Wolke 8 ... oder Plädoyer für die Liebe. Monika Kunze

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wolke 8 ... oder Plädoyer für die Liebe - Monika Kunze страница 3

Автор:
Серия:
Издательство:
Wolke 8 ... oder Plädoyer für die Liebe - Monika Kunze

Скачать книгу

Zeitung begonnen.

      Verboten hin, verboten her. Jean war doch für sie ein Freund – und kein Wirtschaftsgebiet. Sie musste dieses Treffen auf jeden Fall riskieren. Vorsichtshalber bat sie ihre Freundin Sabine, alle Formalitäten zu erledigen, was auch in verhältnismäßig kurzer Zeit klappte.

      Anne hatte Urlaub genommen und war froh, dass ihr Vater ihr seinen jadegrünen Trabant lieh, damit sie ihrem Freund Jean ihre Heimat zeigen konnte. Sie weiß noch heute, dass sie viel zu früh am Bahnhof erschienen war. .

      Wer dort wen zuerst entdeckte? Das war völlig unwichtig. Wichtig hingegen war, dass sie ihn sofort erkannte – vom Foto, das sie in der Hand hielt. Sein dunkler Haarschopf überragte alle anderen. Sie rannten aufeinander zu und lagen sich sofort in den Armen. Der Boden begann sich um sie herum zu drehen, so ein Gefühl war Anne bisher verborgen geblieben.

      „Komm er, isch alte dich, cheri“, flüsterte Jean an ihrem Ohr und sie wusste in dem Moment, dass alles richtig war.

      So gab es in den nächsten Tagen für sie keinen Atemzug mehr, der nicht Jean hieß. Sie zeigte ihm ihre kleine Stadt, wo sie zur Schule gegangen war, die Redaktion, aus gutem Grund, nur von weitem. Sie spazierten Hand in Hand durch den Park, fühlten sich in dem kleinen Schloss wie König und Königin. Selbst dem Tagebau, der tatsächlich einer Mondlandschaft glich, zollten sie Bewunderung ob seiner Größe und Großzügigkeit, denn immerhin versorgte seine Kohle die Menschen mit Wärme und Licht.

      Oft saßen sie auch im Eiscafé am Markt und genossen zwischen den Küssen fruchtige Milchshakes, die zu der Zeit in der DDR gerade in Mode gekommen waren.

      Gegenüber stand ein Hotel namens „Glück auf“. Beide hatten wohl zunächst den selben Gedanken, verwarfen ihn aber gleich wieder.

      Sie fühlten sich in Annes kleiner Mansardenwohnung wohler. Dort lagen sie meistens auf dem Teppich, redeten und tranken Wein.

      Dass sie bald auch miteinander schliefen, hatte sich ganz selbstverständlich ergeben. Es war, als seien sie eigens dazu geboren worden, um sich zu suchen und zu finden und schließlich ineinander aufzugehen. So ähnlich jedenfalls hatte es Jean ihr ins Ohr geflüstert.

      „Ann!“

      Ihr Name klang seltsam ohne das e am Ende. Und seine Stimme flüsterte zärtlich und leidenschaftlich zugleich. Und dann war da noch etwas: Angst, dass sie einander verlieren könnten?

      „Oui, mon amour, Jean?"

      In seinen Armen fühlte sie sich unglaublich gut. In seinen Augen konnte sie sehen, dass er genauso empfand wie sie.

      Stunden später sagte er, dass jener Tag ein ganz besonderer sei.

      „Ja, ich weiß, der 14. Juli, der französische Nationalfeiertag“, entgegnete sie mit Schalk in den Augen.

      Er aber blieb ganz ernst.

      „Ann, bitte, willst du misch eiraten?“

      Das klang lustig. Aber warum musste sie dann plötzlich weinen?

      Wie stellte er sich das vor? Wie sollte sie ihm denn erklären, dass das nicht ging? Sie versuchte es mit ein paar einfachen Fragen.

      „Wo sollen wir leben?“

      „In Frangraisch!“

      „Aber das geht nicht, ich kann hier nicht weg!“

      „Warum nischt?“

      „Du lebst in einem Land, das ich nicht einmal besuchen darf, geschweige denn dorthin auswandern …“ Ob er ihren Kummer je verstehen würde?

      Mit einem Mal war der Rausch verflogen, der Teppich auf dem sie lagen, kam ihr rau und kratzig vor.

      Jean erklärte ihr stockend, dass auch er seine Heimat nicht verlassen könne.

      Wenn er wollte, dann könnte er schon, dachte sie bitter.

      „Ma famille, mes amis …“ stammelte er, als habe er ihre Gedanken lesen können. Einerseits verstand sie ihn, kannte sie doch seine Familie und seine Freunde gewissermaßen auch schon ein wenig. Aus seinen Briefen. Andererseits wollte sie auf gar keinen Fall auf ihn verzichten.

      Würde es also für sie beide niemals einen Ausweg geben?

      Die letzten Tage wurden immer mehr von diesem Gedanken überschattet.

      „Steig ein, ich bringe dich zum Bahnhof“, sagte sie am letzten Tag kühler als beabsichtigt.

      „Dans le petit … in dieses kleine Pappschachtel?“

      Sein Lächeln misslang.

      Er hatte wohl schon vergessen, dass er bei allen ihren Rundreisen genau in „dieses kleine Pappschachtel“ gesessen hatte? Als sie seinem traurigen Blick begegnete, wollte ihr vor Kummer das Herz zerspringen. Von nun an schwiegen sie.

      „Fahren wir noch einmal zum Mond?“ fragte er.

      Nanu? Ausgerechnet zum Tagebau wollte er noch einmal?

      Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie noch Zeit hatten.

      Eng umschlungen standen sie am Rand des Tagebaus und schauten auf die riesige Wunde in der Erde. Jean sah traurig und auch ein bisschen wütend aus.

      „Wann kommst du wieder?“ fragte sie leise. Sie hatte das Gefühl, gleich in Ohnmacht zu fallen. Ihre Knie zitterten, ihr Herz raste.

      „Wenn aus dieser Mondlandschaft ein Meer geworden ist …“ antwortete er mit einer weit ausholenden Armbewegung. Er versuchte zu lächeln, aber es sah nicht echt aus.

      Machte er sich über sie lustig? Ein Lied fiel ihr ein – und sie sang es leise vor sich hin „Wenn´s schneiet rote Rosen und regnet kühlen Wein …“

      Sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen beim Singen übers Gesicht liefen.

      *

      Nach seiner Abreise wartete sie auf Post. Vergeblich. Der Briefträger wusste schon bald nicht mehr, wie er sie trösten sollte. Kein Lebenszeichen von Jean? Nein.

      Irgendwann hörte sie auf, zu grübeln, wo ihre Briefe geblieben sein könnten.

      Ein Jahr nach ihrem ersten Besuch am Senftenberger See, bei dem sie alle Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Jean verloren hatte, gab sie dem Werben eines anderen Mannes nach. Er wohnte in der Nachbarschaft und hatte schon mit 25 Jahren seine Frau an den Krebs verloren. Er hieß Hartmut. Sie heirateten und führten eine ruhige Ehe, in der keiner von beiden Wert auf große Leidenschaft legte.

      Vor zwei Jahren war Hartmut gestorben.

      Auch das Land existierte nicht mehr, das Land, das es ihr nicht erlaubt hätte, nach Frankreich auszureisen.

      Ihre Arbeit als Freie Fotografin ließ ihr kaum Zeit, sich nach einem neuen Partner umzuschauen.

      Immer, wenn sie in Senftenberg zu tun hatte, musste sie an Jean denken. Nun gab es schon so lange ein „Meer“ hier, aber er war nicht gekommen.

      Was erwartete

Скачать книгу