Der Verachtete. Marieke Hinterding

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Der Verachtete - Marieke Hinterding

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S-Bahnen dorthin. Wenn Sie Interesse haben, machen wir den Arbeitsvertrag gleich fertig und sie können Montag anfangen...“

      Udo begann, innerlich zu jubeln. So einfach war das also: Man füllte ein Papier aus und schwupp-diwupp hatte man einen Arbeitsplatz! Und die unangenehmen Fragen nach irgendwelchen Arbeitszeugnissen vorheriger Arbeitgeber waren auch ausgeblieben!-

      Der Chef kramte einen Vertrag aus der Schublade und begann, ihn auszufüllen. „Stundenlohn sind 6,00 Euro brutto“, sagte er nebenbei, „in den ersten 3 Monaten zahlen wir allerdings nur 5.40 Euro. Außerdem ziehen wir Ihnen eine Kaution von 30 Euro für Sicherheitsschuhe vom ersten Lohn ab. Die bekommen Sie aber wieder, wenn Sie bei uns aufhören.“

      5,40 Euro. Das war verdammt wenig! Im Kopf rechnete er sich schnell seinen ungefähren Wochenverdienst aus: 5.40 Euro multipliziert mit vermuteten 40 Wochenstunden, das waren:216 Euro brutto. Davon ging dann wohl noch so einiges an Sozialabgaben ab, dachte Udo ernüchtert. Viel mehr als Hartz 4 war das auch nicht, aber trotzdem: Diese Chance wollte er nutzen und alles, wirklich alles war ihm lieber als diese verfluchte Abhängigkeit vom Staat!

      Herr T. reichte ihm jetzt den Vertrag zur Durchsicht und Unterschrift.

      Udo las: Früh- und Spätschicht sollte er machen. Arbeitsbeginn der Frühschicht war 6.00Uhr morgens. Wie um alles in der Welt sollte er bis 6.00 Uhr in der Früh im Gewerbegebiet Grevenbroich sein? Er wohnte in einem Vorort und der erste Bus zum Bahnhof Neuss fuhr erst gegen 5.45 Uhr.

      Er würde das Fahrrad nehmen zum Bahnhof, überlegte er, dann wäre es zu schaffen.- Urlaubs- und Weihnachtsgeld war nicht vorgesehen, ebenfalls keine Sonderzulagen für Überstunden und eventuelle Nachtarbeit, alles war mit 6.00 Euro brutto in der Stunde abgegolten.

      26 Urlaubstage standen Udo laut Vertrag zu, immerhin waren das 5 Wochen. Punkt für Punkt ging Udo den Vertrag durch und obwohl er etwas enttäuscht war vom finanziellen Aspekt, schluckte er die Kröte und unterzeichnete.

      Danach unterwies ihn der Chef in den Sicherheitsbestimmungen des gewerblichen Betriebs, händigte ihm die Sicherheitsschuhe und ein paar Stundenzettel aus und entließ ihn mit der Hoffnung auf gute Zusammenarbeit aus seinem Büro.-

      Udo schnappte tief Luft, als er wieder draußen war, dann zündete er sich eine seiner selbst gestopften an: Der Vertrag hatte es in sich! Das waren ja Stundenlöhne wie für einen 16 jährigen Schüler!

      Der Traum, sich von seinem Lohn ein wenig anzusparen, war jedenfalls geplatzt. Desillusioniert lief Udo durch den immer noch strömenden Regen zur Bushaltestelle.-

      Sonntagnachmittag regten sich in Udo die ersten Bedenken, ob er dem Job gewachsen sein würde: Platinen bestücken, das erforderte doch sicher eine gewisse Fingerfertigkeit. Ob er wohl Grundkenntnisse der Elektronik benötigte?, fragte er sich bange, dann aber überwog die Hoffnung. „Die Arbeit muss zu schaffen sein, man muss es nur wollen!“, redete er sich ein und dann stellte er sich vor, wie er in der Firma im Akkord Platinen bestückte, als hätte er nie etwas anderes getan.

      „Es wird gutgeh`n“ sagte er sich und verwarf seine Ängste und Sorgen bis zum nächsten Morgen.-

      Um 4 Uhr in der Früh

      riss ihn der Wecker aus seinem oberflächlichen Schlaf und Udo quälte sich müde aus dem Bett. Wieder hatte er gestern zu viel geraucht und dafür nachts die Quittung bekommen. Er hatte fast ununterbrochen gehustet und nur eine Stunde geschlafen.

      Udo wankte schlaftrunken in die Küche und machte sich einen Kaffee. Den hatte er sich, trotz seiner miserablen finanziellen Lage, ausnahmsweise erlaubt. Gleich am Samstagnachmittag hatte er für satte 10 Euro bei Netto eingekauft, in der Hoffnung, sein Konto mit seinem zukünftigen Verdienst wenigstens im Laufe der nächsten 4 – 5 Monate ausgeglichen zu haben.

      Mit schlechtem Gewissen zündete sich Udo eine seiner selbst gestopften an und kaum hatte er den Rauch in der Lunge hustete er wieder. Mehrere Minuten lang dauerte der Anfall und Udo rang nach Luft, während er zum Fenster lief und es aufriss. Er atmete jetzt mehrmals tief ein und aus. ..

      Das hatte geholfen und Udo war, wie so oft in solchen Situationen, wütend auf sich selbst und schimpfte sich willensschwach und selber schuld an seinen Krankheiten. Dann aber stellte er sich unter die Dusche. Es war sehr kalt in der Wohnung, denn Udo hatte aus Kostengründen nicht geheizt und so absolvierte er im Eiltempo sein Körperpflegeprogramm, zog sich an und trank seinen Kaffee.

      4:15 Uhr war es jetzt, Udo hatte noch eine Viertelstunde, ehe er aufbrechen musste. Sein Herz begann zu klopfen vor Aufregung und Ungewissheit, wenn er an seinen zukünftigen Arbeitsplatz dachte und sein Blick streifte immer wieder die Tabakdose, die halb leer auf dem Tisch stand.

      Eine einzige Zigarette, um die Angst zu betäuben, wollte er sich nun doch noch genehmigen. Wenn er nicht so tief inhalierte, würde es schon ohne Husten gehen und so zündete er sich wider besseren Wissens doch noch eine an. Diesmal hustete er nur wenig und er beschloss, den Tabak mitzunehmen zur Arbeit, obwohl er sich vorgenommen hatte, wenigstens während der Arbeit nicht zu rauchen.-

      Die Fahrt mit dem Fahrrad zum Neusser Hauptbahnhof war beschwerlich. Sturm und Regen peitschten ihn endgültig wach und er brauchte fast eine Dreiviertelstunde, ehe er sein Ziel Schweiß überströmt und völlig außer Atem erreicht hatte. Udo `s Herz geriet aus dem Rhythmus, wie in letzter Zeit so oft und er bekam einen Augenblick beklemmende Angstzustände, als er sein Rad in den Fahrradständer schob und anschloss. Dann aber spürte er sein Herz nicht mehr und er beruhigte sich.

      Udos nasse Kleidung klebte ihm am Körper und er fröstelte, als er das Bahnhofsgebäude betrat. Er warf einen Blick auf den Fahrplan. 5Uhr 25 würde der Zug nach Grevenbroich abfahren. Gleis 6. Es war jetzt 5 Uhr 15, er hatte noch zehn Minuten Zeit. „Das reicht für eine letzte Zigarette“, dachte er.

      Aber zuvor musste er noch die Fahrkarte lösen. Udo hatte am Samstag dreißig Euro extra abgehoben von seinem überschuldeten Konto, um den Fahrschein bezahlen zu können und so steckte er jetzt einen Zehn-Euroschein in den Geldschlitz, drückte sein Fahrtziel und wartete , bis der Automat Fahrkarte und Wechselgeld ausspuckte. Schließlich steuerte er Gleis 6 an, setzte sich in die Raucherzone und drehte sich eine Zigarette...-

      Pünktlich rollte der Zug in den Bahnhof ein. Udo stieg ein und die Wärme im Abteil des Zuges ließ ihn jetzt deutlich spüren, wie unangenehm klamm seine Kleidung war. Wie lange es wohl dauern würde, bis seine Sachen getrocknet waren...?

      Jetzt übermannte ihn Müdigkeit. Udo schloss einen Moment die Augen und stellte sich vor, in einem warmen Bett zu liegen. Die monatelange Schlaflosigkeit forderte ihren Tribut. Udo stand nun auf und verließ das Abteil. Er zog es vor, die Fahrt im Stehen fortzusetzen, weil er befürchtete, sonst einzuschlafen.

      Um 5 Uhr 50 hielt der Zug endlich im Gewerbegebiet Grevenbroich. Udo stieg aus und lief auf den Firmenpark zu. Dicht standen die Betriebe auf einer einzigen langen Straße zusammen .Aufmerksam studierte Udo nun die Namen der einzelnen Firmen, die Hinweisschilder waren Gott sei Dank gut beleuchtet und so brauchte er nicht lange, bis er „seine“ Firma gefunden hatte: die Grevenbroicher Werke für Solarschaltkreise.

      Udo sah auf die Uhr: Es war bereits 2 Minuten vor 6 Uhr er musste sich sputen, wenn er seinen Arbeitsplatz rechtzeitig erreichen wollte. Er sah zum Parkplatz herüber, der bereits bis auf den letzten Platz besetzt war, dann suchte er mit den Augen das weitläufige Gebäude nach dem Werkstor ab. Gespenstisch ruhig war es auf der Außenanlage, niemand war da, den er hätte fragen können und so lief er einmal um den Betrieb herum, ehe er den Eingang fand. Hell erleuchtet war es, sein Weg führte

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