Kuckucksspucke. Gloria Fröhlich

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Kuckucksspucke - Gloria Fröhlich

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Sprache der Autorin betrifft.

      Eine faszinierende Lektüre, in der viele ihre eigenen Erfahrungen widergespiegelt sehen.

      Prof. Dr. Annamaria Rucktäschel

      Universitätsprofessorin em. für Kommunikationswissenschaft

      Gloria Fröhlich

      KUCKUCKSSPUCKE

      Der große Obst- und Gemüsegarten von Frau Mu grenzte an den riesigen Gemüsegarten, der zu dem gewaltigen Backsteinhaus nebenan gehörte.

      Line wohnte erst seit kurzem in dem Haus von Frau Mu und hatte erfahren, dass das Nachbarhaus ein Altersheim, aber für viele Menschen aus der Umgebung das Armenhaus oder schlichtweg das Verrücktenheim war.

      Das lang gestreckte Gebäude hatte auffällig viele Fenster, ganz anders als die umliegenden Häuser und tanzte nicht nur deshalb aus der Reihe.

      Es waren auch seine Bewohner.

      Eine merkwürdige Mischung alter Menschen, sowie geistig verwirrter Sonderlinge jeden Alters, die Line magisch anzogen und in ihr ein rätselhaftes Unbehagen auslösten, bis hin zur neugierig kribbelnden Furcht.

      Dort wohnte auch Ome.

      Ein halbwüchsiger Junge mit geringem Wortschatz, kleinkindhaftem Verhalten und so gar keiner Aussicht, dass sich daran jemals etwas ändern würde.

      Auf seinen Ellenbogen und Knien wucherte ein bleicher Ausschlag, der in Line eine Mischung aus Ekel und Appetit wachrief, weil er sie einerseits an Krankheit und andererseits an Zuckerstreusel auf duftenden Kuchenplatten erinnerte.

      Line verhielt sich jedes Mal abwartend neugierig, wenn Ome sie beim Spielen entdeckte und zappelnd, erregt ihre Gesellschaft suchte.

      Dann saßen sie manchmal dicht nebeneinander auf den verwitterten Brettern der schmalen Holzbrücke, die von einem Ufer zum anderen über das breite Fleet vor dem Verrücktenheim führte.

      Line nahm jedes Mal mit versteckter Neugier wahr, dass der Ausschlag auf Omes Knien unaufhaltsam weiter gekrochen war. Vielleicht ein Grund dafür, weil er ständig daran herum pulte, aber nie erkennen ließ, ob seine Hautkrankheit juckte oder wehtat.

      Und während er die kleinen Stücke, die sich unter seine Fingernägel gesetzt hatten, ins Fleet schnippte, hörte Line ihm belustigt zu, und beide ließen ihre Beine baumeln.

      Ome war viel älter und deshalb auch erheblich größer als Line, die noch nicht einmal in die Schule ging. Deshalb waren seine Beine auch länger, und seine großen Füße in den abgetragenen, braunen Lederstiefeln berührten beinahe das Wasser unter ihnen, während ihre noch nicht einmal in dessen Nähe und die der kleinen Wellen kamen, die sich bei leichtem Wind kräuselten.

      Ome redete ununterbrochen und immer mit viel schaumiger Spucke in den Mundwinkeln. Und nach einer Weile wurde der Aufenthalt auf der Brücke wieder der Auftakt für eine immer gleiche Abfolge eines dramatischen Vorganges für Ome und eine inzwischen zur Gewohnheit gewordene und immer wieder faszinierende Absonderlichkeit für Line.

      Omes Kinn begann dann zu zittern, seine flatternden Augen verrieten Panik, er sprang gehetzt auf, und unter seinem Gewicht begann die Brücke zu schwanken.

      Auch Line war aufgestanden, jedoch wesentlich langsamer und hatte Ome dabei nicht aus den Augen gelassen.

      Es war mal wieder „soweit“, wusste sie.

      Ome geriet innerhalb weniger Sekunden in eine Welt, zu der Line keinen Zutritt hatte.

      Die schwankende Brücke wurde für ihn zu einem Schiff, das zunehmend in Seenot geriet.

      Mit vor Angst geweiteten Augen, und aus voller Kehle schrie er: „Ässoäss, Ässoäss!“

      Und nun brachte er die Brücke durch die Kraft seiner Beine heftig zum Auf- und Niederschwingen, während er mit den Händen das Brückengeländer, das aus zwei überlangen, aneinander genagelten dicken Ästen bestand, fest umklammerte, um nicht „über Bord zu gehen“. In dem breiten Schilfgürtel am Ufer des Fleetes und auch auf seinem schwankenden Schiff witterte er große Gefahren, und er zitterte bald am ganzen Körper aus Angst vor einem Überfall der Piraten.

      Die eigentliche Attacke fand dann Sekunden später statt.

      Mit fuchtelnden Armen vor seinem Gesicht und lautem, Nicht, Nein, Nicht, Neiiiin wehrte Ome etwas ab, das Line auch diesmal nicht zu Gesicht bekam.

      Nach dem Überfall, dem Ome jedes Mal kreidebleich und in der Hocke kauernd entkam, wich die Angst langsam aus seinem Gesicht, das Zittern erstarb, und er wirkte erlöst.

      Auch diesmal beobachtete Line ihn wieder aufmerksam.

      Er wandte ihr den Rücken zu und klagte mit weinerlicher Stimme: „Alles kaputt, alle tot gemacht.“

      Seine Bewegungen wurden langsam.

      Er bückte sich und nahm nacheinander einige lose Bretter von der Brücke, an denen krumme, rostige Nagelstummel an einen einst ordentlichen Zustand erinnerten. Er besah die Hölzer von allen Seiten und legte eins nach dem anderen wieder zurück in die Lücken, wo von ihnen nun auch weiterhin eine nicht zu unterschätzende Gefahr ausging, wenn man an der falschen Stelle auf sie trat. Vorher beklopfte er die Kanten noch kräftig mit der flachen Hand wie beim letzten Mal, während er dieses Mal jedoch markerschütternd aufschrie, als das Brett an seiner Hand zu kleben schien und eine Menge hellrotes Blut auf die grauen Bretter der Brücke tropfte.

      Ome wurde weiß wie die bauschigen Wolken hoch oben am Himmel über dem Fleet.

      Das Brett löste sich von seiner zitternden Hand, streifte nur wenig die Brücke und fiel ins Wasser. Er starrte einen Augenaufschlag lang entsetzt auf die Wunde, die ein rostiger Nagelstummel in seinen Handballen gerissen hatte und dann auf das, was unaufhaltsam hellrot und warm aus ihm heraus floss.

      Dann verdrehte er die Augen hinter halb geschlossenen Lidern, schrumpfte auf seinen kraftlos nachgebenden Beinen auf halbe Größe, trat an falscher Stelle auf eines der losen Bretter und verlor das Gleichgewicht.

      Und dann stürzte er rücklings und völlig kampflos ins Fleet.

      Die glatte Wasseroberfläche hatte sich zu einem dunklen Schlund geöffnet und Ome verschlungen.

      Line stand da und schaute mit fragendem Blick auf die schaumig gurgelnde Unordnung.

      Dann war es still.

      Im Wasser spiegelten sich langsam wieder der Schilfgürtel, die Lindenbäume und die dicken, weißen Wolken über Lines Gesicht, das im Wasser etwas verwackelte, und in das sie zunächst von der Brücke aus lächelte und dann leise und besorgt bettelte:

      „Ome, siehst du mich, komm doch wieder hoch, komm doch!“

      Der schwarz gekleidete Pastor mit großem Hut auf dem ebenso schwarzen Fahrrad, der Line allein auf der Holzbrücke sah und das ohnehin gefährlich fand, und erst recht, wie weit sie sich über das Astgeländer beugte, stoppte seine Fahrt und rief: „Line, komm von der Brücke, wenn du ins Wasser fällst, merkt es niemand und du ertrinkst!“

      „So wie Ome“, rief Line

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