Das zweite Gleis. Helmut Lauschke

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Das zweite Gleis - Helmut Lauschke

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der über dem menschlichen Denkvermögen steht, die Denkakte auseinandertreten lässt und in Bewegung setzt.

      Der Geist öffnet sich nach allen Seiten, also auch nach dem Anderssein. Er ist an jeder Stelle vielgestaltig und damit dialektisch.

      In ihm ruht die Welt der ewigen Formen, der Urbilder von allem, was Sein hat und Sein bedeutet.

      Alles ist unerschöpflich, weil der denkende Geist nicht stillsteht. Es liegt an ihm, dass das Eine in ewiger Bewegung, das Leben zeitlos und das Licht für das Licht durchsichtig ist.

      Einige Gleisschwellen zurück

      Der Pastor hebt bei der Predigt einige Male die Hände und zeigt zur Holzdecke der alten Missionskirche. Er zielt auf den Himmel, wohin der große Sohn, dem die Dornenkrone aufgedrückt worden war, sich hilfesuchend an den großen Vater wandte, weil er es am Kreuz nicht mehr ertragen konnte.

      Der Vater ließ den Sohn sterben, dass er ihn vom Tode auferweckte. Der Gottessohn in Menschengestalt, den die Liebe des Vaters unsterblich machte.

      Eine Geschichte, die vom Ausmaß bis heute mit dem Verstand nicht zu fassen ist. Etwas anderes ist, was die Menschheit aus der Geschichte machte. Sie zerbrach in Stücke und blieb verkümmert, weil sich der Mensch andere Dinge eingebildet hatte. Er hat sich in seinem Gedankennetz verfangen, aus dem er sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien kann.

      Deshalb spricht er vom Schicksal, weil er vom Glauben nicht mehr sprechen will. Spontan steigt die Frage auf, ob Menschen diesen Vater bitten, seine unbegreifliche Liebe auch jenen zukommen zu lassen, die den furchtbaren Tod durch Gewalt und Minen sterben.

      Das tun die jungen Frauen mit ihren kleinen Kindern, die den Mann und Vater verloren haben und ihn nun vermissen, wenn sie ans Brot denken. Alte Menschen bangen um ihre Söhne und Töchter, von denen das Lebenszeichen seit langem fehlt, oder die der Wind in der Wüste bereits zugedeckt und im Sand verschichtet hat.

      Vom Gleisende und der Parabel des Lichts

      O ungeheurer Mut! Kommst du so lächelnd und frei vom großen Stolz der Welt! [Kleopatra zu Antonius]

      Unser Leben war die Überwindung des Bösen. [Wilhelm Thews am 8. Februar 1943 als Mitglied des Widerstands im Alter von 32 Jahren hingerichtret]

       Lehre das Wort dann, wenn du es selber lebst!

      Aus den Abschiedsbriefen*, die kurz vor dem gewaltsam erlittenen Tod geschrieben wurden. Die Vermächtnisse kommen von Männern und Frauen, die die deutsche Katastrophe vorausgesehen undsich gegen das unmenschliche System aufgelehnt hatten und dafür oft in noch jungen Jahren hingerichtet wurden. Sie alle gaben ihr Leben für ein besseres Deutschland.

       * Gollwitzer/Kuhn/Schneider: “Du hast mich heimgesucht bei Nacht – Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933-1945”. Gütersloher Taschenbücher/Siebenstern 9, 1985 _____________________________________________________________________________________________

      Paul Schneider (29. August 1897 – 18. Juli 1939 – Der Prediger von Buchenwald). Aus dem Brief vom 7. November 1937 an seine Frau Margarete: “Die Bekennende Kirche, die es wahrhaft ist, ist der Baum mit den Knospen; [Verweis auf den Kastanienbaum mit den kahlen schwarzen Zweigen und den braunen kleinen Knospen] die heimlichen Gemeinden in den Gemeinden sind die Knospen der Kirche. Da, wo man bereit ist, auf Pfarrstellen zu gehen, die keine >Pfarrstellen< mehr sind, die auch ohne gesicherte >staatsfreie Position< bestehen, weil eine solche >Position< kein Glaubensposten mehr wäre, da, wo alle kirchenpolitischen Erwägungen und Überlegungen aufhören, da sieht schon jetzt das geistige Auge die kommende Kirche und ihren Frühling.

      Die Welt freilich und der ungeistliche Kirchenmann sehen den kahlen Baum seiner Kulturbedeutung, seiner Öffentlichkeitsbedeutung beraubt und urteilen, dass es bald aus mit ihm sei und er nur noch zu Brennholz tauge, wenn ihm die Anerkennung der Welt und des Staates versagt bleibt. Sie retten sich in das Schlinggewächs der falschen Kirche und Staatsreligion, das sich an dem in Wahrheit gerichtsreifen Baum dieser gottlosen, selbstherrlichen und selbstsicheren Welt üppig emporrankt, um dann mit dem Baum dieser vergehenden Welt zu stürzen und verbrannt zu werden. Nur in dem Glauben, der die unverwüstliche Kraft ihres Lebens und Knospens ist, ist wahre Freiheit und Freude.”

      Der Mithäftling, Notar Alfred Leikam, schrieb im Rückblick: “Die größte Anfechtung im Lager war für mich, dem alle Vorstellung übersteigenden Unrecht, das die dortigen Menschen getroffen hat, wort-und tatenlos gegenüberzustehen bzw. zwangsläufig mitzumachen, um dadurch selbst an diesen Menschen schuldig zu werden. Es gibt meines Wissens in Deutschland nur einen Menschen, der dieser Schuld nicht teilhaftig wurde. Das ist Pfarrer Paul Schneider, der sich in Wort und Tat auch gegen das Unrecht im Lager wandte und deswegen zu Tode gemartert wurde.”

      Bernhard Lichtenberg (3. Dezember 1875 – 5. November 1943 – Domprobst von St. Hedwig zu Berlin): Zur Kanzelvermeldung in allen Kirchen der Diözese (Oktober 1941): “In Berliner Häusern wird ein Hetzblatt gegen die Juden verbreitet. Darin wird behauptet, dass jeder Deutsche, der aus angeblicher falscher Sentimentalität die Juden irgendwie unterstützt, und sei es auch nur durch ein freundliches Entgegenkommen, Verrat an seinem Volke übt. Lasst euch durch diese unchristliche Gesinnung nicht beirren, sondern handelt nach dem strengen Gebot Jesu Christi: >Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst<.”

      Aus dem Brief vom 27. September 1943 an die Ehrwürdige Schwester Oberin: “Gefangenenbuch-Nr.717/Strafgefängnis Tegel in Berlin. […] Es ist mein fester Entschluss, die Exerzitienvorsätze mit Gottes Hilfe zur Ausführung zu bringen, die ich vor Ihm nach den dreißigtägigen Exerzitien gefasst habe, nämlich: ich will alles, was mir widerfährt, Freudiges und Schmerzliches, Erhebendes und Niederdrückendes, im Lichte der Ewigkeit ansehen, ich will meine Seele besitzen in meiner Geduld, in keinem Worte und in keinem Werk sündigen und alles aus Liebe tun und alles aus Liebe leiden.“

      Ewald von Kleist-Schmenzin (22. März 1889 – 15. April 1945), Herr des Gutes Schmenzin in Pommern. In einer Audienz bei Hindenburg [1847-1934] warnte er den greisen Reichspräsidenten. Dieser gab ihm recht, stimmte aber 6 Wochen später der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler zu. Darauf zog sich v. Kleist mit den Worten: ‘Es gibt keine Hoffnung mehr auf Abwendung der Katastrophe’ aus der Politik zurück. In seinem Landkreis beschaffte er Zufluchtsstätten für die Verfolgten. Am 30. Juni 1934 entging er den Feinden durch Flucht aus Pommern. Am Tag nach dem Attentat auf Hitler wurde das Herrenhaus Schmenzin umstellt und von Kleist von der Gestapo verhaftet, die ihn erst nach Stettin und dann nach Berlin brachte.

      Aus dem Brief vom 6. Oktober 1944 an seine Frau Alice: “Die Stimmung hat oft geschwankt zwischen Hoffnung und trübsten Erwartungen, meistens nicht bestimmt durch verstandesmäßige Überlegungen, oft durch ziemlich unbedeutende Dinge. In Stettin hofften wir Leidensgenossen auf unsere baldige Entlassung; diese Stimmung war stark genährt durch die Äußerungen der dortigen Gestapo. In einem Punkt ist aber meine Stimmung bis heute ganz gleichmäßig, ruhig und fest geblieben: ich habe mich bedingungslos in Gottes Willen ergeben. […] Geholfen hat, dass ich nicht der Versuchung nachgegeben habe, mir selber leid zu tun. Ich habe auch die wehmütigen und sehr sehnsüchtigen Gedanken an meine Lieben und an Schmenzin kurzgehalten.“

      Aus dem Brief vom 2. Dezember 1944 an seine Frau: “Gestern habe ich Haftbefehl

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