Blutgefährtin 1. Thomas M Hoffmann

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Blutgefährtin 1 - Thomas M Hoffmann

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ruhigen Stimme, die aber wie eine verdeckte Drohung klingt. Seine Gegenüber scheinen nicht zu wissen, was sie sagen sollen, offensichtlich sind sie sich nicht sicher, überlegen zu sein.

      In diesem Augenblick raschelt etwas in dem Gebüsch rechts hinter Pierre und die Dinge geschehen rasend schnell. Mathéo taucht auf, mit einem Stück Holz in der Hand, das er gegen Pierre schwingt. Der Schreck rast durch meine Glieder, entsetzt schreie ich auf, um Pierre zu warnen. Unwillkürlich mache ich einen Schritt nach vorne, um Mathéo abzufangen, aber ich reagiere viel zu spät.

      Das Holz saust nieder, doch Pierre steht nicht mehr da, wo Mathéo hingezielt hat. Er ist beiseite gewichen, der Schlag geht ins Leere. Bevor ich auch nur einen weiteren Gedanken fassen kann, hat Pierre Mathéo hochgehoben als sei er eine Puppe und kein massiger Mann. Mit einem kurzen Ruck wirft er ihn zurück in Richtung Gebüsch, wo er mit einem Krachen und Aufstöhnen aufschlägt. Kurze Zeit geschieht nichts, Mathéo bleibt liegen, offensichtlich benommen von der plötzlichen Wendung der Geschehnisse.

      Der Angriff hat Mathéos Kumpel wohl davon überzeugt, eingreifen zu müssen. Fast gleichzeitig lassen sie ihre jeweilige rechte Faust auf Pierre zufliegen. Doch sie treffen Pierre nicht. Mit einer fast lässigen Eleganz fängt Pierre die Schläge mit je einer Hand ab und hält ihre Fäuste umklammert. Das geschieht so schnell, dass ich erst mitbekomme, was los ist, als Pierre die beiden Fäuste bereits gefangen hat. Sie wollen ihre Hände zurückziehen, aber es geht nicht. Pierre lässt einfach nicht los und presst die Finger der beiden Idioten so fest zusammen, dass es weh zu tun scheint. Mathéos Kumpel schauen nur noch vollkommen entgeistert drein.

      «Das war ein schwerer Fehler Jüngelchen. Ich schlage vor, ihr sammelt euren dummen Freund da hinten ein und verzieht euch. Und wenn ihr auch nur noch ein einziges negatives Wort über Mademoiselle Strong redet, dann kommt ich vorbei und bläue euch die Höflichkeit ein, die eure Mama wohl vergessen hat zu erwähnen. Ist das klar?»

      Pierres Stimme ist so ruhig, als würde er einen Wein bestellen. Die beiden sind offensichtlich schwer beeindruckt, denn sie nicken hastig. Pierre stößt sie etwas weg, so dass sie ins Straucheln kommen. Sie fangen sich aber schnell, sammeln Mathéo auf und verziehen sich geradezu fluchtartig.

      Wow!

      Ich habe ja so manches Mal den Jungen bei ihren Kämpfen zugeschaut und ab und zu sind auch mal Fäuste geflogen, aber eine solche Überlegenheit eines einzelnen gegen drei junge Schläger habe ich noch nie gesehen. Pierre hat völlig gelassen und gezielt reagiert, er war an Kraft, Schnelligkeit, eigentlich an allem überlegen. Nicht eine Sekunde gab es einen Zweifel daran, wer bei dieser Konfrontation den Kürzeren ziehen würde. Ich kann nichts anderes tun, als entgeistert auf ihn starren, mein Inneres ein Chaos zwischen Sorgen und Bewunderung. Lächelnd erwidert er meinen Blick, seine grünen Augen scheinen amüsiert zu blitzen.

      «Wenn die dich noch einmal belästigen, sag einfach Bescheid. Ich werde mich dann darum kümmern.»

      Ich weiß wieder einmal nicht, was ich sagen soll. Eigentlich hatte ich Pierre Vorwürfe machen wollen, weil er sich wegen mir auf eine Schlägerei eingelassen hat, aber streng genommen war das keine Schlägerei gewesen. Eher eine Erziehungsmaßnahme. Was soll ich jetzt tun? Sein Erfolg schreit geradezu nach einem deutlichen Zeichen. Also trete ich auf ihn zu, lege ihm eine Hand auf den Arm und sage nur

      «Danke.»

      Während ich in seinen grünen Augen versinke, ist sie wieder da, diese ungeheure Spannung zwischen uns. Fast als hätte uns jemand an eine Batterie angeschlossen, durchfährt mich ein feuriger Strom, mein Puls fängt an zu rasen. Ich bin Pierre noch eine Antwort schuldig auf die Frage, die er mir gestellt hat, bevor uns Mathéo und seine Kumpanen unterbrochen hatten. Und diese Antwort sollte nicht aus Worten bestehen.

      Ich schmiege mich an Pierres Körper so ähnlich, wie ich das gestern bei dem letzten Blues gemacht habe. Meine Arme umfassen seinen Nacken, ich nähere mich vorsichtig seinen Lippen. Wird er mich zurückweisen? Wird er akzeptieren, dass ich diesmal die Initiative ergreife? Ich schließe die Augen und unsere Lippen treffen sich in einem Kuss. Pierre scheint das nicht nur zu begrüßen, er erwidert den Kuss in einer Heftigkeit, die mich überwältigt.

      Seine Lippen sind immer noch so weich, wie ich es gestern empfunden habe. Sein Mund öffnet sich und ich beginne, ihn zu erforschen, ihn zu schmecken, ihn zu riechen. Die Welt verschwindet in einem Sturm aus Gefühlen, die durch meinen Körper rasen. Der Kuss steht dem gestrigen in nichts nach, vielleicht ist er sogar noch intensiver. Mit allen meinen Sinnen gebe ich mich ihm hin, alles andere wird unwichtig. Nach einer Ewigkeit lösen wir uns voneinander und ich blicke in Pierres Augen. Ich kann seinen Ausdruck nicht deuten, aber die Augen scheinen jetzt gelb zu blitzen.

      Langsam setzt mein Denkapparat wieder ein und ich muss unwillkürlich kichern. Pierre schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen fragend an, worauf ich richtig an mich halten muss, um nicht in prustendes Lachen auszubrechen. Eigentlich will ich nicht das kichernde Mädchen sein, aber meine Gefühle fahren mit mir Achterbahn und suchen ein Ventil.

      «Eigentlich müsste jetzt der Klischee Alarm in höchsten Tönen losgehen», bringe ich mühsam heraus. «Strahlender Held rettet Jungfrau aus der Not und wird daraufhin von ihr belohnt.»

      Jetzt muss auch Pierre grinsen.

      «Also ich finde die Rolle des strahlenden Helden ganz annehmbar. Zumal bei der Belohnung.»

      «Mensch Pierre, wie du die drei abgekanzelt hast, so etwas habe ich noch nie gesehen.»

      Pierre zuckt mit den Schultern.

      «Na ja, das waren doch nur dumme Jungs. Ihre Väter haben es nur versäumt, sie ordentlich zu erziehen.»

      Nun ja, diese dummen Jungs sind immerhin älter als ich, aber dazu sage ich lieber nichts. Ich schnappe mir mein Fahrrad und wir setzen unseren Weg fort. Ohne Zögern legt Pierre den Arm um mich und ich erwidere seine Geste, indem ich mich leicht an ihn lehne. Unsere Beziehung entwickelt sich sehr zufriedenstellend, wir sind uns wieder ein Stück näher gekommen.

      Während zwischen uns zuerst noch erwartungsfrohes Schweigen herrscht, kommen mir die verschiedenen Ratschläge von Chloé wieder in den Sinn. Die Suppe löffeln, solange sie heiß ist, würde sie jetzt vermutlich sagen. Manche ihrer Ratschläge sind sogar ganz brauchbar.

      «Pierre, ich weiß fast gar nichts von dir. Erzähl doch mal.»

      «Was willst du wissen?»

      «Wo leben deine Eltern, was hast du noch für Verwandte, wo kommst du her?»

      Ich schiele zu ihm herüber, um zu sehen, ob er bei so vielen persönlichen Fragen sauer reagiert, aber seine Miene lässt nichts erkennen.

      «Meine Eltern leben nicht mehr und ich habe auch sonst keine näheren Verwandte. Natürlich ist die Familie Polignac sehr weitläufig, aber ich pflege keinen Kontakt zu ihr. Ich habe die letzten Jahre in der Nähe von Toulouse gelebt, aber aufgewachsen bin ich in einer sehr ländlichen Gegend im Herzen Frankreichs.»

      «Das heißt, du lebst ganz allein in einem so riesigen Chateau?»

      «Nicht ganz, Charles lebt bei mir und drei Mal die Woche kommt auch Mathilde vorbei, meine Haushaltshilfe.»

      «Charles?»

      «Mein Diener, eigentlich eher mein Butler, denn Charles hat schon immer viel Wert auf seine englische Ausbildung gelegt.»

      «Ein Butler, du hast einen Butler?»

      Pierre

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