Der Verachtete. Marieke Hinterding

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Der Verachtete - Marieke Hinterding

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das Rezept hervor, das ihm der Doktor ausgestellt hatte, warf einen Blick darauf und warf es wehmütig in den Karton mit Altpapier, den er in einer Flurecke stehen hatte. Nein, für Medizin war nun wirklich kein Cent mehr übrig! Wer wusste, ob das Rezept nicht Zuzahlungs-pflichtig war? ...-

      In dieser Nacht hielt ihn nicht nur der Husten wach, er bekam auch noch hohes Fieber. Schwitzend kroch er schließlich mitten in der Nacht aus seinem warmen Bett und fahndete in seinem Medikamentenschrank nach einem Fieberthermometer, klemmte es sich unter die Achsel und wartete fast sieben Minuten auf den Piepton: 39,0 Grad! Das war hohes Fieber und er hatte nichts im Haus, um die Temperatur zu senken! Udo kam nun auf die Idee, sich ganz einfach kalte Umschläge zu machen. Er zog zwei große Handtücher aus dem Schrank, hielt sie unter fließendes kaltes Wasser und wrang sie aus. Dann wickelte er sich die Handtücher um die Waden und setzte sich ins Wohnzimmer, das intensiv nach abgestandenem Rauch roch. Er hustete.

      Gern hätte er gelüftet, aber er wollte die spätherbstliche Kälte nicht hereinlassen. Das hätte nämlich erneutes, sofortiges Heizen bedeutet, sonst wäre es in der Wohnung zu kühl für einen Kranken gewesen, denn die Raumtemperatur betrug jetzt schon nur 15 Grad. . Vom Fieber benebelt saß Udo eine geschätzte Dreiviertelstunde auf der Couch, aber die Temperatur wollte trotz der kalten Umschläge nicht weichen, zudem verspürte er nun einen unerträglichen Durst. Mit letzter Kraft suchte er ein zweites Mal seinen Medikamentenschrank durch und wurde schließlich doch noch fündig: In einem fast leeren Blister befanden sich noch zwei Paracetamol. Udo holte sich ein großes Glas Leitungswasser und leerte es mit einem Zug, dann füllte er nach und nahm das Medikament ein.

      Er schleppte sich jetzt wieder ins Wohnzimmer und nach einer halben Ewigkeit fühlte er sich endlich besser. Udo schaltete den Fernseher ein und tauchte für einige Stunden ein in die Welt der Schönen und Superreichen, die gerade in einer Sendung über Very Important Persons auf einem Privatkanal lief.

      „Eigentlich ist es immer dasselbe mit denen“, dachte er. „Im noblen Restaurant können sie sich nicht entscheiden zwischen den winzigen Portionen Kaviar oder Hummer, die sie für so viel Geld ordern, dass ich vermutlich zwei Wochen davon einkaufen könnte.

      Und an ihren exklusiven Urlaubsorten sind sie eifrig bedacht, für die yellow-press im Gespräch zu bleiben. Halbnackt, und so attraktiv wie der Schönheitschirurg sie geschaffen hat, sonnen sich die Luxusweiber auf millionenschweren Yachten von Vielfachmillionären und Milliardären, die ihrerseits wieder darauf bedacht zu sein schienen, dass alle Welt erfährt, was ihre jeweiligen „Traumschiffe“ gekostet haben.“ Abstoßend und dekadent fand Udo die Informationsvermarktung der persönlichen und finanziellen Verhältnisse der Schwerstreichen durch das Fernsehen und irgendwann in den frühen Morgenstunden war er auf dem Sofa eingeschlafen.-

      Drei Tage später kam per Post die Kündigung.

      Fristlos, hieß es in dem Schreiben! Weil er der Firma unentschuldigt ferngeblieben war!

      Udo war fassungslos. Er hatte Zeitarbeitsfirma T. das Attest unverzüglich zugesandt, so wie es im Arbeitsvertrag bei solchen Vorkommnissen festgeschrieben war. Und er war davon ausgegangen, dass die Zeitarbeitsfirma den Betrieb unterrichtete...

      Fristlos - das hieße, er bekäme sein Hartz 4 gekürzt! Zum zweiten Mal in Folge...

      Udo dachte nach: Noch hatte er die Arge nicht unterrichtet über seine Arbeitsaufnahme. Widerrechtlich, das musste er zugeben, aber er hatte sich einfach zu schwach gefühlt um irgendwelche behördlichen Interaktionen zu starten. „Wenn die mir jetzt Geld überweisen für den einen Arbeitstag, m u s s ich die Arge von dem kurzen Beschäftigungsverhältnis unterrichten, sonst gelte ich möglicherweise als Betrüger. Also werde ich auf das Geld verzichten“.

      Jawohl, das war die Lösung! Udo nahm den Telefonhörer in die Hand und wählte die Nummer der Zeitarbeitsfirma T., die er sich auf einen Zettel notiert hatte und erklärte der verdutzten Büroangestellten des Unternehmens seinen Verzicht auf den Lohn.-

      Udo war fleißig in den darauffolgenden Tagen. Fast ununterbrochen hatte er im Internet nach Stellenangeboten gesucht doch es war schwerer als man glauben mochte, auch nur drei für ihn passende Angebote herauszufiltern; eine Sisyphusarbeit, die höchste Konzentration erforderte! Und keine einzige seiner Bemühungen war von Erfolg gekrönt!

      Wenn er doch wenigstens einen Nebenjob bekäme! Aber selbst als Zeitungsbote schien man heute Qualifikationen zu brauchen!-

      Hin und wieder warf er auch einen Blick auf seinen Kontostand. Mehrere hundert Euro betrug sein Saldo - nach wie vor, doch Gott sei Dank war der Schuldenberg wenigstens konstant geblieben und nicht noch gestiegen. Obwohl die Arge ihm wieder das Geld in voller Höhe überwies, war das keine Selbstverständlichkeit! Udo zündete sich eine Zigarette an und dachte mit Schrecken daran, dass heute Post von seinem Vermieter gekommen war. Mit der Kippe im Mund holte er den Brief aus dem Flur und öffnete ihn.

      „Mieterhöhung“, war das erste, was er zu lesen bekam. Sein Herz zog sich zusammen, als er weiter las: Seine Wohnung galt ab nächsten Monat nicht mehr als Sozialwohnung und die Miete würde jetzt dem Stand des örtlichen Mietspiegels für freifinanzierte Wohnungen angepasst.-

      Um 45 Euro hatte die Wohnungsgesellschaft ihm die Miete erhöht. „Das war sicher nur das Vorspiel“, sinnierte Udo nun hilflos vor sich hin, „die werden mir jetzt wahrscheinlich jedes Jahr so viel draufschlagen!“

      45 Euro , die er aus eigener Tasche von seinem knappen Hartz 4 Geld berappen musste! Die Arge würde mit Sicherheit nicht dafür aufkommen, dachte er und obwohl er bis dahin geglaubt hatte, dass seine Zukunftsaussichten düsterer nicht werden konnten, war er jetzt eines Besseren belehrt. -

      Während der ganzen Woche ängstigte Udo sich und malte sich im Gedanken ein Horrorszenario nach dem anderen aus. Was sollte er nur tun, wenn die Arge von dem fehlgeschlagenen Arbeitsversuch erführe? Hätte er es doch besser gemeldet! Nun war es zu spät dazu; es würden ihm unweigerlich Strafen drohen, davon war Udo überzeugt.

      Wenn sich nun die Zeitarbeitsfirma selbst seinetwegen an die Agentur gewandt hatte- wegen irgendwelcher Unklarheiten!

      Udo hoffte und betete bis zum Freitagmittag, dass er unbehelligt davonkommen möge, da klingelte um Punkt 13 Uhr das Telefon.

      „D a s sind sie, die von der Agentur für Arbeit!“, schoss es Udo durch den Kopf und er überlegte lange, ob er den Hörer überhaupt abnehmen sollte. Wieder stolperte sein Herz, als er schließlich doch zum Telefon griff und mit zugeschnürter Kehle seinen Namen in die Muschel krächzte. Dann seufzte er vor Erleichterung auf und ließ sich auf den Stuhl fallen, den er im Flur neben dem Telefon platziert hatte...

      Es war nur sein Bruder,

      der seinen Besuch telefonisch ankündigen wollte! Am Samstag gegen Mittag wollte er mit seiner Familie bei ihm vorbeischauen! Udo möge aber keine Umstände seinetwegen machen und solle um Himmelswillen nicht groß einkaufen! Ein kleiner Imbiss genüge ihnen vollkommen! -

      Sein Bruder wohnte in Hamburg und Udo hatte lange nichts von ihm und seinem Anhang gehört! Da war es nicht anständig, nur abgezählte Brötchen mit Marmelade aufzutischen, fand er! „Wenn jemand schon so eine weite Reise macht, um mich zu besuchen, soll er wenigstens was Ordentliches zwischen die Zähne kriegen“, sagte er sich und damit war ein Großeinkauf für ihn beschlossene Sache.

      Gegen 14 Uhr 30 betrat er das örtliche Postamt und holte satte 100 Euro von seinem Konto. Damit summierten sich seine Bankschulden auf über 500 Euro!

      Aber

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