Unbewältigte Vergangenheit. Henry Kahesch

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Unbewältigte Vergangenheit - Henry Kahesch

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sicher der geeignetste Weg. Doch langsam kommt es mir vor als gäbe es auf Rügen einen Flächenbrand. Was heißt da noch Insel der Glückseligen? Meinen sie nicht auch, dass es hier um eine Verschwörung geht?“

      „Soweit dachte ich noch nicht, aber jetzt, wo wir drüber reden, geht mir ein Licht auf; da könnte etwas dran sein!“

      „Schnellmerker, wie!“, sagte Degoth lächelnd.

      „Besser als nie“, konstatierte Scholtysek. Der es locker nahm. Sie lachten sich gegenseitig an. Während sie observierten rekapitulierten sie erneut.

      „Durchleuchten wir es mal so: Da der Raimund, der ursprünglich unbekannte Landstreicher, der eine zwielichtige Rolle einnimmt. Dort die Herren Friedrich und Noll, die mit einem Skelett, wenn auch noch nicht nachweisbar, zu tun haben könnten. Auf der anderen Seite der Herrmann in Ralswiek mit seinen seltsamen Äußerungen. Dann taucht der Gustavson plötzlich in Stralsund auf und erscheint nun hier oben.“ „Und“, folgerte Degoth, „nicht zu vergessen, auch am Holzhaus war. „Dann schließlich noch der Helfer von Friedrichs am Wissower Ufer. Ich meine den mit dem Lebensmittelkorb. So berichtete ja Heller zumindest. Der muss doch ebenso darin verstrickt sein.“ Scholtysek stimmte Degoth, immer nachdenklicher werdend, zu. Auch er sah einen gewissen Zusammenhang. Er konnte es nicht mehr leugnen.

      „Richtig, den Friedrichs müssen wir auch überwachen“, sagte er wie aus der Pistole geschossen. Degoth schaute ihn darauf hin ziemlich verdutzt an. Dann philosophierten sie weiter. Sie stellten fest, dass der kein Unwissender sein konnte, mit den Verbrechen was zu tun haben musste? Dabei trat nochmals in den Mittelpunkt, dass die bislang bekannten Männer Gemeinsames verbinden musste. Diesmal ließen sie es nicht mehr außer Acht! Die jeweils drei Schnitte am rechten Oberarm, bei jedem drauf, was hat es bloß zu bedeuten? Das fragten sie sich auch in diesen Minuten wieder.

      „Nun“, so Scholtysek, „richtig Degoth, wenn der Helfer bei Friedrichs diese Schnitte auf dem rechten Arm auch hat, dann ist es eindeutig, dass es sich um eine Verschwörung handeln muss. Dann müssen wir alle dingfest machen und durchleuchten, um jeden Preis! Zimperlich dürfen wir da nicht mehr sein. Wäre fatal. Sonst könnten weitere Morde die Folge sein.“

      Und vor allem, die Frage bleibt doch, wie viele Morde haben die überhaupt schon auf dem Kerbholz? Über welchen Zeitraum erstreckt sich dies bereits und so weiter? Fragen über Fragen Herr Scholtysek: Der Fall wird immer umfangreicher, noch umfassender als ich mir anfangs vorstellen konnte.“

      „Da stimme ich ihnen zu. Habe auch schon gegrübelt, ob ich nicht deshalb den Kollegen aus Stralsund einschalten sollte. Schließlich strahlt es ja bis dahin aus!“

      „In der Tat, sie sollten es! Sehe ich mittlerweile ebenso.“

      Der kurze Dialog war beendet, als sich das Mobiltelefon meldete. Heller war am Apparat. „Wir haben den Helfer von Friedrichs verhört. Richtig auseinander genommen. Ergebnis, was denken sie? Genau, er weiß mehr, bekam es wohl mit der Angst zu tun. Es kommt noch verrückter, er hat, wie die anderen Kerle, am rechten Arm die drei Zeichen!“

      „Ist ja unfassbar“, so Scholtysek. „Da werd` ich ja verrückt. Oder wie sagen wir Berliner: „Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt!“

      „Ja und die anderen Burschen, der Friedrichs und der Noll, was ist mit denen?“

      „Laut dem Helfer, der übrigens, wie sich schnell raus stellte, Frederiksen heißt, würden die unterwegs sein und nicht vor morgen in der Frühe zurück. Meine Einschätzung: der scheint so eine Art Handlanger von dem Friedrichs zu sein. Einen besonders cleveren Eindruck macht er wirklich nicht. So ein Depp schien dem willkommen zu sein! Also vor morgen kommen wir hier nicht weiter. Natürlich Chef, habe ich den Kerl verdonnert die Kollegen ja nicht zu warnen. Er stimmte ängstlich zu. Aber hält er sich daran, das ist hier die Frage. Die Spurensicherung hat alles bereits unter die Lupe genommen. Für alle Fälle! Zunächst im Haus und dann am Ufer. Auch von dem Frederiksen wurden Fingerabdrücke genommen. Da hat die Forensik auch was zu tun! Und wie läuft es bei ihnen in Ralswiek?“, lenkte er geschickt über.

      „Wir sind dabei den Herrmann und den Gustavson Fallen zu stellen. Ob es funktioniert bleibt offen. Aber das wollen wir heute noch erledigen. Also Heller, grüßen sie die Kollegen und fahren sie nach Bergen zurück. Wir sehen uns morgen gegen neun Uhr im Büro. Dann erörtern wir weiter und legen

      den Ermittlungsplan für den Tag fest. Machen sie sich bitte Gedanken. Schadet nichts, wenn mehrere Vorschläge diskutiert werden können.“ Gab sich der KOR generös. Was sonst eher nicht sein Fall war. Er sah es gerne, wenn die Kollegen, Mitarbeiter, auf seine Gedanken einstiegen. Was war heute bloß in ihn gefahren, sinnierte Heller.

      „Danke Chef und bis morgen“, wollte er gerade das Telefonat beenden, als ihm einfiel, was Scholtysek zuvor in einem Nebensatz erwähnte. „Aber halt. Verdammt! Was sagten sie: Der Gustavson ist in Ralswiek?“

      „Ja, sie haben richtig verstanden! Warum plötzlich so unruhig Heller? Ist was?“,erstaunte er sich. „Ganz einfach. Der Kerl war doch noch vor etwa zwei Stunden am Holzhaus. Einen Korb mit Lebensmittel hatte er in der Hand. Zunächst fummelte er an dem Schloss herum. Dann haben wir ihn gestellt. Nachweisen konnten wir ihm allerdings nichts. Wir waren kurz im Haus, haben uns einen Eindruck verschafft, dass war es.“

      „Und, war er....“, griff der KOR ein.

      Heller schien seine Frage zu ahnen und unterbrach ihn. „Ja, er war alleine, richtig. Als wir uns näher umsahen, unseren Ermittlungen folgten, war er plötzlich weg. So ein Mist! Wir waren zu oberflächlich.“

      „Das können sie laut sagen. Warum haben sie mich nicht sofort angerufen? Oder wenigstens Christmann?“, gab sich Scholtysek nun erbost. „Tja, eben alles verpennt! Oh, Entschuldigung, ich meine fehl eingeschätzt!“, räusperte sich Heller verlegen.

      „Nun, es ist wie es ist. Ab jetzt dürfen solche Dinge aber nicht mehr durchgehen, klar?“

      Scholtysek fasste nun mit Degoth den Plan, jeden der Kerle anzurufen. Die Telefonnummer des Restaurants ließen sie sich von einem Kellner unter einem Vorwand besorgen. Sie verabredeten, dass Degoth den Gustavson und Scholtysek den Herrmann beschatten sollte. Dafür riefen sie nacheinander, in Abständen von fünf Minuten, auf der Telefonnummer des Restaurants an. Der Chefermittler tat es für Degoth und dieser für ihn. Zu diesem Anlass suchte sich Degoth auf Anraten des Kriminaloberrats einen Decknamen.

      „Guten Tag, mein Name ist Graffion. Bin ich richtig verbunden? Ich meine mit dem Restaurant

      Schloss Ralswiek?“

      „Ja Herr...., wie war ihr Name bitte?“

      „Graffion!“

      „Nun Herr Graffion, was kann ich für sie tun?“

      „Ich würde gerne mit einem Herrn Gustavson sprechen. Wie ich von einem seiner Kollegen hörte sei er derzeit hier anzutreffen.“

      „Keine Ahnung, aber einen Moment bitte, ich höre selbstverständlich gerne nach.“

      Der Kellner schaute am Tresen entlang und fragte nach dem besagten Gustavson. Der meldete sich und kam, wenn auch ziemlich irritiert, ans Telefon.

      „Gustavson hier. Wer spricht?“

      „Hallo Herr Gustavson, das ist ja nett, dass ich sie erreiche. Einer ihrer Freunde verwies mich am Vormittag an sie.“

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