Der Verachtete. Marieke Hinterding

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Der Verachtete - Marieke Hinterding

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ist aber schade“, sagte Udo. „Hatte niemand heute für Dich Zeit?“

      „Nein, Herr S., mein Papa hat gesagt, er hat es nicht so gut wie Du, Herr S! Papa hat gesagt, er und Mama müssen heute arbeiten.“

      „Aber ich arbeite auch“, sagte Udo. „Das Frühstück macht sich auch nicht von alleine!“

      „Das stimmt nicht, Herr S.! Papa hat gesagt, dass Du hier bist, weil Du noch nicht richtig arbeiten kannst! Du musst das erst noch lernen! Papa hat gesagt, Du bist ein Schmarotzer! Herr S, sag mal, was ist ein Schmarotzer?“

      „Sophie, setz Dich bitte vernünftig hin, damit wir frühstücken können!“

      Es war jetzt mucksmäuschenstill in der Gruppe, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Alle Augen schienen auf Udo zu ruhen, als er nervös und mit fahrigen Fingern das Frühstück auf die Tische deckte.

      „Guten Appetit wünsche ich noch“, sagte er und verließ dann fluchtartig den Raum. Ihm war eiskalt und es war ihm als streue man Salz in die klaffende Wunde seiner Seele, als er die österliche Gemeinschaft von drinnen im Chor rufen hörte: „Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb, piep, piep, piep , guten Appetit.“-

      Drei Tage später

      kam Udo spätabends von seinem Anstandsbesuch bei seiner Verwandtschaft erschöpft nach Hause.

      „Der Pöbel hat heute mit am Tisch gesessen“, überlegte Udo: In Gestalt seines Patenonkels Gerd war er am Nachmittag im Hause seiner Eltern über ihn hergefallen! Nach dem teuren Essen hatte man wie geplant im Kreise der Familie zusammengesessen und nachdem zunächst ausgiebig über Werners Beförderung geschwatzt worden war, hatte sich Gerd schließlich Udo vorgeknöpft.

      Was Udo denn beruflich im Augenblick mache, wollte er wissen. Udo erzählte von seiner Arbeit im Kindergarten und froh, endlich seinen Kummer über den unerträglichen Umgangston seiner Kolleginnen loszuwerden, beschönigte er nichts und schilderte detailgetreu die vielen Gemeinheiten, die er in der kurzen Zeit schon hatte einstecken müssen.

      „Mein lieber Udo, ich will Dir mal was sagen!“, antwortete Gerd , nachdem Udo seine Klagen hervorgebracht hatte: „Meiner Meinung nach sind das Lappalien, die Du hier zum Besten gibst und ich habe den Verdacht, Du bastelst Dir mal wieder einen Grund, damit Du die Arbeit hinschmeißen kannst.

      Sei doch einmal ehrlich zu Dir selbst: Hast Du Dich im Leben schon mal länger als drei Monate ununterbrochen einer Arbeit ausgesetzt? Nein!

      Millionen Menschen haben täglich auf ihrem Arbeitsplatz mit Ärger und unangenehmen Kollegen zu kämpfen! Nur mit dem Unterschied: Die machen es sich nicht so einfach wie viele von Euch Arbeitslosen! Seid immer nett zu mir, sonst geh` ich, das ist doch heutzutage die Devise der meisten Hartz 4 Empfänger! Und zum Arbeiten sind dann die Anderen da! Gott sei Dank hat die Regierung da jetzt mit ihrer Gesetzgebung einen Riegel vorgeschoben! Arbeiten und die Schnauze halten, das ist das einzig wirksame Mittel gegen Arbeitslosigkeit! Auch Du wirst Dich daran gewöhnen müssen!“ -

      Udo stand jetzt wieder mit Kippe und Wein vor dem Spiegel.

      „Schmarotzer!“, beschimpfte er sich, „arbeite vernünftig, wie Millionen andere auch!“ Er zog wieder eine Grimasse und betrachtete sich dabei, wie er an seiner Zigarette zog und sein Weinglas mit einem Zug leerte.

      „Rauchen, saufen und lamentieren, das kannst Du! Gib Dir beim Arbeiten mal genauso viel Mühe, dann brauchtest Du auch kein schlechtes Gewissen zu haben!“

      Udos Gedanken schlugen Purzelbäume. Mal kamen ihm die Kolleginnen aus der Kita in den Sinn, dann die Eltern des kleinen Nachbarmädchens im Wechsel mit seinem Patenonkel Gerd.

      Der Wein war ausgetrunken und Udo stand der Sinn nach ein wenig Zerstreuung. Er lief nun rüber ins Wohnzimmer, schaltete den Fernseher ein und zappte sich durch die Kanäle. Überall wurden lange Spielfilme ausgestrahlt, doch danach stand ihm heute wirklich nicht der Sinn. Endlich aber hatte er doch noch eine zumutbare Sendung gefunden, eine Polit-Talkshow.

      „Da sind wir ja wieder beim Thema“, dachte Udo als er ein Weilchen zuhörte. Es ging um die Armut, die sich laut Moderator seit Einführung der Hartz 4 Gesetze in Deutschland breitmachte. Von einer tiefen Spaltung zwischen Arm und Reich war da die Rede und von der Unzumutbarkeit der Gesetze. Udo hörte interessiert zu. Vertreter der Kirchen waren in der Show ebenso vertreten wie Parteienvertreter und Arbeitgeberverbände...

      So moderat war ihm eine Sendung über Hartz 4 und neuer Armut schon lange nicht mehr erschienen. Udos Gedanken wanderten in die frühe Vergangenheit:

      „Ich habe keine Lust zu arbeiten! Gebt mir Sozialhilfe, ich will Party machen! Wer arbeitet, ist selber schuld!“ So hatte er die Mottos von etlichen talkshows auf den Privatkanälen in Erinnerung und die Sendungen waren dann immer nach dem gleichen Muster abgelaufen: Talkgäste waren meist jugendliche Menschen, die Spaß daran zu haben schienen, vor laufender Kamera ihr vermeintliches Faulenzertum hochleben zu lassen. Diese Provokationen wurden dann meist von brüllenden Berufstätigen beantwortet, die sich, laut eigener Angaben, den Buckel krumm arbeiteten und die der Öffentlichkeit nicht vorenthalten wollten, was sie mit solchem Gesindel machen würden! So gab in diesen Shows ein Wort das andere und zum Schluss, so vermutete Udo, konnte sich der Zuschauer zuhause am Bildschirm genüsslich zurücklehnen und mit klammheimlicher Freude zusehen, wie der Kraftprotz mit der ungehörigen Meinung immer kleiner wurde, weil er nicht damit gerechnet hatte, dass am Ende niemand mehr zu ihm hielt, auch nicht diejenigen, die sich eine Stunde zuvor noch solidarisch mit ihm erklärt hatten...-

      Nur nicht auffallen war Udos Devise damals gewesen, wenn er das Haus verließ.

      Es schien zu der Zeit kaum ein anderes Thema die Menschen mehr zu beschäftigen, als wie man den Faulenzern endlich das Handwerk legen konnte und er hatte stets einen unsichtbaren Zeigefinger auf sich gerichtet gefühlt, wenn er mit seiner schäbigen Kleidung und seinen selbst geschnittenen Haaren den Tabakladen in der Nachbarschaft betrat. Wenn er dann die Schlagzeilen der Zeitungen überflog, die für alle gut sichtbar fast jeden Tag einen anderen Hartz 4 Empfänger zum moralischen Schafott der Gesellschaft führten, wurde ihm übel. Ohne viel Worte hatte er dann schnell seinen Tabak gekauft und er war dann nie das Gefühl losgeworden, dass die bei seinem Anblick verstummte anwesende Kundschaft geradezu darauf wartete, den unausgesprochenen Verdacht, er könne einer dieser Drückeberger sein, endlich in Worte fassen zu dürfen.

      „Wie die Geier übers Aas herfallen!“, dachte Udo dann immer, wenn er den Fuß aus der Tür des kleinen Geschäfts setzte! Und wenn er dann mal einen Blick zurück in den Laden warf, hatte das Schweigen rasch ein jähes Ende gefunden; oftmals sah er dann Inhaber und Kundschaft in plötzlicher, gestenreicher Diskussion vereint.

      „Über wen oder was sollten die sich sonst unterhalten, wenn nicht über mich!“, fragte sich Udo dann regelmäßig, wenn er wieder zuhause war. Man kannte ihn hier in der Siedlung und Udo war sich sicher, schon sehr oft für Gesprächsstoff gesorgt zu haben...

      „Du wirst Dich in Zukunft mehr bemühen, Udo!“, so waren endlich spätnachts, als der Tabak fast auf geraucht war und das Fernsehprogramm langweilig wurde, seine entschlossenen letzten Worte des Tages.-

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