Lazarus. Christian Otte

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Lazarus - Christian Otte Die Zentrale

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in keinem Verhältnis zu denen an der Uni standen. Diesmal war es Ben, der seine Hilfe anbot. Zwar wollte Alex lieber auf eigenen Beinen stehen, aber Bens Überzeugungskraft und seiner Fähigkeit Gegenargumente völlig zu ignorieren war es zu verdanken, dass er schließlich doch mit in das Penthouse zog.

      Da saßen und standen sie nun. Die beiden Cousins, deren Leben kaum hätten unterschiedlicher verlaufen können. Der Student und der Hacker. In einem Penthouse, dass manchen Prominenten vor Neid erblassen lies.

      „Es ist nichts verkehrt an einem Penthouse“, meinte Ben.

      „Aber ein Bettelstudent, der bei seinem reichen Verwandten wohnt und sich von ihm aushalten lässt. Das wirkt verzweifelt und erbärmlich.“

      „Klingt für mich eher nach Sitcom. Wenn sie fragt, sag ich habe dich unter Gewaltandrohung gezwungen.“

      „Glaubst du, das würde sie mir abkaufen?“

      „Vermutlich nicht, aber es lässt mich gefährlicher wirken. Und Frauen stehen auf böse Jungs.“

      Ben nahm einen Schluck aus der Flasche und ignorierte Alex' halb vorwurfsvollen, halb belustigten Blick.

      „Ich zieh mich um. Wann gibt’s Essen?“

      „In etwa 30 Minuten“, sagte Alex und begann eine Zwiebel zu schälen.

      Ben erhob sich wortlos, verließ die Küche und ging die Treppe zur Galerie hoch.

      Ben streifte das Jackett ab, kaum dass die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war. Während er sein Hemd aufknöpfte betrachtete er die blauen Flecken, die darunter zum Vorschein kamen. Es würde noch einige Tage dauern, bis sie vollkommen verschwunden waren, aber wenigstens schmerzten sie nicht mehr. Es bestand kein Zweifel mehr daran, dass er alt wurde.

      Auf Wunsch seiner Eltern, aber auch, weil es seinen eigenen Wünschen entsprach, hatten er und seine Schwester bereits als Kinder gelernt sich selbst zu verteidigen. Hauptsächlich, weil ihre Mutter Angst hatte, sie könnten entführt werden um ihren Vater zu erpressen. Er war tatsächlich nicht unbegabt, wenn man bedachte, dass er in der Schule eine Niete im Sport war.

      Jetzt hatte ihn Alex gebeten, ihm ein paar Techniken beizubringen, und Ben tat das nur allzu gerne, da es für ihn eine gute Trainingsmöglichkeit mit flexibler Zeiteinteilung bot. Alex hatte in seiner Jugend, vor dem Tod seines Vaters, seine Zeit mit Parcours vertrieben, lange Handball gespielt, und sogar eine Weile eine koreanische Kampfsportart namens Hapkido praktiziert, aber er hatte weit weniger Erfahrung mit Verteidigungstechniken als Ben. Trotzdem war es ihm gelungen, den erfahreneren Ben einige Male hart genug zu treffen, um deutliche Spuren zu hinterlassen. Es musste einfach am Altersunterschied liegen.

      5

      Vladimir Wolk stand im Büro seines Vorgesetzten an einem Regal mit Büchern. Er war ein großgewachsener, muskulöser Mann, dessen pure Erscheinung jedem der ihm begegnete Respekt einflößen konnte. Auf den ersten Blick wirke er auf Fremde wie ein ehemaliges Mitglied einer Biker-Gang, dass sich nun als Bankangestellter im Anzug versuchte. Er blätterte gerade durch eine abgegriffene Abschrift eines Werkes von Bernoulli, den er aus dem obersten Regalfach neben dem Modell einer Doppelhelix genommen hatte, als jemand den Raum betrat.

      „Ah, Wolk, da sind sie ja“, begrüßte der Mann, der sich schwer auf seinen Gehstock stützte, seinen Untergebenen, „wie ist die Lage im Fall Drakowski?“

      „Leider nichts Neues“, sagte Wolk und stellte das Buch zurück an seinen Platz.

      „Unsere Nachforschungen führen alle in eine Sackgasse. Wir können zwar nahezu das gesamte Leben des Unfallopfers rekonstruieren, aber wir finden keinen Berührungspunkt mit einem von uns.“

      „Können wir es immer noch nicht eingrenzen?“, fragte der alte Mann und hinkte, den Stock mit dem langen weißen Griff, wie ein drittes Bein benutzend, hinter seinen Schreibtisch. Dort angekommen ließ er sich mit einem hörbaren Seufzer in seinen Sessel fallen.

      „Das war ja der ursprüngliche Plan“, fuhr Wolk fort und setze sich in einen Sessel gegenüber. Er zog sein Sakko zurecht und strich seine Hose glatt.

      „Aufgrund der beginnenden Umwandlungsphase haben wir uns erst auf die letzten 3 Monate vor seinem Unfall beschränkt. Ohne Ergebnis. Deswegen haben wir die Suche ja auch damals ausgeweitet.“

      „Und immer noch kein Ergebnis?“, fragte der Vorgesetzte und lehnte sich vor.

      Er stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch und legte die Fingerspitzen zusammen. Wilhelm Schulz war der Abteilungsleiter der Aufklärungsabteilung und damit Wolks direkter Vorgesetzter. Wolk musste sich eingestehen, dass er nicht genau wusste, wie alt sein Chef war, die weißen Haare und das tief zerfurchte Gesicht mit der spitzen Nase ließen ihn auf Mitte 60 tippen. Intern trug er den Spitznamen „Adler“, den er der Angewohnheit verdankte über die Gläser seiner rahmenlosen Brille hinweg seine Gesprächspartner in Grund und Boden zu starren. Einer alten Geschichte zufolge hatte er es damit geschafft einigen der übelsten Verbrecher, der letzten Jahre Geständnisse zu entlocken. Das Problem lag vielmehr daran, dass er diesen Blick auch untergebenen Mitarbeitern gegenüber aufsetzte, so dass sie sich ständig beobachtet fühlten. Allerdings sprach die Erfolgsquote seiner Abteilung für sich. Kaum ein Fall der nicht aufgeklärt wurde.

      Jetzt lag dieser Blick auf Wolk, den er, als einer von wenigen, nicht außer Fassung brachte.

      „Wir haben alles probiert, was uns eingefallen ist. Wir haben Daisy sogar die kompletten Aufnahmen durchsehen lassen. Nichts. Es ist als ob die Umwandlung bei ihm natürlich eingesetzt hat. Wie die Pubertät.“

      „Und wir wissen, dass das unmöglich ist“, resümierte der alte Mann und lehnte sich in seinem Sessel zurück.

      „Genau.“

      „Und was haben Sie jetzt vor?“

      „Ich werde den Fall abgeben. Ich habe da ein neues Projekt und dafür würde ich gern etwas mehr Zeit aufwenden. Vielleicht fällt mir etwas ein, wenn ich nicht die ganze Zeit daran denke.“

      Schulz nickte.

      „Exquisitorin Karamidou wird den Fall weiterbearbeiten. Sie war von Anfang an dabei und ...“

      „Ich denke, das wird nicht notwendig sein. Sie haben jetzt knapp anderthalb Jahre an diesem Fall gearbeitet und sind nicht einen Schritt vorwärtsgekommen. Ich werde den Fall schließen.“

      Wolk wollte protestieren, aber er wusste welche Argumente er hatte und welche Gegenargumente er zu hören bekommen würde. Diskussion sinnlos.

      „Geht klar“, sagte er und erhob sich.

      „Noch eins“, hielt ihn sein Vorgesetzter auf, „was ist das für ein neues Projekt?“

      „Es geht um einen Feldversuch, den ich gern beobachten möchte.“

      „Brauchen Sie etwas dafür? Wenn ich helfen kann, sagen Sie Bescheid.“

      „Danke, aber ich habe alles was ich brauche. Auf wiedersehen.“

      Mit seinem letzten Satz schloss sich die Tür hinter ihm.

      Auf einem Sofa in der Nähe saß Melina Karamidou

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