Lazarus. Christian Otte

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Lazarus - Christian Otte Die Zentrale

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Laien verdeutlichen sollte und erklärte dann: „Strenggenommen ist der Vampirismus über den wir hier reden eine Viruserkrankung. Im Gegensatz zu den meisten anderen Viren ersetzt der Nosferatu viridae nicht die komplette DNA im inneren der befallenen Zelle, sondern ändert einige Abschnitte, wie zum Beispiel die Telomere. Daraus ergibt sich auch die geringe Alterung und die Immunität gegen die meisten Dinge, die einen Menschen töten würden.“

      Telomere, das wusste Alex, sind die Endstücke der DNA-Ketten, die sich, nach allgemeiner Auffassung, bei jeder Teilung verkürzten und so ab einer kritischen Länge den Zelltod einleiten. Diese Enden gelten als Schlüssel zum Alterungsprozess. Wenn es wirklich eine Möglichkeit geben sollte, Telomere so zu verändern, dass sie sich nicht mehr verkürzen, würde das die Medizin um Lichtjahre voranbringen. Bevor Alex diesen Gedanken abschweifen lassen konnte, wurde er von Wolk mit weiteren Erklärungen in die Wirklichkeit zurückgeholt.

      „Die Reaktion auf Weihwasser und Kreuze ist eher psychosomatischer Natur. Ebenso sind das Nicht-betreten-können, oder besser Nicht-betreten-wollen, von Kirchen und das Schlafen in Särgen persönliche Entscheidungen. Oder beginnende Psychosen. Je älter Vampire werden, desto anfälliger werde sie auch für Geisteskrankheiten. Das menschliche Gehirn ist einfach nicht auf ewiges Leben ausgelegt. Irgendwann ist es einfach überfüllt.“

      Alex versuchte aus der Mimik und der Gestik seines Gegenübers schlau zu werden. Nichts wies darauf hin, dass er log. Keine nervösen Gesten. Kein Zucken. Kein Ausweichen des Blicks. Aber auch sonst nichts, was auf eine emotionale Reaktion hindeutete. Alles an Wolk wirkte als wäre er hochkonzentriert. Als könne er die Geschichte, die er gerade erzählte, aus dem Gedächtnis abrufen und herunterbeten. Entweder war er ein verdammt guter Schauspieler, oder ein verdammt schlechter. So schlecht, dass er so verbissen auf den Text konzentriert war, dass er das Schauspielern drum herum völlig vergaß. Oder er glaubte wirklich, was er da erzählte.

      „Fliegen im klassischen Sinne können Vampire nicht“, fuhr Wolk fort, „eher sehr hochspringen. Weil sie, auch das stimmt, sehr leichte Knochen haben. Hypnotisieren ist eine der psychischen Gaben einiger Vampire, aber nicht aller. Und dass sie Blutsauger sind ist auch nicht von der Hand zu weisen.“

      Alex konnte immer noch kein Anzeichen für eine Lüge erkennen, stattdessen hörte er von Wolk: „Um einen Vampir zu erschaffen, braucht es einen Biss, aber nicht jeder der gebissen wird, wird zum Vampir.“

      „Nicht?“

      „Nein. Dafür benötigt es im Normalfall etwas, das wir Bluttaufe nennen. Der Vampir trinkt das Blut des zu Verwandelnden und der trinkt im Gegenzug das Blut des Vampirs.“

      „Dann kann ich kein Vampir sein. Du hast leider einen Fehler in deiner Argumentationskette. Ich hatte nämlich keine solche Bluttaufe“, folgerte Alex triumphierend, „Ich wusste doch, dass du dir mit dieser Lügengeschichte früher oder später selber ein Bein stellen würdest.“

      „Ich sagte 'im Normalfall'. Bei dir haben wir einen, ich würde mal sagen, spezial gelagerten Sonderfall“, unterbrach ihn Wolk.

      Alex fühlte sich dabei an irgendwas erinnert, kam aber nicht darauf woran. Aber er sah, dass Wolks Blick auf seiner Brust ruhte.

      „Meine Transplantation?“ Wolk nickte kurz. „Was ist damit?“, hakte Alex mit fragendem Unterton nach.

      „Anscheinend gab es eine nicht autorisierte Bluttaufe. Bevor wir alle notwendigen Maßnahmen ergreifen konnten hatte der Verwandelte einen schweren Verkehrsunfall und starb. Da er vor seiner Verwandlung Organspender war und seinen Ausweis noch dabeihatte, wurde das Herz entnommen und transplantiert. Und schlägt nun in deiner Brust.“

      Alex sah an sich herunter und griff unwillkürlich an die Stelle, wo seine Transplantationsnarbe unter dem Hemd saß.

      Beide schwiegen. Alex versuchte das Gehörte zu verdauen. Versuchte die Erklärung, die Märchen und Legende so wissenschaftlich und rational erklärte, auf ebenso logische und eindeutige Weise zu widerlegen. Es kam ihm wie der Beweis vor, ob Gott existierte oder eben nicht.

      Der Ober kam und stellte das Essen vor den Beiden ab. Wolk wünschte einen guten Appetit und begann bereits ein Stück von seinem Fleisch abzuschneiden, während Alex immer noch nachdachte.

      Er konnte diese Diskussion nicht wissenschaftlich angehen, solange er nicht davon ausgehen konnte, dass sein Diskutant die gleichen Argumente als wissenschaftlich fundiert betrachtete. In der Wissenschaft gab es niemals absolute Gewissheit. In religiösen Diskussionen dagegen, betrachteten die Gläubigen ihre heilige Schrift als absolut richtig. Deswegen gingen die Argumente häufig aneinander vorbei. Wer an etwas bedingungslos glaubte, hatte verlernt zu zweifeln und blendete mitunter Argumente auch vollständig aus, die seinen Standpunkt widerlegten. Umso eine Argumentation gewinnen zu können, musste man sich auf das Niveau des anderen begeben und ihn mit den eigenen Argumenten aushebeln.

      Schließlich griff Alex zum Besteck, und begann schweigend zu essen. Er schmeckte das zarte Fleisch auf seiner Zunge zergehen, schluckte herunter und wartete. Er legte das Besteck auf den Teller, nachdem er sein Fleisch zu drei Vierteln aufgegessen hatte und sah Wolk zu, der genüsslich kaute.

      „Ich muss zugeben“, setzte Alex an, als er wieder das Messer ergriff, „fast wäre ich darauf reingefallen. Die Geschichte mit dem Vampir schön und gut, aber es fehlen die Beweise.“

      „Die Tatsache, dass du von den Toten auferstanden bist, reicht dir nicht?“

      „Es gibt keinen Beweis, dass ich überhaupt tot war. Angenommen die Schüsse waren nicht tödlich. Vielleicht hat sich jemand einen Spaß erlaubt und mich zum Aufwachen in die Pathologie geschoben.“

      „Und wer sollte sich so einen Spaß erlauben?“

      „Das weiß ich noch nicht. Aber, du sagtest selbst, Vampire sind Bluttrinker. Vampire können angeblich nichts außer Blut zu sich nehmen, da sie sonst erbrechen. Aber wie du siehst,“ Alex steckte sich betont langsam ein großes Stück Entrecôte in den Mund, kaute und schlucke es genüsslich runter, bevor er fortfuhr, „es schmeckt hervorragend und ich muss mich nicht übergeben.“

      Wolk spülte mit einem Glas Wasser nach, räusperte sich und erklärte dann: „Ich habe nie behauptet, dass sich Vampire ausschließlich von Blut ernähren. Diese Annahme beruht auf dem Fehlschluss, dass andere Lebewesen, wie Vampirfledermäuse und blutsaugende Insekten, nur Blut zum Überleben brauchen, und dies dann auch auf menschliche Vampire zutreffen müsste. Der Gedankengang ist aber falsch. Und in der Kultur hat dieser Fehlschluss Einzug gefunden, weil Dracula in allen neueren Verfilmungen des Satz sagt 'Ich trinke niemals … Wein.' Vampire müssen Blut zusätzlich zur normalen Nahrung zu sich nehmen, um bei Kräften zu bleiben. Im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung hat das Trinken von Blut keine primär mystische Komponente, sondern dient der Versorgung des Vampirs mit einem wichtigen Mineralstoff: Eisen. Ein Enzym im Magen des Vampirs zersetzt das Blut in seine Bestandteile. So kann er zum einen die im Blut gelösten Nährstoffe besonders einfach aufnehmen und wird außerdem mit dem für ihn essentiellen Eisen aus dem Hämoglobin versorgt. Der Organismus des Vampirs arbeitet in vielerlei Hinsicht anders als der eines normalen Menschen. Der extrem gesteigerte Eisenbedarf ist da noch einer der geringsten Unterschiede. Der Whiskey vorhin wird mit eisenhaltigem Quellwasser hergestellt, die Hausmarke eben ist ein mit Eisen angereicherter Fruchtsaft und rotes Fleisch ist ein guter Eisenlieferant. Außerdem kommt das Fleisch hier von einem ökologisch geführten Bauernhof“, beendete Wolk seinen Vortrag und schob sich wieder ein Stück in den Mund.

      „Alles schön und gut“, gab Alex zurück, „ich habe bei dem Überfall viel Blut verloren und soll viel Eisen zu mir nehmen. Von mir aus. Trotzdem noch kein Beweis.“

      „Was

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