Der Ponyferrari. Roger Aeschbacher

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Der Ponyferrari - Roger Aeschbacher

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Arme verschränkt, hatte zur dummen Maria geblickt und diese mit dem giftigsten Blick erstochen, der je aus Milenas blitzenden Mahagoni-Augen gekommen war.

      „Wo bist du so lange geblieben?“, fragte Milena Sigi und errötete sofort stark. Sie war einfach neugierig und wollte wissen, warum er sie hatte warten lassen. Aber kaum, dass sie diese Frage gestellt hatte, merkte sie natürlich sofort, dass sie sich verraten hatte. Jetzt würde Sigi aus ihrer Neugier unweigerlich folgern, dass sie extra auf ihn gewartet hatte. Natürlich hatte sie das getan. Aber sie wollte nicht, dass er das wusste, obwohl sie sich doch schon beinahe verraten hatte.

      „Ooch, nichts Wichtiges“, beantwortete Sigi die Frage nach dem Grund seiner Verspätung. Er schaute Milena dabei nicht in die Augen. Auch ihm war ein wenig unwohl, denn Milena hatte sicherlich gesehen, dass der große Sigi wie ein Blitz um die Ecke gekommen war. Offensichtlich musste sie gemerkt haben, dass er versucht hatte, sie noch einzuholen. Ja, klar. Sigi hätte dafür gemordet, um mit Milena gemeinsam nach Hause fahren zu können. Na ja, nicht wirklich gemordet! Aber er hätte viel dafür gegeben, um mit Milena zusammen sein zu können. Aber das durfte seine kleine Wunschfreundin natürlich niemals merken.

      „Wollen wir fahren?“, fragte Sigi um der peinlichen Situation auszuweichen. Wieder blickte er Milena dabei nicht an. Wenn er mit ihr zusammen war, schaute er sie nur selten an und meist, wenn sie es nicht merkte. Besonders liebte er es, wenn Milena die große Locke von ihrer Stirn wegpustete. Das Mädchen mit dem Rossschwanz blickte dabei jeweils schielend nach oben, spitzte die Lippen und nahm die Locke ins Visier. Dann schob sie den Unterkiefer nach vorne und blies kräftig unter die Strähne, so dass diese von links nach rechts flog, oder von rechts nach links. Milena tat das übrigens nicht, um die vorwitzige Locke von ihren Augen wegzubekommen. Sie ließ ihre Locke nur dann tanzen, wenn sie besonders verärgert war, etwa weil sie viel Pech gehabt hatte. Oder wenn sie besonders glücklich war. Glück und Pech, die liegen manchmal ja so nahe beieinander.

      „Ich wäre sowieso grad losgefahren“, neckte Milena Sigi und schwang sich auf den Sattel. Bevor sie aber ins Pedal trat, sah sie nochmals ihren heimlichen Schatz an. Das Warten hatte sich für sie gelohnt. Sie hatte besonders lange getrödelt und als Belohnung konnte sie jetzt mit ihrem Freund nach Hause fahren. Milena schob ihren Unterkiefer nach vorne, schielte zu ihrer Haartolle hinauf und blies mit mächtigem Stoß die Strähne bis ans Ende der Welt.

      III

      Milena war mit kräftigem Antritt die Straße entlang der Bahnlinie vorausgefahren. Für eine 12-Jährige war sie ziemlich flott unterwegs. Sigi beeilte sich, mit ihr mitzuhalten. Nach etwa 80 Metern bog die Straße in rechtem Winkel von der Bahnlinie ab. Nach weiteren 100 Metern kam eine Straßenunterführung, die hinunter Richtung eines Außenquartiers der Vorstadt führte. Dort, in einer Trabantenstadt mit billigen Häusern aus Beton, wohnten die zwei. Von weitem konnten die Kinder die Häuser dieser Siedlung bereits erkennen. Sie sahen aus wie kleine quaderförmige Bauklötze. In der Mitte ragten zwei Hochhäuser hinaus.

      Sigi lebte in dieser Siedlung in einem der Mehrfamilienhäuser, die in identischer Bauweise rings um die beiden Hochhäuser angeordnet waren. Dort bewohnte er mit seiner halben Verwandtschaft eine knapp bemessene Vierzimmer-Wohnung. Sigis Familie war aus Kroatien eingewandert und so kam eine ganz ansehnliche Menge an Leuten zusammen - Vater, Mutter, und zwei Onkel. Geschwister hatte Sigi keine.

      Milena hingegen wohnte mit ihrer Mutter - einer allein stehenden Schweizerin - in einer Zweizimmer-Wohnung. Diese lag im obersten Stockwerk des größeren der beiden Hochhäuser. Das hatte 15 Stockwerke und war das größte Gebäude dieser Siedlung in der Nähe von Basel.

      Im Gegensatz zu der grauen Vorstadt, wo die beiden Schüler unterrichtet wurden, ist Basel natürlich gut bekannt. Basel liegt am Rhein, welcher von den Alpen herunter kommt und in Basel Richtung Nordsee abbiegt. Über den Rhein spannen in Basel insgesamt fünf Brücken. Im Sommer steigen immer wieder mutige Schwimmer auf die Brüstung der mehr als Tausend Jahre alten Mittleren Brücke. Von dort springen sie jauchzend in das Nass darunter und lassen hohe glitzernde Wasserfontänen aufschießen.

      Eine solche Abkühlung hätten die beiden Schüler jetzt auch gerne genossen, denn ihr Heinweg war weit und sie kamen in der Mittagssonne, die den Asphalt auf der Straße beinahe zum Kochen brachte, gehörig ins Schwitzen. Zum Glück war der Heimweg zurück leichter als der Weg zur Schule, denn nun führte die Straße mehrheitlich abwärts.

      Als die beiden Kinder unter einer Straßenunterführung hindurchfuhren, machten sie wie so oft ein kleines Rennen. Sigi ließ seiner kleinen Freundin dabei immer einen Vorsprung. Die Straße ging nach der Unterführung nicht wieder nach oben, sondern führte noch weiter hinunter in Richtung der Vorstadtsiedlung, wo sie beide wohnten. Milena würde zwar den Schwung der Abfahrt nutzen und mit hohem Tempo am Schwimmbad ihrer Vorstadt vorbeirasen, das rechts von ihrer Strecke in einer weiten Mulde lag. Sigi hätte sie bis zum Ziel am Ende des Schwimmbades sicherlich eingeholt. Sigi holte Milena nämlich immer ein. Manchmal ging es dabei aber nur um Zentimeter!

      Auch heute legte Sigi die großen Gänge seines Rennrades ein und jagte Milena hinterher. Die war oben bereits gestartet und hatte auch kraftvoll in den höchsten Gang ihres Mädchenfahrrads getreten. Weil die Abfahrt so steil war und das Rad schon enorm viel Schuss hatte, konnte sie bald gar nicht mehr in die leerlaufenden Pedale treten. Also nahm Milena ihre Füsse von den Pedalen und ließ dem Rad seinen Lauf. Es stellte also kein echtes Problem für den sportlichen Sigi dar, mit seinem Renner den Vorsprung von Milena wettzumachen. Mit seiner großen Übersetzung konnte Sigi auch bei hoher Geschwindigkeit weitertreten und dem Rennrad noch mehr Schub geben.

      Milena hörte ihren sportlichen Gegner hinter sich in die Pedale treten. ‚Sipp Sipp Sipp’ tönte es hinter ihr. Dann sah sie ihren heimlichen Freund wie einen Blitz an ihr vorbeischießen. Von hinten sah sie nur noch seinen Hintern, weil sich Sigi tief über seinen nach unten geschwungenen Lenker bückte.

      „Peng!“, zerriss ein Knall die Luft und es schien, als würde Sigi aus dem Sattel geworfen. Zugleich ging ein Furcht erregendes Rattern los und der Renner tanzte unter dem Hintern des Jungen hin und her. „Ai, Ai, Aiiiii!“, schrie Sigi und riss an den Bremsbügeln. Die Bremsbacken kreischten auf und das Rad schlingerte wie ein Schiff in Seenot. Nur mit Mühe und einem letzten Gerumpel kam der Junge zu stehen. Die krausen Haare, die ihm bei diesem wilden Ritt in alle Himmelsrichtungen geworfen worden waren, fielen ihm wieder wellig über die Augen zurück. Aber jetzt waren sie noch zerzauster als zuvor.

      Milena stoppte sofort neben Sigi. Bleich, mit aufgerissenen Augen und offenem Mund, blickte sie ihren Schulkameraden an.

      Der sprang vom Sattel und kniete zum Hinterrad. Er hielt das Rad an der Mittelstange fest und betrachtete den Schaden. Sigi selbst war nicht bleich im Gesicht, denn Sigi hatte nie Angst.

      „Der Pneu ist geplatzt!“, meinte Sigi fachmännisch. Er stand wieder auf und strich sich die Haare aus der Stirn. Dann wurde er doch ein wenig bleich im Gesicht und seine Knie zitterten tatsächlich. Endlich war auch ihm der Schreck in die Glieder gefahren, denn er hatte zu seiner Begleiterin geschaut. Die hatte beide Hände vor den Mund geschlagen und betrachtete ihn mit starr aufgerissenen Augen. Beide dachten jetzt dasselbe: „Das hätte böse ausgehen können.“

      Der schlaksige Junge atmete tief durch. Milena tat es ihm nach. Dann lachte sie sogar ein wenig, weil sie wieder an das Gesäss von Sigi denken musste. Das war wild über dem Sattel auf- und ab- und hin- und hergehüpft, als das Fahrrad seinen irren Tanz aufgeführt hatte. Wie Sigi verzweifelt versucht hatte, das Gleichgewicht zu halten um nicht abgeworfen zu werden, das war schon eine beeindruckende Leistung. Manchmal ist es eben doch von Vorteil, ein klein wenig sportlicher als andere zu sein.

      Schließlich untersuchte Sigi den Plattfuß genauer. Er drehte das Rad und prompt entdeckte er einen rostigen Nagel, der tief im Reifen steckte. Verärgert riss er den Nagel

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