Unbewältigte Vergangenheit. Henry Kahesch
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„Das ist ein außergewöhnlicher Fall, da hilft nicht bloß die übliche Polizeistrategie, die Routineerfahrung. Nein, da müssen wir mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln arbeiten. Ich mache am Besten schon die zwei Fallanalytiker, oder wie es bei uns heute so Neudeutsch heißt, „Profiler“, des Hauses mal heiß“, beschäftigte er sich, ein Stück weit frustriert, mit dem Thema wieder weiter.
Von Heller hörte er dann, aber eher beiläufig, dass das Blockhaus wieder leer sei. Die drei Männer seien ausgeflogen. Festgestellt hätten sie das aber erst, als sie aus dem Wäldchen zurück waren. Gedankenversunken drückte er den Knopf. Das fehlte heute noch, wo er so gerne mit Ruth Ofenloch ausgegangen wäre. Vorausgesetzt, sie wollte es auch. Umgehend rief er Degoth an, der sich ja anbot, stets in vollem Einsatz zu sein. Er interpretierte: Stets bereit für alles! Doch dann dachte er: Zumindest als Info sollte er es wissen. Der jedoch meldete sich nicht. Der ruf ging permanent ins Leere. Vermutlich hatte er sein Handy vorsorglich ausgeschaltet. Verdenken konnte er es ihm nicht! Gerade war er selbst in der gefühlsbetonten Situation. Konnte es gut begreifen. Zudem wusste er ja schließlich, dass Michel Degoth mit seiner Frau Chantal in Ralswiek noch einiges besichtigen und nett essen wollte. Im Grunde tat er also das, was er mit Frau Ofenloch noch vor hatte. Sein Handy schrillte erneut. Diesmal war es Frau Ofenloch.
„Hallo Frau Ofenloch. Bin gleich bei ihnen“, sagte er, bevor sie zu Wort kommen konnte.
In wenigen Minuten stand er vor der Praxis von Frau Dr. Irmgard Nutzfeld, der Frauenärztin. Er kannte sie flüchtig aus dem Golfclub. Aber aus Zeitgründen hatte er sich schon viele Wochen nicht mehr dort sehen lassen. Ob sie verheiratet ist, konnte er nicht sagen. Aber in dem Augenblick war ihm das wirklich egal. Für ihn war Ruth, wie er sie heimlich nannte, die Auserwählte. Nun, wo er ja frei war, seine Frau eigene Wege ging! So in Gedanken versunken, sah er durch den rechten Außenspiegel Ruth Ofenloch an den Wagen kommen. Sie stieg zu ihm ins Auto. Die Autotür gerade geschlossen, berichtete sie wie erlöst, was sonst eher nicht ihre Art war, dass die Untersuchung und der Befund einwandfrei seien. Deshalb hatte sie also allen Grund so beschwingt und gut gelaunt zu sein. Sagte er sich. Auch er freute sich mit ihr. Jetzt vermeldete er, nicht ohne sie dabei hoffnungsfroh anzuschauen, dass ihr Auto wieder funktioniere. Sie war begeistert. Schaute ihn strahlend an. Nach der Rechnung fragte sie, vor freudiger Erregung, nicht. Aber das hatte ja Scholtysek eh für sie erledigt.
Wie ein jung verliebtes Paar suchten sich ihre Hände, die sich schließlich fanden. Beide empfanden also gleich! Jetzt wusste er es. Es war ein gemütlicher Spaziergang, der sorgenfrei über die Feldwege an dem kleinen Wald vorbei, wieder zurück zu seinem Wagen führte. Das abschließende Gourmet essen war die Krönung für den heutigen Tag. Und Ruth Ofenloch ging durch den Sinn: Dabei wollte ich vorhin noch, aus lauter Höflichkeit, die Einladung ablehnen. Gott sei Dank, sagte sie sich nun, habe ich es schnell verworfen. An dessen Stelle sagte sie: „Gerne Herr Scholtysek.“
Jetzt war sie es, die die Gelegenheit ergriff und ihm einen zärtlichen Kuss gab. Innerlich strahlte er, mehr, als es äußerlich den Anschein hatte. Im siebten Himmel wägte er sich. Es war später Abend als er wieder zurück zum Parkplatz des Präsidiums fuhr. Bevor sie aus dem großen alten BMW stieg, war sie es wieder, die die Initiative ergriff. Diesmal küsste sie ihn zärtlich auf seinen Mund. Eine leichte Verlegenheit überströmte sie. Wie stets, wenn sie mit ihrem Chef zusammen war. Das legte sich selbst nach mehr als dreizehn Jahren nicht. Jetzt kam ihre beider Gefühlswelt ins strudeln! Scholtysek hätte sie allzu gerne innig geküsst, eng und zärtlich in seinen Arme geschlossen. Dann aber ließ er es, wenn auch schweren Herzens, bei dem Geschehenen. Der gemütliche Resttag, so nannte er es für sich, endete noch nicht im Bett.
„Obwohl, das wäre....“
Aber er sprach es nicht aus. Und er war insgeheim froh, dass er sie nicht darum bat, sie gar überrumpelte. Gerade beim ersten Date. Das wäre sicher etwas zu ambitioniert gewesen. Ganz Kavalier wie er war und besonders gerne für Ruth, begleitete er sie bis vor ihre Haustür. Dort wartete er bis ihr Haustürschlüssel sich im Schloss drehte und die Tür hinter ihr zufiel. Im Schatten des Flurlichtes sah er bloß noch die Umrisse ihrer tadellosen Figur. Dann erst startete er den Wagen und fuhr beschwingt und erregt von dannen. Auf halber Strecke Richtung des Nachhauseweges entschloss er sich schließlich, mal wieder, doch noch kurz im Büro vorbei zu schauen. Er konnte es einfach nicht lassen.
Donnerstag, 31. Juli 2008
Michel, der kein Frühaufsteher war, wachte gegen sieben Uhr auf. Und befand, dass es für die Ferienzeit einfach viel zu früh sei. Aber er war ja selbst schuld, suggerierte er sich gleich. Gestern, als er mit dem Kriminaloberrat in Raslwiek war, hätte er den Mund nicht so voll nehmen sollen. Warum schlug er nicht gleich elf Uhr vor? Gut, nun war es zu spät. Eine Korrektur im Nachhinein, wäre ihm peinlich gewesen. Um zehn Uhr musste er also in Bergen eintreffen. Doch bei aller Zuverlässigkeit wollte er das gemeinsame Frühstück mit seiner Frau in keinem Falle versäumen. Gerade war er auf dem Sprung ins Bad. Da schlug sie die Augen auf. Wie stets, bereits ein Lächeln auf den Lippen. Schnell schürzte er seine Lippen, um ihren einen zärtlichen Kuss auf ihren hübschen Mund zu drücken. Dann verschwand er im Badezimmer.
Sie befanden sich gerade auf halber Strecke, trauten ihren Augen nicht, als sie den Kellner sahen. Der Mann, der ihnen vorgestern im Restaurant der Seebrücke Sellins bereits unangenehm auffiel und den sie später noch eine Weile beobachteten. Eine Zigarette rauchend, stand er unbekümmert am Ufer und hielt sich mit der linken Hand am Geländer fest. Geradezu gelangweilt, so als würde er auf jemanden warten, schaute er drein.
„Wie heißt der nochmals?“, fragte Chantal in die Stille des Morgens.
„Noll heißt er. KHK Heller gab es gestern noch telefonisch durch. Zu der Zeit, als er die Ermittlungen mit seiner Mannschaft im Jasmunder Nationalpark aufnahm.“
Das war alles, was beide zu vermelden hatten. Still dachten sie, jeder für sich, über die aktuelle Situation nach. Ob es reiner Zufall war oder zu einem System der Verbrecher gehörte, beschäftigte sie. In jedem Falle, so machte sich Degoth die Gedanken, bleibt es ein Verwirrspiel. Hin und her wog er ab. Doch schließlich kam er zu dem Ergebnis, dass es Unsinn sei. Anders bei Chantal. Die glaubte ernsthaft, dass hier etwas nicht sauber sei und artikulierte jetzt ihre Überlegungen. Doch Michel gab zu bedenken, dass der Kerl doch schließlich weder ihren Namen kennen, noch wissen konnte in welchem Hotel sie wohnten. Und er fügte hörbar hinzu: „Also ...., das finde ich zu weit hergeholt. Eher unwahrscheinlich!“
Seine Frau gab sich damit allerdings nicht zufrieden. Nach wie vor war sie fest davon überzeugt, obwohl es nicht konkret an etwas festmachen zu machen war, dass da krumme Geschäfte liefen. „Warum sonst wartet Noll auf einen Komplizen?“
„Möglich, na klar..., ist alles“, so Degoth. Und ergänzte: „Trotzdem dürfen wir uns nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Weder die Polizei noch ich wissen im Grunde Definitives. Das sähe doch anders aus. Nachweisen, dass der Noll oder sein Sparringspartner damit etwas zu tun haben, können wir rein gar nicht. Das ist zunächst mal Fakt, Funde hin oder her! Ganz zu schweigen von dem Mord, von dem Scholtysek die Tage berichtete. Alles bloß reine Vermutungen, mehr nicht! Es kann alles Zufall gewesen sein.“
Weiter vertiefen wollten sie es im Moment nicht. Es war einfach zu vage. So gingen sie zum Kai, wo die frühmorgendliche Sonne ihnen entgegen lachte. Ihre Stimmung hellte sich wieder auf. Ihrem gemütlichen Frühstück inklusive Sonnenplatz, stand nichts mehr im Weg. Der Blick über die Bucht,
hinaus auf das Meer war ungetrübt. Trotzdem war Degoth mit seinen Gedanken nicht an diesem Ort. Nein, er war bereits bei den Ermittlungen. So war er nun mal. Kaum Lunte gerochen, spurte er! Nun malte er sich aus, wie er den Fall, gemeinsam mit der Polizei