Serva II. Arik Steen
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Das junge Mädchen aus der ersten Siedlung, die sie eingenommen hatten, war gut zehn Meter hinter ihm gestanden. Sie hatte dort mit dem Pferd des Feldmarschalls gewartet. Ihre wohl einzige sinnvolle Bezugsperson. Immer wieder streichelte sie das Fell des Tieres. Ein Pferd, das dem wohl schlechtesten Mann gehörte, den sie kannte. Sie gehorchte und ging zu ihrem Herrn und Meister: «Mein Herr?»
«Seht Ihr, wie brav sie ist?», grinste Mixtli in Richtung Chantico. Dann wand er sich an Jara: «Bring mir mein Pferd!»
Sie ging stumm wieder zurück zu dem schönen weißen Hengst.
«Was soll das mit der Kleinen?», fragte Chantico: «Warum nehmen wir dieses Kind mit?»
«Weil sie mir gehört, Feldherr!»
«Ach ja? Sie gehört dem König!»
«Oh ...», grinste der Feldmarschall: «Ich denke nicht, dass Euer Bruder etwas dagegen hat, wenn ich sie mir zu Willen mache. Sie ist mir eine wertvolle Hilfe!»
«Sie ist lästig wie ein Insekt!», sagte Chantico: «Und sie stört nur!»
«Sie ist so süß. Ihr habt auch noch keine Kinder, oder?»
Der Feldherr schüttelte den Kopf: «Nein. Und wenn ich Kinder hätte, ich würde sie nie in Eure Nähe lassen!»
«Ach ja, ich vergaß. Ihr seid ja ein warmer Bruder. Im Bauch eines Schwulen wächst kein neues Leben ...»
«Fahrt zur Hölle!», meinte Chantico und ging dann zu seinem Pferd.
2
Gunnarsheim,
königliche Burg
Es war kein schöner Morgen in der nordischen Hauptstadt der Ragni. Dunkle Wolken zogen über das Land und in Bodennähe hatte sich dichter Nebel gebildet. Einzig und allein der weiße, reflektierende Schnee sorgte dafür, dass es nicht ganz so düster wirkte.
Hedda schaute hinaus in den Hof. Alle ihre Schlittenhunde waren dort nun untergebracht. Sie nickte zufrieden: «Ich danke Euch, meine Königin!» Sie war froh, dass die Herrscherin ihr angeboten hatte die Hunde hier im Hof zurückzulassen.
«Ihnen wird es hier an nichts fehlen!», meinte Varuna: «Mein Sohn wird sich um sie kümmern!»
Hedda nickte. Sie blickte auf den Jungen. Er war in etwa so alt, wie ihr Bruder bei seinem Tod gewesen war.
«Wie geht es nun weiter?»
«Das Schiff wird gerade vorbereitet. Wir segeln in Kürze los!»
«Ich war noch nie auf dem Meer, meine Königin!»
Varuna nickte: «Du wirst sehen. Es wird dir gefallen!»
«Wie lange werden wir unterwegs sein?»
«Zwei Tage, wenn der Wind günstig ist. Dann sind wir bei den Noaten.»
«Bei den Noaten?»
«Ein schreckliches Volk!», murmelte die Königin: «Man nennt sie auch die Barbaren der Meere. Aber mit Schiffen können sie umgehen. Das muss man ihnen lassen!»
«Aber was wollt Ihr dort?»
«Nun!», sagte die Königin: «Mit unseren Schiffen kommen wir nicht weit. Niemals so weit in den Süden. Also hoffe ich doch, dass die Noaten uns unterstützen!»
«Und wenn nicht?»
«Liebes. Du stellst zu viele Fragen!», die Königin schmunzelte. Allerdings wusste sie, dass die Frage berechtigt war. Auch die Noaten mussten den Göttern ein Opfer bringen. Und sie hoffte, dass sie sich gemeinsam auf die Reise machen konnten: «Und nun geh hinunter. Verabschiede dich von deinen Hunden!»
«Werde ich sie wiedersehen?», fragte Hedda ehrlich. Noch immer verstand sie nicht, wohin es ging und was ihr Auftrag war.
«Natürlich!», meinte die Königin. Aber im Grunde wusste sie es nicht. Nicht einmal annähernd. Ihr war nicht einmal klar, ob Hedda dies alles überleben würde. Die Götter verlangten ein Opfer. Eine Jungfrau aus dem Volk. Was mit ihr geschehen würde, das wusste keiner. Nicht einmal die Priester, wenn Varuna es richtig verstanden hatte.
«Nun gut!», nickte Hedda und ging dann vom Fenster weg: «Dann schaue ich mal nach meinen Hunden!»
Es hatte in der Nacht frisch geschneit. Es würde der letzte Schnee dieses Jahres werden. Hier im südlichsten Teil des nordischen Landes Ragnas schmolz der Schnee für einige wenige Monate. Eine große blühende Landschaft entstand deshalb nicht. Aber zumindest ermöglichte der kommende Sommer ein wenig neues Leben. Doch Hedda würde nicht da sein. Sie würde dieses Phänomen nicht erleben. Stattdessen würde sie weiter in den Süden fahren und Länder kennenlernen, die nicht einmal Schnee kannten. Länder, in denen es Hell und Dunkel gab. Tag und Nacht.
Sie stapfte durch den frischen Schnee.
«Hallo Hedda!», grüßte der Prinz freundlich: «Sie sind toll, deine Hunde!»
Sie strich ihm über den Kopf. Es fiel ihr gar nicht so leicht mit ihm zu reden. Zu sehr erinnerte er sie an ihren Bruder: «Du wirst auf sie aufpassen?»
«Ja!», er nickte: «Ich schwöre es bei den sieben Göttern und dem Allvater Regnator!»
«Gut!», sagte sie und zeigte auf eine Hündin: «Sie ist ein wenig zickig!»
Er grinste: «Ich weiß!»
Ihr war es wichtig, dass es ihren Hunden gut ging. Vielleicht würde sie mit ihnen irgendwann einmal zurück nach Tornheim reisen und die Siedlung wiederaufbauen. Gab es Überlebende? Sie musste die Gedanken verdrängen.
Sie umarmte den Prinzen freundlich und ging dann zurück zur Burg.
«Hedda!», hörte sie eine Stimme.
«Ja?»
Ein Mann mit weißem, wallenden Haupthaar ging auf sie zu: «Lass dich anschauen!»
«Wer seid Ihr?»
«Ich bin einer der Priester der Ragni!», sagte er.
«Tut mir leid. Das wusste ich nicht!», erwiderte sie und senkte den Blick.
«Ist schon gut!», murmelte er: «Du bist also die Auserwählte. Du bist das Götteropfer. Die jungfräuliche Serva!»
Sie nickte stumm. So richtig verstand sie immer nicht, was ihre Aufgabe war und sie erwartete.
«Du bist wunderschön. Die Königin hat recht!»
«Danke, ... Priester!», erwiderte sie.
«Es wird eine lange Reise. Mögen die Götter dich beschützen!», sagte er: «Mögen sie uns beschützen. Denn ich werde euch begleiten. Gemeinsam mit der Königin und dem Kommandeur unserer Streitkräfte!»
«Ich