Der Verachtete. Marieke Hinterding

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Der Verachtete - Marieke Hinterding

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er nicht ganz so viel gehustet, er hatte tatsächlich einige Stunden am Stück durchschlafen können. Udo war an diesem Morgen frisch und ausgeruht und bei dem Gedanken an die Hausmeisterstelle in Düsseldorf ergriff ihn ein selten erlebter Elan.

      Er schwang sich mit einem Ruck aus dem Bett. Es war sehr kalt und er zog sich rasch seinen dicken Pullover über. Dann überkam ihn der Hunger und er bediente sich aus dem Kühlschrank, aber viel mehr als zwei trockene Scheiben Vollkornbrot , etwas Senf und zwei Scheiben Schinkenwurst waren dort nicht mehr zu finden. Margarine war alle und so bestrich er die beiden Brote mit dem Rest aus der Tube Senf, legte die Wurst darauf und klappte die Stullen zusammen.

      Dazu trank er ein großes Glas Leitungswasser. Kaffee und Milch wollte er angesichts seiner knappen Mittel nur noch einmal am Tag trinken und heute wollte er sich die Getränke für den Nachmittag aufheben.

      Udo sah auf die Uhr. Noch zwei Minuten bis acht, er zählte die Sekunden, dann endlich griff er zum Hörer und wählte die Nummer, die er sich tags zuvor herausgesucht hatte. -

      „Neubert“, meldete sich nach langen Sekunden endlich jemand am anderen Ende der Leitung.

      „Ja, schönen guten Morgen!“, antwortete Udo nun und erkundigte sich nach dem ausgeschriebenen Stellenangebot im Portal der Jobbörse und das, was er nie zu hoffen gewagt hatte, trat ein: Die Stelle war noch frei!

      Udos Hände schwitzten vor Aufregung als der Mann am anderen Ende der Leitung ihm nun die Stelle noch einmal genau beschrieb und als er ihm sogar die Höhe des zu erwartenden Gehalts nannte, glaubte Udo , das Glück nur noch greifen zu brauchen. Der Mann schien ernsthaft an ihm interessiert, meinte Udo zu wissen; hätte er sonst so umfangreich Auskunft gegeben?

      Gerade wollte er sich nach einem Vorstellungstermin erkundigen, da platzte die Blase der Freude und Herr Neubert am anderen Ende der Leitung sagte: „Ich bitte darum, Ihre schriftliche Bewerbung mit lückenlosem Lebenslauf und Arbeitszeugnissen bis Ende der Woche an die Neubert GMBH in Düsseldorf zu schicken.“

      Aus- das war`s! Udo versprach noch, ihm die Unterlagen zukommen zu lassen, verabschiedete sich höflich und legte dann auf.

      Schade, dachte er, es wäre zu schön gewesen. Andererseits: Vielleicht war es ganz gut, dass er den Job nicht bekommen würde. Wer wusste, ob er den Anforderungen gewachsen gewesen wäre. Udo hatte da schließlich seine Erfahrungen gemacht. Oft genug schon hatte er sich mit ihm angebotenen Jobs übernommen, hatte versagt und war Knall auf Fall gekündigt worden. „Trotzdem: Auch wenn ich keinen lückenlosen Lebenslauf vorweisen kann – ich werde mich bei Neubert bewerben!“, überlegte Udo. „Vielleicht sollte ich denen schreiben, dass ich bisher aus psychischen Gründen keine Arbeit aufnehmen konnte. Ich könnte sagen, dass ich die Medizin gegen meine Psychose nicht vertragen habe“, dachte er weiter. „Und seit einem Jahr bin ich dank langjähriger Gesprächstherapie voll arbeitsfähig und suche dringend einen Job. Ja, das werde ich zu meiner Entschuldigung vorbringen. Wer weiß – vielleicht findet sich ja mal ein verständnisvoller Arbeitgeber.“

      Es war zwar eine glatte Lüge, die Udo bei seinem Bewerbungsschreiben an die Neubert GMBH wegen seiner fehlenden Arbeitspraxis hervorbrachte, aber der Zweck heiligt die Mittel, fand er und las noch einmal aufmerksam durch, was er dort zu Protokoll gegeben hatte: sechs Jahre, bis zur Insolvenz hatte er laut seiner Angaben in einer Textilfabrik gearbeitet, dann sei er psychisch erkrankt und wegen schwerer Depressionen lange Jahre arbeitsunfähig gewesen. Seit einem Jahr hätte sich die Krankheit aus geschlichen, dank modernster Therapie sei er wieder in der Lage in vollem Umfang und flexibel, wie es der Arbeitsmarkt erfordert, berufstätig zu sein. Leider habe er es versäumt, bei seiner damaligen Firma rechtzeitig ein Arbeitszeugnis zu beantragen, so dass er nun unfreiwillig ganz ohne Zeugnis dastehe; es tue ihm leid, dass er keinen Beleg für seine Tätigkeit vorzuweisen habe. Zur Zeit habe er einen 400-Euro Job als Verteiler von Werbeprospekten, schrieb er weiter, aber er strebe eine Vollzeitbeschäftigung an und würde sich freuen, recht bald einen positiven Bescheid zu bekommen. Udo war zufrieden, kuvertierte und frankierte die Bewerbung, drehte sich dann aus den Kippen in seinem Aschenbecher die erste Zigarette des Tages und verließ dann seine kleine Wohnung.-

      Es war mittlerweile 11 Uhr und im Hausflur roch es intensiv nach Gekochtem. Mmmh, bei der Familie unter ihm gab es heute Sauerbraten.

      Udo lief das Wasser im Mund zusammen und in seiner Fantasie malte er sich ein großes Stück Fleisch mit ganz viel Soße aus. Drei leckere Semmelknödel dazu und eine ordentliche Portion Apfelrotkohl - wann würde er in seinem Leben jemals wieder in den Genuss einer solchen Leckerei kommen ?Und weil er morgens nichts weiter gegessen hatte als die zwei vertrockneten Scheiben Brot, die sein Kühlschrank als eiserne Reserve noch beherbergt hatte, knurrte nun sein Magen besonders heftig.

      Udo warf die Bewerbung ein und machte sich anschließend auf den Weg zum Postamt. 530 Euro Miese hatte er laut Auszügen auf seinem Konto!

      Heute müsste das Geld von der Arge eingetroffen sein, hoffte er. Udo genehmigte sich noch eine Zigarette, bevor er das Postamt betrat, holte dann seine Bankkarte hervor um 50 Euro abzuholen. „Hoffentlich sperren die mir nicht mein Konto“, dachte er als er wartend in der Schlange stand. Und zum wiederholten Mal in den letzten Monaten sah er sich, wie er in naher Zukunft mittellos auf der Straße lebte und niemand war zur Stelle, um helfend einzugreifen...!

      „Lieber Gott, erhöre mich und lass alles gut ablaufen“, betete er jetzt lautlos vor sich hin und sein Gebet schien erhört worden zu sein. Anstandslos schob die Angestellte ihm fünfzig Euro über den Tresen. Mit flinken Fingern griff Udo nach dem Geld und verließ das Gebäude. „Puuh, Glück gehabt“.

      Udo huschte nun zum Netto herüber um seine Vorräte aufzufüllen. Fünfzig Euro in der Tasche zu haben - das war mal wieder sehr verlockend !Und obwohl Udo sehr genau wusste, dass er mit jedem Cent rechnen musste, konnte er nicht widerstehen und kaufte sich eine leckere Packung Blauschimmelkäse und zwei Tafeln teure beschwipste Schokolade. „Ich werde die Mehrausgaben einfach durch weniger Rauchen wieder einsparen!“ Diesen Selbstbetrug wollte Udo unbedingt glauben und deshalb wanderte heute auch nur ein einziges Päckchen Tabak in seinem Einkaufswagen. Scheinbar lässig zückte er seinen Geldschein und bezahlte.-

      Als Udo zurück war

      und in dem großen Mietshaus, in dem er wohnte, seine Etage betrat, sah er schon von weitem die große Plastiktüte, die dort verwaist vor seiner Wohnungstür stand.

      Nanu, was war das denn? Hatte jemand den Müll vor Udo Wohnungstür abgestellt? Mit langen Schritten ging er auf seine Wohnung zu, öffnete die Tüte und staunte: Jemand hatte gebrauchte Männerkleidung vor seine Tür gelegt.

      Wem mochte die gehören? Udo zögerte einen Augenblick, dann schloss er auf und nahm den prallgefüllten Beutel mit hinein. „Der ist ja wohl ganz offensichtlich für mich gedacht“, freute sich Udo und packte erst mal aus.

      Zwei kaum getragene Jeans kamen zum Vorschein, mehrere Oberhemden, zwei echte Cashemerepullover, Unterhosen und Strümpfe und zum Schluss: ein paar nagelneue, braune Lederschuhe!

      In Udo kroch ein warmes Gefühl der Dankbarkeit hoch. Wer mochte ihn so unverhofft beschert haben?

      Als Udo die leere Tüte zusammenfalten wollte, fiel ihm ein Zettel in die Hände: „Das sind Kleidungsstücke meines vor kurzem verstorbenen Neffen. Ich hoffe, Sie können die gebrauchen. Mit freundlichen Grüßen: Frau H.“, stand darauf in Sütterlinschrift geschrieben.“ Frau H!

      Er kannte die alte Dame aus dem Parterre nur flüchtig, mehr als ein paar oberflächliche Worte über das Wetter hatte er mit ihr nie gewechselt. Umso glücklicher machte es ihn, dass es auf dieser Welt offensichtlich

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