Der Verachtete. Marieke Hinterding

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Der Verachtete - Marieke Hinterding

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schienen, nach, wie sie den Gang verließen.

      Ein bulliger Mann mit kurz geschorenen Haaren kam den Zweien entgegen und er steuerte, langsam und mit wachen Augen alles beobachtend, auf den Gang mit der Zimmernummer 110 zu. Der Blick des Bulligen schien die Personen, die sich auf dem Gang aufhielten , nur nebensächlich zu streifen, aber die Aufschrift, die der Mann auf dem Rücken seines T-Shirts trug, verriet den Anwesenden, dass sie keineswegs nur eine Nebensache für ihn waren, sondern dass er alle sehr wohl im Blick hatte und dass er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln dafür Sorge tragen würde, dass Ruhe und Ordnung herrscht auf den Gängen dieser staatlichen Behörde. “Security“, las Udo S., als der Mann an ihm vorüberging.-

      Endlich, nach weiteren 5 Minuten, steckte Frau B. ihren Kopf aus der Tür: „Herr S.“, forderte sie Udo kurz und knapp auf. Schnell erhob sich Udo und folgte Frau B. mit klopfendem Herzen in das Büro.

      „Lieber Gott“, dachte er, „lass alles gut ablaufen.“ Gleichzeitig aber beschloss er, sich darauf einzustellen, dass heute nicht alles gut ablief und die Ahnung, die er am Wochenende hinsichtlich des Verlaufs seines Besuches bei der Arge gehabt hatte, trog ihn diesmal nicht.

      „Nehmen Sie Platz“, sagte sie, während sie sich geschäftig dem Computer widmete, um seine Daten abzurufen. Udo setzte sich Frau B. gegenüber vor den großen Schreibtisch. Nur einen kurzen Moment brauchte Frau B, dann forderte sie ihn auf, ihr seine Bewerbungen vorzulegen. Udos Hand zitterte, als er Frau B. seine fünf Bewerbungen vorlegte und es herrschte eine für Udo fast unerträgliche Spannung, als sie schweigend und mit kritischem Blick, in Udos akkurat geschriebenen Bewerbungsnachweisen blätterte. Langsam und aufmerksam studierte sie jede einzelne Adresse der von Udo angeschriebenen Firmen. Nicht ein Wort des Unmuts kam über ihre Lippen und Udo wollte sich gerade der Hoffnung hingeben, dass seine ganzen Befürchtungen umsonst gewesen waren, als sie die unerträgliche Stille unterbrach: „Und wo sind die anderen Bewerbungen?“

      Jetzt hatte sie ihn! Stand jetzt seine gesamte Existenz auf dem Spiel?

      Udo bekam plötzlich beklemmende Angstzustände und er brachte nur noch tonlos hervor: „Das ist alles, was ich gefunden habe.“ Udo sah sich bereits obdachlos und nach Pfandflaschen suchend auf der Straße leben und er hörte nur noch mit halbem Ohr hin, als Frau B. mit erhobener Stimme zu dem ansetzte, was er immer gefürchtet hatte : Eine nicht enden wollende Tirade darüber, dass der Steuerzahler seit langer Zeit für seinen Unterhalt aufkäme und er die Pflicht habe, seinen Zustand mit aller Kraft zu beenden. Die Zeitungen seien voll mit Stellenanzeigen, hörte er sie sagen, und die Behörde sei nicht gewillt, Untätigkeit zu unterstützen!

      Udo ließ die Worte über sich ergehen und er fühlte sich, wie er sich zuletzt als Schüler gefühlt hatte, als er dem Lehrer seine nicht gemachten Hausaufgaben damit erklären wollte, dass er sein Heft vergessen habe.

      Nicht, dass er die Hausaufgaben nicht hatte machen wollen, aber er hatte die Aufgaben nicht begriffen und nachzufragen hatte er sich im Unterricht nicht getraut, denn der Lehrer war streng, und manchmal setzte es sogar Hiebe. Der Lehrer aber hatte ihm schließlich den gesamten Inhalt seiner Schultasche auf den Tisch gekippt und ihm befohlen, das Heft zu suchen. Selbstverständlich hatte er als Schüler das Heft zuhause liegenlassen und es war eine furchtbare seelische Tortur für ihn, während der gesamten Unterrichtsstunde nach etwas zu wühlen, von dem er genau wusste, dass es nicht da war. Sagen durfte er aber nichts, denn dann wären die gefürchteten Schläge garantiert gewesen! Und so sagte er auch nichts zu dem Verbal Angriff von Frau B. Und wie damals, als er hoffte, dass die Schulstunde bald vorbei sein möge, wartete er nun sehnsüchtig darauf, endlich von Frau B. verabschiedet zu werden. „Sie hören von uns!“, sagte sie endlich die erlösenden Worte, und Udo S. erhob sich schließlich von seinem Stuhl und verließ mit hochrotem Kopf den Raum.

      „Security“. Kaum hatte Udo seinen Fuß aus der Tür gesetzt, begegnete ihm wieder der Bullige von vorhin. Aufreizend langsam schlenderte der Ordnungshüter ihm einige Schritte voraus in Richtung Ausgang. Udo passte sich dem langsamen Tempo des Mannes an und blieb, um ihn nicht überholen zu müssen, dicht hinter ihm.-

      Für solche Leute wie ihn waren die Wachen im Amt bestimmt nicht engagiert, dachte er. Da gab es ganz andere Kaliber! Und obwohl er persönlich noch nie so einem begegnet war, wusste er, dass es bestimmt eine ganze Reihe Typen gab, die richtiggehend aggressiv wurden, wenn Angestellte wie Frau B. ihnen so unverblümt daherkamen, wie sie es bei ihm getan hatte. Dass sie da eines besonderen Schutzes bedurfte, war aus seiner Sicht nur allzu verständlich...

      Udo atmete tief ein. Einmal, so wünschte er sich, wie wäre das schön, wenn Sachbearbeiter wie Frau B auch nur einmal so viel Respekt vor ihm hätten, wie vor den Aggressiven.

      Genüsslich malte er sich aus, wie die Vorsprache wohl verlaufen wäre, wenn er mit der Faust auf den Tisch gehauen hätte und ihr ganz unverhohlen seine Meinung gesagt hätte. Wäre sie dann auf ihrem Stuhl zusammengesunken und hätte sich am liebsten unsichtbar gemacht?

      Dann wäre es ihr einmal so gegangen wie ihm! Und bildlich stellte er sich jetzt vor, wie er ihr schlagfertig und wortgewandt Paroli geboten hätte und sie dann völlig hilflos und mit ihm überfordert zurückgelassen hätte.

      Diese Vorstellung bereitete ihm nun den Gipfel des Genusses und er wollte sich gar nicht trennen vom inneren Bild der unglücklichen Frau B. Udo gab sich einen Ruck: Nein, er war es nicht. Er war weder schlagfertig noch wortgewandt und auch nicht zu der geringsten Aggression fähig. Er war in der Realität zurück. Gesenkten Kopfes verließ er die Arge und lief Richtung Bahnhof.-

      Eine Woche später:

      Udo hatte sich gerade ein neues, billiges Päckchen Tabak gekauft, als er vor der Eingangstür des großen Mietshauses, in dem er wohnte , den Briefträger hantieren sah, der den Bewohnern, wie immer, routiniert die Post einwarf. Ob heute Post von der Arge dabei war? Udo betrat das Haus und wartete. Wartete darauf, dass das Klappern der Briefkästen ein Ende hatte und der Briefträger seine Arbeit getan hatte. Dann öffnete er seinen Kasten.

      Zwei Briefe waren heute dabei. Der eine war, wie befürchtet, von der Arge, der andere von den Stadtwerken.

      In seiner Wohnung angekommen, riss Udo den Umschlag mit dem Arge-Brief auf. Er schluckte: Die Leistungsabteilung hatte ihn, wie schon erwartet, mit Sanktionen belegt. Dreißig Prozent seiner Bezüge sollten ihm für drei Monate gestrichen werden. Weil er seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen war, hieß es. Außerdem wurde ihm schließlich mit weiteren Kürzungen gedroht, sollte er weiterhin nicht alles tun, seine Arbeitslosigkeit zu beenden. Udo setzte sich in seine kleine Küche und stopfte sich eine Zigarette: Dreißig Prozent von 347 Euro. Das waren, 104 Euro. 347 Euro weniger 104 Euro, das machten noch 243 Euro. Davon musste er abziehen:30 Euro für seine Internet und Telefonflatrate und 90 Euro für Strom und Gas. Das machte dann:123 Euro monatlich für Essen, Trinken, Kleidung, Tabak und Sonstiges. 123 Euro geteilt durch 30 Tage: 4 Euro und genau 10 Cent täglich!

      Udo rauchte bereits die zweite Zigarette, als ihm einfiel, dass im Flur noch der Brief von den Stadtwerken lag. Was wollten die schon wieder?

      „Lieber Gott“, dachte er, „lass es keine Rechnung sein!“ Sein Gebet aber wurde nicht erhört. Eine Nachzahlung sollte er leisten von sage und schreibe 100 Euro! Außerdem waren ab dem nächsten Monat höhere Abschlagszahlungen fällig. Jeden Monat sollte er jetzt fast 100 Euro zahlen! Udo war verzweifelt.

      Wo sollte er das Geld nur hernehmen? Er hatte keinerlei Ersparnisse und er wusste niemanden, der ihm Geld hätte leihen können. Die einzige Idee, die er hatte, war, sein Konto zu überziehen. Ja, das war die Rettung! Er würde das Geld einfach überweisen, auch wenn sein Konto nicht gedeckt war!

      Das

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