Der Verachtete. Marieke Hinterding

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Verachtete - Marieke Hinterding страница 8

Автор:
Серия:
Издательство:
Der Verachtete - Marieke Hinterding

Скачать книгу

als hätte er bereits eine Doppelschicht hinter sich gebracht.

      Und wieder geriet sein Herz einen Moment aus dem Rhythmus. Er konnte nicht mehr. Traurig sah er zu Frau Schulz rüber, aber ihr Platz war leer. Stattdessen stand der Meister dort und blickte ihm nun geradewegs in die Augen.

      Wie lange stand der schon dort? Ob er ihn beobachtet hatte? Udo hustete nun solange, bis er würgte, sein Herz schlug schnell. Das hatte der Meister doch mitbekommen und Udo hoffte, dass er sich erbarmte und ihm einen anderen Arbeitsplatz zuwies, aber nichts geschah. Ungerührt verschwand der Vorgesetzte wieder und überließ Udo seinem Schicksal...

      Udo dachte jetzt darüber nach, wie er diesem Arbeitsplatz möglichst unbeschadet entrinnen konnte. Wenn er jetzt einfach nach Hause ging, wäre er die Stelle wohl los, aber seine Befürchtungen, eine Leistungskürzung zu riskieren, waren groß, so dass er innerlich wankte.

      Ein Attest musste her. „Ich werde mich krankmelden“, flüsterte er vor sich her, ließ die Platinen Platinen sein, schnappte sich seine Tasche mit dem Wasser und meldete sich im Meisterbüro ab. Der Chef sah ihn abwertend an, gab aber keine Antwort, sondern winkte ihn bloß wortlos aus dem Büro.

      Wieder vor dem Werkstor

      Udo war erleichtert, als er endlich wieder vor den Toren des Werkes stand. Sogar die Sonne ließ sich nun hin und wieder zwischen den dicken, herbstlich schnell jagenden Wolken blicken...-

      „Jetzt nach Hause fahren und schlafen!“, sehnte sich Udo, aber zunächst einmal hatte er allerlei Erledigungen zu tätigen. Zuerst wollte er den Arztbesuch hinter sich bringen und dann der Zeitarbeitsfirma T. Bescheid geben. Zehn Minuten später hatte Udo das Gewerbegebiet verlassen und befand sich auf dem Bahnhof Grevenbroich.

      Udo setzte sich auf die Bank am Bahnsteig Richtung Neuss. Seine Beschwerden waren fast verschwunden, er hustete nicht mehr. Nur das leichte Druckgefühl im Brustkorb war geblieben. Er holte seinen Tabak hervor: Verflucht! Musste das jetzt sein?, fragte er sich und angesichts seines plötzlichen Verlangens nach einer Belohnung für überstandene Strapazen, war ein „Ja“ die einzig mögliche Antwort.

      Eine Viertelstunde später saß er im Zug nach Neuss und Udo bekam es wieder mit der Angst zu tun: Was, wenn der Arzt nichts fände und ihn ohne Attest aus der Praxis entließe? Er hätte in dem Fall nichts vorzuweisen, was seine Beschwerden ganz offiziell bestätigte. Würde er dann entlassen und bei der Arge vorstellig werden, könnte man ihm vielleicht einen Strick daraus drehen und ihm die Leistungen erneut kürzen? Und: Selbst wenn die ihm sofort kündigten, wäre er trotzdem verpflichtet, seine Arbeitsaufnahme bei den Behörden zu melden!

      Der Papierkram! Es war nicht auszudenken, was da an Antragsflut auf ihn zukommen würde – andererseits: Vielleicht bliebe das eintägige Arbeitsabenteuer unbemerkt, es wäre durch Udos Verschweigen niemandem ein Schaden entstanden. „Wenn sie mich aber nun doch behalten wollen?“

      Udos Gedanken drehten sich im Kreis, bis er Neuss erreicht hatte.

      „Jetzt erst zum Arzt!“, dachte er, als er sein Fahrrad aus dem Ständer hob. Einhändig und mit brennender Zigarette schlängelte er sich zwischen den Autos entlang der Hauptstraßen.

      Es war 14 Uhr 15, als er endlich vor der Praxis seines Hausarztes stand. Um 15 Uhr war Sprechstunde wie bei allen Ärzten in der Umgebung und Zweifel über den Krankheitswert seiner Beschwerden wechselten sich nun ab mit düstersten Selbstdiagnosen und aussichtslosen Prognosen für die Zukunft:

      Wie lange hatte er noch? Seit Jahren schlug er sich mit chronischem Husten herum - wer wusste, ob nicht bereits ein Tumor in ihm wucherte! Udo fing an zu schwitzen: So genau wollte er es wirklich nicht wissen! Aber was war, wenn der Doktor auf einer Röntgenaufnahme bestand? Udo lief vor der Praxis auf und ab und um 14 Uhr 45 hatte er seit seiner Ankunft dort bereits wieder vier Zigaretten geraucht.

      Mittlerweile hatten sich noch drei andere Patienten eingefunden, zwei alte Damen und eine Frau mittleren Alters. Zusammen warteten sie jetzt noch einige Minuten vor der Tür, bis endlich von drinnen geöffnet wurde. Nach kurzer Schilderung seiner Symptome wurde Udo mit den Worten: „Sie sind ohne Termin. Das kann ein Weilchen dauern“, in das Wartezimmer verwiesen.

      Geduldig setzte sich Udo, er versuchte sich in die ausliegenden Zeitschriften zu vertiefen, aber immer wieder schweiften seine Gedanken ab und er fragte sich, wie es nun weitergehen sollte mit ihm. Für Udo war die Sache gelaufen: Erst versagt beim Löten und Produktionsausfall verursacht und dann zu krank für die einfachen Sachen! Nein, das machte keine Firma mit! Und schon gar nicht am ersten Tag!

      Und trotzdem musste er jetzt hier sitzen und so tun, als glaubte er ganz fest an eine Weiterbeschäftigung.

      Udo hüstelte nur schwach und das war ihm im Moment gar nicht recht. Ein starker Husten würde das Personal und den Arzt beeindrucken, er aber hatte seiner Ansicht nach ausgerechnet in diesen Momenten beim Arzt nichts vorzuweisen, was ein Attest rechtfertigen könnte. Das Wartezimmer hatte sich inzwischen bis auf den letzten Platz gefüllt und alle waren scheinbar mit Termin da, denn Udo saß geschlagene zwei Stunden, ehe er in das Sprechzimmer gerufen wurde.

      „Akute Bronchitis“, lautete die knappe Diagnose des Arztes, als der ihn abgehört hatte. Udo fielen gleich mehrere Steine vom Herzen. Er hatte anstandslos ein Attest bekommen und war eine ganze Woche krankgeschrieben. Und er musste seine Lunge nicht röntgen lassen.

      „Was für ein Glück“, dachte er, als er die Praxis verlassen hatte: „Wenn ich nämlich Krebs habe, möchte ich das lieber nicht wissen!“ Aber, wer wusste, vielleicht war seine Lunge ja noch gar nicht zerfressen von einem Tumor. Sicher hätte der Doktor gemerkt, wenn er ernsthaft erkrankt wäre. Dass die Röntgenaufnahme unterblieben war, konnte man doch nur als ein gutes Zeichen werten. Udo drehte sich jetzt eine Zigarette und rauchte sie genüsslich. „Wenn ich dieses Päckchen Tabak auf geraucht habe, werde ich endgültig aufhören. Man soll das Schicksal nicht herausfordern...!“ -

      Jetzt galt es erst mal, Zeitarbeitsfirma T. anzurufen und sich telefonisch krank zu melden. „Das Attest werde ich morgen abschicken“, dachte er und schwang sich auf sein Fahrrad.

      Um ungefähr 17 Uhr 30

      betrat Udo S. seine Wohnung an diesem Abend wieder. Es war bereits dunkel und unangenehm kalt und Udo knipste in Flur und Wohnzimmer das Licht an. Heizen wollte er aber noch nicht .Er hatte sich ganz fest vorgenommen, die Heizung nur für drei Stunden am Tag aufzudrehen und das auch nur, wenn es unumgänglich war und so beschloss er angesichts der recht frühen Abendstunden, erst um 20 Uhr zu heizen, sonst war die Wärme verflogen ehe er es sich vor dem Fernseher bequem machen konnte. Udo holte einen dicken Pullover aus seinem Kleiderschrank und zog ihn über, dann machte er sich daran, die Telefonnummer von Zeitarbeitsfirma T. herauszusuchen, aber erreicht hatte er nur den Anrufbeantworter. Er gab Namen, Telefonnummer und Grund seines Anrufes an, dann hatte er für diesen Tag seine Schuldigkeit getan...-

      „Jetzt erst mal was essen!“ Udo hatte seit der Frühstückspause im Betrieb keinen Bissen mehr zu sich genommen und sein Magen knurrte schon den halben Tag. Aber im Kühlschrank fand sich nur ein angebrochenes Päckchen Quark, etwas Marmelade und eine Scheibe Kochschinken. Udo kramte in seiner Hosentasche: Von den dreißig Euro, die er an diesem Morgen mitgenommen hatte, waren ganze zwei Euro übriggeblieben. Fahrtkosten für die S- Bahn und dann auch noch -unvorhergesehenerweise - die Praxisgebühr beim Arzt hatten fast alles verschlungen.-

      Die letzten zwei Euro, die er heute noch ausgeben musste! Und keine Aussicht darauf, dass seine finanzielle Lage sich besserte! Erschöpft vom ständigen

Скачать книгу