Unbewältigte Vergangenheit. Henry Kahesch
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„Ja, bitte, wenn es zur Sache passt!“
„Als ich in der Frühe in Stralsund mit meiner Frau an den Kai ging, um das Frühstück einzunehmen, sahen wir den Noll dort stehen“, begann Degoth. „Er wartete auf irgend jemanden. Kurze Zeit danach, wir standen gerade auf, wollten zurück zum Wagen, entdeckten wir, dass er Besuch bekam. Ein Mann, den wir nicht kannten, kam mit ihm ins Gespräch. Sie amüsierten sich ziemlich. Dann ging der Kerl zu einem Mercedes der E – Klasse. Ein relativ altes Modell. Dort nahm er, halten sie sich fest, ein Paket mit weißem Papier aus dem Kofferraum. Wir waren sprachlos. Ich fasste mich schnell und nahm meine Kamera zur Hand um schnell einige Fotos als Beweis zu schießen.“ Er erzählte nicht, vielleicht aus Stolz, dass er in Wirklichkeit irritiert war.
„Hier, meine Herren, zeige ich ihnen die Ergebnisse.“
Er nahm die Kamera und zeigte im Display die Fotos in der Reihenfolge, wie er sie schoss! Erstaunte, aber auch bewunderte Blicke trafen ihn. Dann rief Christmann: „Verdammt, dass ist ja der Gustavson! Der ist bekannt als Strohmann und war schon in einigen Fällen verwickelt. Dem ist in der Tat eine Menge zuzutrauen.“ Und Heller zeigte sich entrüstet, dass er anlässlich der Fahndung, vorgestern in Granitz, nur hörte, der sei unbeleckt!
„Also das ist ja ein dickes Ding. Auf was können wir uns da noch verlassen? Da haben die Bürohengste doch geschlafen!“
„Nun...“, so flott kam es aus dem Mund von Scholtysek: „sofort beschatten. Über den Burschen können wir vielleicht doch einen Schritt weiter kommen. Danke Degoth, dass sie so aufmerksam waren. Schade für die Panne in Granitz, aber auch damit müssen wir immer wieder mal leben. Dem Innendienst werde ich die Leviten lesen, aber kräftig. Darauf können sie sich verlassen Frau Kirsten, meine Herren.“
Der Bericht aus Ralswiek stand jetzt an. Scholtysek und Degoth legten dar, wie Ergebnisse aufgrund der Gespräche mit dem Theaterdirektor Dissieux und den Ahnen Störtebekers aussehen.
„Also der Direktor verhielt sich durchaus kooperativ, aber gleichzeitig machte er sich verdächtig. Ständig behielt er uns im Auge. Wurde gar nervös. Unsere Auffassung: Der ist unsicher, hat etwas zu verbergen. In dem Fall spielt der aus unserem ersten Eindruck bereits ne` Rolle. Nun zu dem Herrmann, der sich als Nachfahre von Klaus Störtebekers ausgab und dem Herbert Störtebeker der ebenfalls ein Nachfahre sein soll. Die trafen wir, während unserer Begehung des Geländes. Da haben wir so unsere Zweifel! Insbesondere der Herrmann verhielt sich dubios. Den müssen wir unbedingt erneut in Augenschein nehmen. Also meine Herren, da kommt in der Tat eine Menge Arbeit auf uns zu. Und anfangs dachte ich noch, das wird ein Spaziergang.“ Er wandte sich zu Christmann.
„Nun, was sagt uns die Rechtsmedizin. Gibt es konkrete Hilfen oder dauert es noch?“ Süffisant klang er, obwohl er es gar nicht wollte. Dabei runzelte er seine Stirn und wartete gespannt auf Christmanns Bericht. Der schaute verdutzt zu seinem Chef. Dann erzählte er, dass das gefundene Skelett, zumindest nach den ersten Untersuchungen sei dies deutlich ersichtlich, so der Rechtsmediziner, Schläge aufweist. Richtige Löcher seien zu erkennen. Trotzdem herrscht noch Unklarheit, was als Todesursache in Frage komme. Bei der gefunden Leiche wiederum haben sie Hämatome analysiert. Der Mann muss gewaltige Prügel erhalten haben, sagten sie. Nach Lage der bisherigen Obduktion, sei dies allerdings nicht alleine Ursache des gewaltigen Todes gewesen. Verdächtiger seien allerdings Flecken über den Körper zerstreut. Über die Todeszeitpunkte bleibt per heute, dass der Mann, so die erste Einschätzung, vermutlich vor drei Tagen ermordet worden war. Das Skelett bedarf vor der Nennung eines ungefähren Todeszeitpunktes zunächst weitergehender Untersuchungen. Es könnte aber auch weiter zurück liegen. Gab er zu bedenken. Die Herren der Rechtsmedizin werden es akribisch noch eingehender unter die Lupe nehmen. Erst dann, das erhoffen sie sich selbst, könne es umfangreiche Hinweise auf Todesart und möglichen Todeszeitpunkt geben. Der Leiter der Rechtsmedizin, Dr. Matthias Müller, berichtete mir danach über modernste Forensikmethoden, die er erstmals einsetzen wird. Er denkt z.B. über eine virtuelle Autopsie und den Einsatz neuester Gerätegenerationen nach. Unter anderem eines Computertopografen. Das könnte helfen, näher an den oder die Täter heranzukommen. Zumindest aber für die Profiler weitere Anhaltspunkte bieten. An dieser Stelle bedankte er sich für die hervorragende Arbeit der Spurensicherung. Dabei schaute er Carsten Meyer an, der mit einem verlegenen Gesicht in die Runde guckte. Er erzählte weiter, dass voraussichtlich erst am Montag den 02. August, die kompletten Berichte einzusehen seien. „Dr. Müller meldet sich bei Ihnen Chef. Soweit für heute Kollegen.“
Scholtysek hatte keine Bedenken. Er wusste, dass sein Kollege aus der Rechtsmedizin Wort halten würde. Seit Jahren kannte er ihn als einen verlässlicher Partner an seiner Seite. „Der schafft das“, betonte er schließlich nochmals, „wenn es auch diesmal keine Lappalie zu sei scheint und es uns, eigentlich wie meistens, auf den Nägeln brennt.“
Einen Atemzug später, die momentane Stille nutzend, wollte der Kriminaloberrat erneut das Wort ergreifen. Aber Degoth kam ihm flugs zuvor.
„Wenn wir das ganze Thema geografisch einordnen, haben wir eine Achse von Stralsund nach Sellin über Wissow hinüber nach Ralswiek. Wie sehen sie das Kollegen?“ Dabei schaute er erwartungsvoll in die Runde und erhoffte sich Zustimmung.
„Eben Degoth, das ist der wesentliche Ansatz. Sie haben recht! Nur das Warum an unterschiedlicher Stelle ist noch unklar. Und nicht zuletzt bleibt die Frage, welche Motive und Ursachen führten zu Morden oder besser, noch immer zu den Morden? Das Seltsame, kein Mensch wurde bislang als vermisst gemeldet. Irgendwie schon suspekt“, ergänzte Scholtysek. Und an Christmann gewandt fügte er hinzu: „Jetzt heißt es zu warten bis Mordzeitpunkt und Todesursache geklärt sind. Die vor Tagen gefundene Leiche ist aus dem Nichts aufgetaucht und das muss Gründe haben. Es geht jetzt nicht nur um ein Skelett, sondern um mindestens ein weiteres aus Stralsund und womöglich viele aus dem Erdloch im Nationalpark. Wir müssen die Berichte abwarten. Erst die, zumindest meine Auffassung, könnten uns weiterhelfen.“
„Genau das ist der Punkt“, sagte Degoth. „Und wenn ich recht verstehe, will die Forensik exakt das ausloten.“
Degoth, der die positive Seite wieder beleuchten wollte, stellte damit lapidar fest: „Immerhin hören sich doch die ersten Ansätze gut an oder? Lassen sie uns parallel weiter ermitteln, dann haben wir ab Montag ein rundes Bild.“
Gemeinsam fassten sie das Besprochene zusammen und legten die Marschroute fest. Der Chefermittler tippte alles in sein Tablet. Gleichzeitig las er, für alle hörbar, diese Zeilen vor. Mit seiner sonoren Stimme legte er los: „Zum Mitschreiben, auch für Sie meine Dame, meine Herren.“
Inzwischen saß die Polizeipsychologin Rita Kirsten am Tisch. Als Fallanalytikerin sollte sie die Kollegen der Kripo bei diesem besonders schwierigen Fall ständig unterstützen. Und da sie Psychologin ist, war ihr gerade diese Rolle wie auf den Laib geschnitten. Schon die Tage hatte der KOR alle Profiler, die dem Kommissariat direkt unterstehen, auf diese Ermittlungssache eingestimmt. Das geschah nicht ohne Grund! Für ihn war es der Test, geeignete Mitarbeiter aus der Stabsstelle “Fallanalytik“ zu rekrutieren. Schließlich stand in etwa einem Jahr die Pension des Stabsleiter Dr. Martin Felsen zur Debatte. Deshalb benötigte er wieder eine hochqualifizierte und engagierte Nachfolge. Rita hatte sich die Tage besonders profiliert eingebracht. Das sah und hörte der Kriminaloberrat mit großem Interesse. Sie sollte ihre Chance bekommen, sagte er sich. Die Gedanken die er sich gerade machte, tippte er auch in sein Tablet. Dann wurden ohne Umschweife die Aufgaben verteilt. „Erstens: Der Gustavson muss sofort beschattet werden. Wer übernimmt?“ „Ich Chef“, rief Christmann. „Zweitens: Zumindest der Herrmann muss in Ralswiek näher beleuchtet werden. Wer übernimmt ihn?“ „Kann ich machen“, so Degoth, „oder spricht etwas dagegen?“„Aber nein! Wir freuen uns. Dann machen sie mal. Schließlich wissen sie ja wie er aussieht“, meinte Scholtysek in dem Nachsatz. „Jetzt bleiben noch der Friedrichs und