VERBUCHT!. Topsi Torhaus

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу VERBUCHT! - Topsi Torhaus страница 2

Автор:
Серия:
Издательство:
VERBUCHT! - Topsi Torhaus

Скачать книгу

      An manchen Tagen hätte ich am liebsten, statt meiner drei Seiten Lebenslauf, nur den folgenden Satz an meine potentiellen Arbeitgeber verschickt: »Ich gehe auch gerne jetzt schon in Rente, wenn Sie keinen Menschen mehr über vierzig anzustellen gedenken – das ist kein Problem für mich! Dann habe ich Zeit den »Ironman« auf Hawaii zu gewinnen, um auf dem Rückweg kurz den Mount Everest zu besteigen – selbstverständlich ohne Atemmaske. Danach würde ich, bevor ich nach Hause schwimme, eine Anlaufstelle für ehemalige Taliban in Marjah gründen.«

      Auf dieses »Bewerbungsschreiben« würde ich sicher einige Antworten erhalten, von der CIA oder dem KGB, aber keine adäquate Anstellung. Nein, nicht um mich für den Geheimdienst zu werben. Eher, um meine islamistische Verbindung zu checken, da ich das Wort »Taliban« erwähnte. Alternativ würden wohl auch Sanitäter mit einer netten weißen Jacke vorbeikommen. Diese Jacke wird nicht vorne zugezogen, sondern hinten und ist nicht der neue Trend oder Mode Gag von H&N. Abtransport in die Nervenheilanstalt, bevor ich Unheil anrichten oder gar einen unbefristeten Arbeitsvertrag unterschreiben könnte.

      Aus diesen Gründen habe ich dann doch von einer derartigen Bewerbung Abstand genommen, zumindest bisher. Leider weiß ich noch nicht, zu welchen Taten ich in Kürze bereit bin. Trotzdem überlege ich ernsthaft, dass eine derartige Vermarktung als Werbestrategie vielleicht doch eine Überlegung wert sein könnte, sollte das bevorstehende Gespräch wieder nicht den gewünschten Ausgang haben.

      Man soll sich ja in eine sogenannte USP bringen – »unique selling preposition«. Mit dieser Bewerbung, die mir da gerade eingefallen ist, wäre das geschafft, sofern der Personalchef oder die Personalchefin einen Funken Humor hat. Zugegebenermaßen ist das bei Buchhaltern eher unwahrscheinlich. Denn leider ist die Eigenschaft Humor weder in der Finanzbranche, geschweige denn in Buchhaltungskreisen salonfähig. Gelacht wird, wenn überhaupt im Keller, alternativ in der Toilette, wo es keiner sieht. Vorher wird allerdings die Gretchenfrage gestellt: »Sollen wir lachen oder haben wir schon gelacht?« Das nennt man dann einen Buchungssatz. »Soll an Haben« ... oder habe ich tatsächlich falsche Informationen in all den Jahren als Buchhalterin als richtig interpretiert?

      Meinen früheren Kreditkunden bei der Sparbank, habe ich ihren nie enden wollenden, nach jeder Umschuldung wieder auftretenden Soll-Saldo auf dem laufenden Konto folgendermaßen erklärt: »Das ›S‹ am Ende der Zahl heißt ›Soll‹ – und bedeutet eigentlich ›Haben‹ – denn eigentlich sollten Sie ›Guthaben‹ haben, haben aber einen ›Soll‹-Saldo.« Das war damals, als die Arbeit noch sinnvoll war und annähernd Spaß machte. Leider haben die wenigsten Kunden das verstanden. Heute wundere ich mich nicht mehr darüber, denn wenn sie es verstanden hätten, wäre ihr Saldo im Haben und nicht im Soll gewesen. Alles klar? Wenn nicht, ist das auch kein Weltuntergang. Aber all das war einmal.

      Ich schüttele die angenehmen Gedanken der Vergangenheit ab und konzentriere mich auf das bevorstehende Gespräch mit Herrn Dr. Dahlmanns. Herr Dr. Dahlmanns nennt sich Finanzvorstand der »Scrooge Digital Download Sàrl«. Ein Unternehmen, welches zu einem der größten Elektrohandelskonzerne weltweit gehört: Scrooge. Zwar kümmert sich diese Tochter »Scrooge Digital Download Sàrl« lediglich um die wenigen Downloadgeschäfte des Konzerns und beschäftigt dementsprechend nur eine Handvoll Leute. Diese »Handvoll« bezieht sich auf die Hand eines Arbeiters im Sägewerk nach einem Unfall – denn wir sind insgesamt nur vier Mitarbeiter inklusive des Finanzvorstandes.

      »Super, wenn das klappen würde«, dachte ich nach dem langen, leider auch langatmigen Telefonat mit meinem eventuellen neuen Arbeitgeber. Die Arbeit wäre zwar so überhaupt nicht das, was ich nach der Finanzwelt zu machen gedachte – nämlich einer sinnstiftenden und nicht nur an kapitalistischen Werten ausgerichtete Arbeit - aber zumindest würde ich in einer supermodernen, hypertechnischen Umgebung arbeiten dürfen. Vorausgesetzt, »Mann« entscheidet sich für mich.

      Ich sollte in der besagten Firma in der Buchhaltung arbeiten, als einzige Mitarbeiterin und damit auch allein verantwortliche Person. Hatte ich nicht schon lange genug in dem Haifischbecken der Finanzwelt gelitten? Nein, der liebe Gott hat zurzeit keine gütige Phase. Ich hatte schon diverse Kommunikationsversuche mit ihm gestartet, die leider irgendwie einseitig geblieben sind. »Lieber Gott, leider kann ich auch nichts dafür, dass Vorstände der Subprimekrisenbank weder Ahnung noch Einsicht hatten, vielleicht auch nie haben werden. Mich trifft hier keine Schuld – außer, dass meine einzigen jemals erworbenen Aktien von dieser Bank stammten.

      Hierfür habe ich aber schon eine Wertberichtigung in voller Höhe bilden müssen – in einfachen Worten: Geld ist weg – hat wohl ein anderer, der schlauer war als ich. (Abschreibungen auf Finanzanlagen an Aktienbestand oder so, kann auch umgekehrt sein – so genau nehme ich das nicht.) Habe Erbarmen mit mir, schicke mich nicht wieder in die Hölle der Buchhaltung zurück.«

      Die »Buchhaltung«, auch vornehm ausgedrückt als das »Bilanz- und Rechnungswesen« ... Alleine das Wort fast lautlos in meinem Kopf vor mich hin gesprochen bewirkt, dass ich unverzüglich eine LKW-Ladung Prozac1 benötige. Mein Großhirn bekommt innerhalb einer Nanosekunde vermeldet: »Augen und Ohren an Großhirn: Laaaaangeweile ... Großhirn an Mund und Muskeln: Gähnen, Tiefschlaf vorbereiten«. Auch würde ein mir angehängtes EEG unverzüglich alptraumartige Flashbacks bei Nennung dieses Wortes in meinem Hirn verzeichnen.

      Da ich aber von meinem früheren Chef des Öfteren zu hören bekam: »Das Leben ist kein Wunschkonzert«, verlange ich auch keinen spektakulären Auftritt der Weather Girls wie einst vor der Finanzkrise zu irgendeiner Party der Subprimekrisenbank. Nee, Udo Jürgens tut es vorübergehend dann auch – aber bitte dann nur mit Sahne.

      Die Sahne oder die Sahnehäubchen werden hier aber die neuesten technischen Geräte sein, die der Handelskonzern täglich massenhaft an den Mann und die Frau bringt. Nun, ich zwinge mich, das Ganze positiver zu sehen. Ein erster Vorteil des Gelingens dieses Bewerbungsgespräches wäre, dass ich ein wenig Alltagstrott nach dem nicht endenden Bewerbungsmarathon gut gebrauchen könnte. Auch würde ja meine Freistellungsphase im Dezember auslaufen und mir dann die Arbeitslosigkeit drohen. Außerdem wäre ein supertolles Büro mein neuer Arbeitsplatz - mit dem allerneuesten technischen Schnickschnack ein kleines Trostpflaster dafür, dass ich wieder in der Buchhaltung landen würde.

      Dabei hatte ich mir vor zwei Jahren geschworen, als ich die Subprimekrisenbank verlassen musste, nie wieder irgendwelche Buchungen durchzuführen oder gar eine Mehrwertsteuererklärung ausfüllen zu müssen.

      Es kommt eben im Leben manchmal anders, als man denkt. Oft wird man über einige Umwege, die sich anfühlen wie ein reiner Irrgarten, zum Ziel geleitet. Vielleicht sind diese Umwege so lang, dass man in der Zwischenzeit verstorben ist, was unter Umständen auch von Vorteil sein kann.

      Mein Gefühl ist, dass die letzte Variante mein Schicksal sein wird. »Vor dem eigentlichen Ziel ist Topsi Torhaus leider mit Abgabe der Mehrwertsteuererklärung verstorben.«

      Aber dann würde ich immerhin mit technischen Neuheiten in der Buchhaltung arbeiten und sterben.

      Ich beame mich zurück in die Gegenwart und konzentriere mich auf den Verkehr. Ich fahre entsprechend den Anweisungen des Navigationsgerätes.

      Eigentlich kenne ich mich ja im Großherzogtum Luxemburg einigermaßen aus, aber in diesem Ort, der Moderdange heißt, bin ich noch nie gewesen. Der Uhrzeiger bewegt sich schon auf fünf Uhr am Nachmittag und im Dezember heißt das, es graut und auch mir graut es. Zum Glück ist kein Schnee in Sicht, auch wenn der Himmel irgendwie danach aussieht.

      »Wenn Sie aus der Stadt kommen, ist vor dem Einkaufszentrum Cactus das Office Center, das Full Service Office Center, kennen Sie ja bestimmt?«, instruierte mich der liebe Herr Dr. Dahlmanns am Telefon.

      Meine Stimmbänder wollten

Скачать книгу