GENAU INS GLÜCK - Oder knapp daneben. Bernhard Bohnke
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Die anderen halfen ihm mit Kopfnicken und Blicken, sonst hätte er diese positive Feuertaufe kaum durchgehalten. Jedenfalls war er danach völlig fertig und erleichtert, als sich die Runde endlich für heute auflöste. "Üben Sie zu Hause fleißig!" rief ihm der stimmgewaltige "Mr. Ausgezeichnet" noch nach.
Am nächsten Tag stand Stefan eine halbe Stunde früher auf. Denn inzwischen war sein positives Morgenprogramm schon ganz schön umfangreich geworden. Dabei hatte er sich einen Cocktail zusammengemischt aus all dem, was er bisher gelernt hatte. Zwar widersprachen sich manche Aussagen über das richtige Positive Denken, insofern drohte sein Cocktail ein ungenießbares Gebräu zu werden. Aber Stefan vertraute darauf, dass wenn er von allem ein bisschen hinzutat, ein köstlicher und heilsamer Trank entstehen müsste.
1) Zunächst entwarf er vor seinem inneren Auge ein Idealbild von sich: Ich bin vollkommen glücklich, gesund und vital, rank und schlank, reich und erfolgreich, charmant, beliebt und begehrt, selbstbewusst, selbstsicher, selbstentfaltet und selbstverwirklicht.
2) Dann ging er zum "Kosmos-Melken" über: Ich lasse die kosmische Kraft in mich hinein und durch mich hindurch fließen, bis ich gänzlich von ihr ausgefüllt und erfüllt bin.
3) Nun vollzog er eine Lächel-Übung. Angesichts der schlimmen Erfahrungen, als er sich mit seinem ''Tiger-Lächeln'' lächerlich gemacht hatte, ging er hier äußerst behutsam zu Werke. Nur ein homöopathisch dosiertes Lächeln, da konnten sicher keine Nebenwirkungen auftreten.
4) Jetzt war "think thin", "denk (dich) dünn" angesagt. Aber auch hierbei verfuhr er nach dem Suppenkaspar-Fiasko äußerst vorsichtig. Er stellte sich nicht direkt vor, wie er mehr und mehr abnahm, sondern nur indirekt, wie seine Waage immer weniger anzeigte.
5) Zeit für seine neuesten Errungenschaften, Suggestionen nach Coué: "Es geht mir mit jedem Tag in jeder Beziehung immer besser und besser." Eigentlich sollte er das 20mal wiederholen und dabei die Knoten eines Bindfadens durch die Hand gleiten lassen. Aber er schummelte ein bisschen. Er machte nur 10 Wiederholungen, sagte es dafür aber einmal in Französisch, Coués Muttersprache; das galt bestimmt wie 10: "Tous les jours, à tous points de vue, je vais mieux en mieux."
Zu guter letzt die spezielle Suggestionsformel: "Ich werde mit jedem Tag immer dünner und dünner." Als er den Satz gerade das siebte Mal wiederholte, merkte er, dass er sagte: "Ich werde mit jedem Tag immer dümmer und dümmer." Stefan erschrak. Hoffentlich verwirklichte sich dieser Gedanke nicht. Man musste mit den Suggestionen äußerst vorsichtig umgehen, denn negative erfüllten sich genau so wie positive. Aber wie konnten seine Gedanken
bzw. seine Worte nur so entgleisen? War das Zufall?
- Nein, kein Zufall. Ich hab' das gemacht.
- Wer ich?
- Deine innere Stimme.
- Was immer du sagen wirst, ich halte es für falsch.
- Stefan, hör erst mal zu! Ich muss dich warnen. Du wirst wirklich immer dümmer und dümmer. Glaubst du denn die Mär, du könntest allein durch Positives Denken alle Probleme lösen?
- Ja, allerdings, das glaube ich.
- Und mit welchem Erfolg?
- Wie meinen?
- Ich meine, du hast doch bisher gar keinen Erfolg mit deinen Denkereien.
- Aber nur, weil ich noch nicht lange und intensiv genug positiv gedacht habe. Außerdem sind mir Fehler unterlaufen.
- Stefan, so geht es nicht. Du verdrängst die wahre Ursache deiner Schwierigkeiten. Du lügst dir selbst in die Tasche.
- Ich lüge nie, außer wenn ich lüge. Ich will sagen, außer wenn ich in seltenen Fällen eine Notlüge gebrauche. Aber mich selbst belüge ich nie. Das wäre ja wohl auch dumm, sich selbst zu belügen. Und jetzt entschuldige, ich habe zu tun.
Stefan setzte seine Übung fort, passte jetzt aber genau auf, die richtigen Worte zu nehmen: "Ich werde mit jedem Tag immer dünner und dünner ... " Und vorsichtshalber fügte er noch hinzu: "Ich werde mit jedem Tag immer klüger und klüger." Und dann fügte er noch an: "Ich werde mit jedem Tag für Nicole immer und immer unwiderstehlicher."
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