicht, warum sein Vater so viel Geld zum Fenster hinauswarf. Er selbst hätte sich diese Leute durch Erpressung und Gewalt gefügig gemacht und somit nicht nur Geld gespart, sondern noch Geld verdient. Er hatte schon mehrere Filme von hochgestellten Persönlichkeiten der Stadt in seinem Bankschließfach. Somit war der Studienabschluss nur eine Formsache gewesen.
Als Oleg aus dem Ausland zurückkam, betraute ihn sein Vater mit der Aufgabe, eine Route für den Menschenschmuggel aufzubauen. Oleg gelang es wider Erwarten sehr gut, diesen Geschäftszweig aufzubauen. Doch Oleg war gierig, hatte seine Lehren aus dem USA-Abenteuer nicht gezogen und kein Geld in seine Kontakte investiert. Oleg versuchte die Kosten so gering als möglich zu halten und gegebenenfalls mit Erpressung die Organisation zu führen. Die Loyalität seiner Männer zu ihm war vergleichsweise gering. Das führte zu manch gefährlicher Situation mit Grenzbeamten, Polizisten und sogar seinem eigenen Personal. In einigen Fällen musste letztendlich sein Vater mit aller Härte und unglaublicher Brutalität eingreifen. Und Oleg musste sich von seinem Vater wieder belehren lassen. Zur Strafe brannte Josef Iwanowitsch die Stadtwohnung seines Sohnes ab, wobei Oleg großflächige Brandwunden davontrug, die ihn sein Leben lang entstellten.
Bevor er nun begann seinem Bruder unter die Arme zu greifen, bekamen Grenzoffiziere, örtliche Polizeichefs und Politiker unverhoffte Prämien von Oleg. Nun endlich versuchte er seinem Vater zu zeigen, dass er gelernt hatte und hoffte, dass es noch nicht zu spät war, um seinem Vater einmal nachzufolgen. Oleg sicherte seine Route ab, auf der er junge Mädchen aus Russland und Asien für die europäischen Bordelle genauso schleuste, wie Familien und politische Flüchtlinge. Für ein paar tausend Dollar pro Kopf wurden diese Menschen wie Tiere über Lettland oder Kaliningrad mit der Fähre nach Schweden gebracht. Von dort ging es mit Lastwägen, dem Zug oder wieder per Schiff nach Deutschland, Polen oder Holland. Das größte Problem für Olegs Organisation lag darin, die Spuren jener Flüchtlinge, die nicht für die Zwangsarbeit im Bordell oder anderen Betrieben geeignet waren, so zu verwischen, dass sie den Ermittlern keine Hinweise über die Einzelheiten der Flucht geben konnten, die Olegs Organisation schaden konnten.
Als Jurij in die kalten Augen seines Vaters blickte, sah er keine Regung darin. Er hatte von seinem Vater gerade den Auftrag bekommen, seinen Bruder zu töten, wenn dieser wieder Scheiße bauen sollte. Diese bizarre Situation hinterließ bei Jurij tiefe Spuren. Er war in einer gewalttätigen Welt groß geworden. Doch an diesem Tag, als sein Vater vor seinen Augen Alexander erschossen und ihm den Mordauftrag für Oleg gegeben hatte, verlor er den letzten Rest seines Gewissens.
Die Datscha der Jokovs lag rund achtzig Kilometer außerhalb von Moskau und war früher der Herrschaftssitz eines russischen Grafen gewesen. Weitläufige Ländereien, Stallungen und ein eigener Golfplatz sowie mehrere Nebengebäude gehörten zu dem Landsitz. Das Haupthaus verfügte über mehr als vierzig Zimmer und Säle. Das Mobiliar war antik, aber sonst hätte man glauben können in einem Technologieforschungslabor zu stehen. Alarm- und Kommunikationssysteme, Verteidigungsanlagen und ein Heer an bewaffneten Männern machten die ehemalige Touristenattraktion zu einer uneinnehmbaren Festung. Jurij hatte das Anwesen für die Jagd, seine Kampfsportausbildung und den Keller für Verhöre genutzt. Für ihn, wie für seinen Vater stand immer die Zweckmäßigkeit der Anlage im Vordergrund. Die Kristallluster, antiken Möbel, Teppiche und der Goldstuck aus der Zeit Katharinas II. sowie die goldverzierten Handläufe waren nur dazu da, um Besucher zu blenden und abzulenken, die zu bestimmten Anlässen auf die Jokov-Datscha kamen. Und während er und sein Vater, Natascha und Oleg zwischen goldverzierten Portraits und silbernen Saucieren ihre Mahlzeiten einnahmen, verbluteten ihre Gegner in der Folterkammer der grauen und kalten Kellerräume. Jurij beendete die Ausbildung an der Militärakademie, als sein Vater feststellte, dass Jurijs Kampfausbildung keine weiteren Fortschritte machte. Den Rang eines Leutnants erhielt er trotzdem. Jurij bekam die Verantwortung für die Clubs in Moskau übertragen, die als Tarnung für Drogengeschäfte, Anlaufstelle für Rekruten und zur Geldwäsche dienten. Auch die Prostituierten kamen zur Einschulung in Jurijs Clubs. Schon bald erkannte man Jurijs Handschrift. Die Clubs wurden immer größer, bunter und greller. Sie waren luxuriös und zogen eine Menge prominentes Publikum an. Doch hinter der glamourösen Fassade wurde in schalldichten Räumen gedealt, Geld gewaschen, geprügelt und getötet.
Jurij traf Oleg in seinem Club am Leninskiy Prospekt um zehn Uhr abends. Wie gewöhnlich war der Club voll und niemand achtete auf die drei Männer, die mit mehreren jungen hübschen Damen in einem Extrazimmer verschwanden. Jurij breitete die Arme aus und drückte seinen Bruder fest an sich. Er freute sich wirklich Oleg zu sehen. Sie setzten sich, ließen sich von den Damen verwöhnen und plauderten ungeniert über ihre Geschäfte. Oleg nippte am Champagner und führte seinen kleinen Bruder in die Geheimnisse der Schlepperei ein. Er genoss es, Jurij belehren zu können, denn er wusste, dass Jurij ihrem Vater näher stand als er. Jurij trank seinen Beluga-Wodka, blickte Oleg konzentriert an und man hatte den Eindruck, dass er wirklich aufmerksam den Belehrungen seines Bruders folgte.
Nach drei Stunden, inzwischen hatte ihm Oleg alles darüber erzählt, wie sein Geschäft funktionierte und wo die Gefahren und Schwierigkeiten waren, leerte Jurij die letzten Tropfen seiner Wodkaflasche in den schweren Tumbler. Er schickte seinen Leibwächter hinaus, um ihm eine neue Flasche zu bringen. Als nächstes wies er die jungen Damen an, sich die Nase zu pudern. Nun war er mit Oleg alleine in seinem Büro. Oleg ließ den Korken der dritten Flasche just in dem Moment knallen, in dem ihn ein stechender Schmerz in der Stirn durchzuckte. Noch ehe er sich darüber wundern konnte, rann ihm bereits sein eigenes Blut über die Nase. Darüber klaffte ein kleines schwarzes Loch in seiner Stirn. Die Champagnerflasche fiel zu Boden, doch der schwere rot-goldene Teppich dämpfte den Aufprall. Jurij blickte Oleg noch immer konzentriert an. Sein Bruder saß zusammengesunken im weichen, schwarzen Lederfauteuil. Josef Iwanowitsch würde über den Tod seines ältesten Sohnes sehr traurig sein. Aber er würde Jurij glauben, dass Oleg einen Fehler zu viel gemacht und damit das ganze Unternehmen gefährdet hatte. Nur wegen Natascha machte sich Jurij Sorgen. Ihre Mutter würde sich nicht so einfach damit zufrieden geben, dass Oleg durch einen Unbekannten ausgerechnet in Jurijs Club getötet wurde. Jurij wollte seiner Mutter diese Geschichte erzählen. Natascha war zu sensibel um die Wahrheit zu verstehen. Josef Iwanowitsch würde offiziell Rache schwören einen Täter finden. Wahrscheinlich die Makarov-Brüder. Die Makarov-Brüder gehörten zu einer Organisation, die Josef Iwanowitsch das Nuttengeschäft im Norden abnehmen wollte und Oleg schon mehrfach Probleme gemacht hatte. Jurij stand auf, verließ das Extrazimmer und befahl dem Leibwächter das Zimmer zu reinigen. Als er auf der Straße stand, zündete er sich eine Zigarette an, sog den Rauch tief in seine