Der Verachtete. Marieke Hinterding

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Der Verachtete - Marieke Hinterding

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wie ein König für einen Tag! Und sein Einkauf war längst nicht so überlegt, wie sonst üblich. Es war, als sähe er das umfangreiche Angebot des Discounters zum ersten Mal, immer wieder griff er diesmal nach den etwas teureren Produkten ,doch als es an der Kasse ans Bezahlen ging folgte die Ernüchterung: Er war er mit sagenhaften 47 Euro dabei! Sein Einkaufswagen aber war nicht einmal halb voll und Udo fragte sich, wie um alles in der Welt diese hohe Rechnung zustande kam. Erst beim Vergleich mit dem Kassenzettel war ihm klar, dass er bei einigen Artikeln wohl doch besser zuerst auf den Preis gesehen hätte! Putenbrust, las er ,100 Gramm 1,19 Euro. 100 Gramm, das waren vier Scheiben! Damit konnte er gerade zwei Brötchen belegen! Schinkenwurst wäre billiger gewesen!

      Schlimmer waren die beiden Torten aus der Tiefkühltruhe- einmal Bienenstich und einmal Pfirsich-Maracuja hatte er gekauft! Jede von ihnen hatte 6,99Euro gekostet, das machte allein schon fast 14 Euro!

      Dann waren da noch der teure geräucherte Schinken, 150 Gramm zu 2,99 Euro, der echte französische Blauschimmelkäse und nicht zuletzt hatte er neben dem anderen Kleinzeug wie Brötchen, Milch, Obst oder Schokolade auch noch drei Päckchen Filterzigaretten mit eingepackt, die Schachtel für 4,20 Euro! Jetzt wunderte sich Udo über gar nichts mehr und noch ehe er den Laden verlassen hatte, tat ihm sein Einkauf von Herzen leid ...-

      „Freut uns aufrichtig, Dich mal wieder zu sehen“, so begrüßte ihn am Samstagnachmittag sein Bruder Werner und dessen Familie, „wir hoffen, wir machen keine Umstände.“

      „Das lasst nur meine Sorge sein!“, sagte Udo und bat die Gäste ins Wohnzimmer. „Es ist schon gedeckt!“.

      „Das wäre aber nun wirklich nicht nötig gewesen, wir wollen ohnehin nicht lange bleiben, wir sind quasi auf der Durchreise.“ Und dann erfuhr Udo wie ganz nebenbei, dass die Familie gerade vom Skiurlaub aus der Schweiz kam. Werner dozierte nun einige Minuten über die verstopften deutschen Autobahnen und die unverschämt überteuerten Preise auf den Raststätten, dann hatten alle Platz genommen und Udo ermunterte seine Verwandten , sich ungeniert zu bedienen und sich wie zu Hause zu fühlen. „Abgepackte Wurst?“, fragte Lars, der 14jährige Sohn der Familie. „Habt ihr hier keinen Metzger?“.

      „Es ist wegen der vielen Zusätze im Aufschnitt“, entschuldigte sich Iris, Werners Frau. „Wir essen nur Bio.“ Udo fühlte sich, als hätte er gerade eine Ohrfeige erhalten. Die teure Wurst sollte liegenbleiben, weil sie aus dem Supermarkt war!

      „Wenn ich das gewusst hätte“, sagte Udo, “hätte ich selbstverständlich auch Bio eingekauft! Bei Netto haben sie solche Sachen auch!“ Die Torten hatte Udo ohne Verpackung auf den Tisch gebracht und auf die Frage, wo sie gekauft waren, antwortete Udo schnell: „Von Konditorei Meyer, meiner Stammbäckerei!“

      Erst dann griff die Familie zu und es schien ihnen tatsächlich zu schmecken, denn die Maracujatorte war innerhalb einer Dreiviertelstunde ganz aufgegessen und vom Bienenstich waren nur noch fünf Stücke übrig.-

      Eine schleppende Unterhaltung kam in Gang und Werner berichtete von seinem aufregenden Job als Arzt in einem großen privaten Krankenhaus .Udo hing an seinen Lippen und Werner schien Udos Gefühl der Bewunderung für ihn auszukosten, denn auf Udos Frage, ob sein Dienst denn nicht furchtbar anstrengend sei, kannte Werner kein Halten mehr! Und Udo erfuhr nun nicht nur alles über die endlos langen Arbeitszeiten sondern auch Dinge aus dem Hospital, nach denen er gar nicht gefragt hatte, wie zum Beispiel , welchen Witz der Chefarzt bei der letzten Herzklappenoperation über die Patientin , die dort operiert wurde, gemacht hatte. Über die Hüftoperation einer 80jährigen machte Werner abfällige Bemerkungen und die Behandlung armer Menschen auf Kosten des Steuerzahlers lehnte er selbstgefällig ab.-

      „Und Du“, stellte Werner endlich die von Udo gefürchtete Frage, „was machst Du im Augenblick beruflich?“

      „Ich bin immer noch arbeitssuchend“, antwortete Udo und kam sich dabei bedeutungslos wie lange nicht mehr, vor. „Ich hoffe ja, auch einmal etwas für mich Passendes zu finden.“

      “Du bist ja schon ziemlich lange auf der Suche, wenn ich mich recht erinnere, warst Du doch bei unserem letzten Treffen auch schon ohne Arbeit. Wie lange geht das schon so?“, wandte sich Iris nun an Udo.

      Udo wurde rot, denn er hatte den Verdacht, dass diese Frage , die seines Erachtens keineswegs mitfühlend gemeint war , seiner Verwandtschaft einzig dazu dienen sollte, Udo nun dazu zu bewegen sein eigenes Versagen einzugestehen und ihm gleichzeitig das Gefühl zu geben, dass er zum Ausgleich dafür stolz auf einen Bruder wie Werner sein konnte.

      „Ziemlich lange geht`s schon so“, antwortete Udo und drückte seine Zigarette aus. „Der Arbeitsmarkt ist halt überlaufen.“

      „Die meisten allerdings haben keine Lust!“, meinte Werner. „Die finden immer eine Möglichkeit, sich zu drücken! Die stellen sich dann einfach dumm und werden wieder gefeuert! So kommt man auch durchs Leben...!“-

      Sein eigener Bruder beteiligte sich also auch an der bundesweit ausgebrochenen Faulenzerdebatte, dachte Udo. Fühlte er sich von vielen Menschen in dieser Stadt nicht schon gehetzt genug?

      Musste sich sogar die eigene Verwandtschaft aufwerten, indem sie ihn abwertete? Udo wollte keinen Streit vom Zaun brechen, er schwieg und ließ Iris und Werner noch eine Weile schwadronieren, dann entschuldigte er sich und bat die Familie höflich, aufzubrechen. Er habe unerträgliche Kopfschmerzen und müsse sich dringend hinlegen.

      „Wir wollten sowieso gerade gehen“, erwiderte Iris, „aber wir hoffen, Du hast unsere Meinung über Arbeitslose nicht auf Dich bezogen. Wir wissen doch, dass Du ehrlich bemüht bist und einfach viel Pech hattest!“

      „Das weiß ich doch, dass Ihr mich damit nicht gemeint habt!“, sagte Udo tapfer, doch er hätte schreien mögen, denn selbst Iris letzten Worte klangen wie blanke Ironie.-

      Nach dem Geschirrspülen

      am späten Abend nahm Udo den vorangegangenen Besuch seines Bruders zum Anlass, intensiv über sein Leben nachzudenken:

      Nach der neunten Klasse mit einem schlechten Hauptschulabschluss vom Gymnasium geflogen - das war die erste bittere Pille, die er hatte schlucken müssen! Nicht, dass er faul war, nein er war ganz einfach mit seinen Mitschülern nicht zurecht gekommen und hatte daraufhin ganz aufgegeben.

      Im Unterricht selbst hatte er sich nie als Leuchte hervorgetan, er war still und meldete sich nie zu Wort .Auch dann nicht, wenn der Lehrer sich mit einer Frage direkt an ihn wandte. „Debiler Schwachkopp“ war irgendwann sein Spitzname in der Schule. Und er wurde von fast allen Klassenkameraden auch nicht anders angesprochen, weder im Unterricht noch auf dem Schulhof. Er fühlte sich dieser Beschimpfung damals jeden Tag aufs Neue hilflos ausgeliefert! Gleichwohl war er sehr darauf bedacht, dass niemand außerhalb der Schule von diesem Spitznamen erfuhr, zu sehr hatte er sich dafür geschämt!

      Wie wäre sein Leben verlaufen, wenn er etwas selbstbewusster gewesen wäre, überlegte er selbstkritisch und ließ nun ein Leben Revue passieren, wie er es gerne gehabt hätte. Mit sehr gutem Abitur hätte er ganz ohne Probleme Germanistik studiert oder Soziologie und anschließend sofort eine Stelle als Lehrer gefunden, eine Frau kennengelernt, geheiratet, zwei Kinder bekommen, ein Haus gebaut. Und er wäre zwei Mal im Jahr in Urlaub gefahren: nach Südfrankreich im Sommer und nach Österreich im Winter. Und ein Engagement für Greenpeace und die örtliche Neusser Tafel hätte da auch noch dringesessen!

      Udo steigerte sich nun für mindestens eine Viertelstunde in seinen Traum über einen gelungenen Lebenslauf hinein und kam erst dann wieder zu Besinnung, als er die vorletzte seiner Zigaretten auf geraucht hatte.

      „Auch

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