Elena. Eckhard Lange

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Elena - Eckhard Lange Antike Sagen, für unsere Zeit erzählt

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Stand dort im gegenüberliegenden Hauseingang nicht eine dunkle Gestalt, oder täuschte ihn nur ein scharfer Schatten? Plötzlich hatte er das Gefühl einer ungewissen Bedrohung. Ärgerlich zog er den Stoff wieder zusammen. Nachtgedanken! Leg dich wieder schlafen, Patrick Troy, befahl er sich halblaut. Und er gehorchte.

      Der Morgen wusste nichts mehr von den Gespenstern der Nacht.

      3.

      Als der Pastor am Montag früh ins Büro trat, fand er dort einen Zettel und einen kleinen Karton mit dem bekannten Marzipan dieser Stadt, hübsch verpackt als Geschenk. Frau Grabert hatte montags frei, das Büro blieb an diesem Tage unbesetzt, so war es im Kirchengemeinderat beschlossen worden. Schließlich sollten auch die Pastoren am Tag nach dem sonntäglichen Dienst einmal von allen Pflichten befreit bleiben. Sollten! dachte Patrick, als er den Zettel gelesen hatte:

      „Freitag waren Sie ja nicht zu erreichen. Montag hat Frau Margarete Elias Geburtstag, es wäre schön, wenn Sie sie nicht enttäuschen würden. ME ist gehbehindert, war lange treue Besucherin unserer Angebote, kommt jetzt kaum noch aus dem Haus. 85. Geburtstag; Witwe, Ehemann vor 15 Jahren verstorben, Kinder irgendwo im Süden. Konnte Ihnen so viel vorher keine Blumen besorgen, aber ME freut sich sehr über das Marzipan. Friederikenstr. 17“

      Hier einen Parkplatz zu finden, ist fast wie ein Lottogewinn, dachte der Pastor, als er langsam die Friederikenstraße entlangfuhr. Es war die Nähe des Bahnhofs, die viele Pendler hierher ausweichen ließ. Endlich konnte er seinen alten Corsa mit viel Mühe in eine Lücke manövrieren, griff nach dem Päckchen und stieg aus. An der gesuchten Hausnummer war er schon längst vorbeigefahren, Patrick wanderte also zurück, an den hohen Eisengitterzäunen entlang, die kaum zwei Meter breite Vorgärten vom ebenso schmalen Bürgersteig trennten.

      Die Straße mußte kurz vor 1900 bebaut worden sein, dachte er und betrachtete die Backsteinfassaden mit den Sandsteinrahmungen der Fenster und Haustüren. Hier und da waren noch die alten hölzernen Fensterahmen zu entdecken, doch meist hatten die Produkte der Baumärkte die Häuser erobert und verunstaltet, und statt Blumenrabatten sah man ganze Batterien von Mülltonnen und Fahrradstellplätze neben ein paar kümmerlichen Mahonien und ungepflegten Rasenstücken. Das war sicher einmal eine gutbürgerliche Wohngegend, schätzte Patrick und suchte die Nummer 17. Neben der Haustür entdeckte er ein unauffälliges Metallschild „Studio Olga.“ Frau Elias sollte im Obergeschoß wohnen, dieses Studio mußte sich also im Parterre befinden – was auch immer sich dahinter verbarg.

      Die Haustür ließ sich ohne vorheriges Klingeln öffnen. Der junge Mann trat in einen schmalen Flur, zur Linken an der einzigen Wohnungstür wieder ein Metallschild, diesmal nur mit dem Namen Olga versehen. Geradeaus führte eine Treppe mit ausgetretenen Holzstufen ins obere Stockwerk, das Fenster zum Hinterhof auf dem Treppenabsatz hatte noch schöne farbige Glasscheiben aus der Gründerzeit. „Bitte Schuhe abputzen“ stand in Fraktur auf einem schon recht ramponierten Emailleschild an der untersten Stufe. Einen Abtreter gab es allerdings nicht mehr, um dieser Aufforderung Genüge zu leisten.

      Gerade wollte Patrick auf die Treppe zusteuern, als sich die Tür neben ihm öffnete. Eine junge Frau kam heraus; mit Jeans und Kapuzenpulli nachlässig gekleidet, trug sie eine prall gefüllte Plastiktüte in der Linken, offensichtlich voll mit allerlei Hausmüll. Doch Patricks Gruß blieb ihm fast im Halse stecken. Er kannte dieses Gesicht, diese langen dunklen Haare, diese großen Augen, diesen kaum geschminkten Mund mit den vollen Lippen! Und doch wusste er nicht, woher! Aber er hatte es schon einmal gesehen, da war er sich ganz sicher. Und es hatte ihn schon damals fasziniert – aber wann war das gewesen? Dabei schien es ihm, es wäre erst vor wenigen Tagen gewesen. Oder war es nur eine Ähnlichkeit mit einer anderen?

      Einen Augenblick trafen sich ihre Blicke, die junge Frau erwiderte seinen Gruß, mit einer dunklen Stimme und einer etwas harten Aussprache, die ihn sofort auf eine slawische Herkunft schließen ließ. Daher also der Name Olga, dachte er verwirrt. Dann gab er sich einen Ruck und betrat die erste Stufe, während die Unbekannte zur Hintertür ging, um den Müll zu entsorgen.

      Als Margarete Elias ihre Tür einen Spalt öffnete, sah er die Kette, die sie von innen verriegelte. Er nannte seinen Namen, und die alte Dame ließ ihn ein. „Sie sind also der Nachfolger von Pastor Berkholz,“ sagte sie und betrachtete ihn neugierig. „Das ist aber sehr freundlich von Ihnen, daß Sie mich besuchen wollen.“

      Sie führte ihren Gast in ein Zimmer mit einer hohen, von einem Stuckrahmen verzierten Decke. Patrick blickte sich um: Vor den Fenstern dunkelrote samtene Portieren, dazwischen eine Standuhr aus Mahagoni, auch der ovale Tisch und drei Stühle mit hohen, gebogenen Lehnen waren aus dem gleichen Holz. Hinter dem Tisch ein ebenfalls dunkelrot bezogenes Sofa, darüber ein Ölbild in einem wuchtigen Rahmen, eine Gebirgslandschaft darstellend.

      Das alles mochte altmodisch sein, aber der Pastor bewunderte die Geschlossenheit des Ganzen, die auf einen guten Geschmack schließen ließ. Auf dem Tisch entdeckte er zwei Gedecke, eine Kaffeekanne, einen Teller mit Kuchen – ganz offensichtlich hatte die alte Dame mit Besuch gerechnet, genauer, mit nur einem einzigen Gast. Und das war er. Irgendwie tat sie ihm leid: Sie hatte nicht nur keine Angehörigen in der Nähe, sondern offensichtlich auch keine Bekannten oder Freundinnen. Doch Frau Elias hatte seinen Blick bemerkt und lächelte: „Das ist für den Pastoren, meine Bridgeschwestern kommen immer erst nachmittags.“ Also eine Fehleinschätzung!

      Patrick überreichte endlich sein Geschenk, sagte ein paar Worte zum Anlaß, dann nötigte seine Gastgeberin ihn auf das Sofa, setzte sich ihm gegenüber und begann, munter zu plaudern. Und sie war gut informiert über das Zeitgeschehen, wie er feststellen mußte. Doch irgendwie konnte er sich nicht recht auf das Gespräch konzentrieren, immer wieder geriet ihm die schöne Unbekannte von dort unten in den Sinn. So nutzte er die Gelegenheit, als die Unterhaltung etwas ins Stocken geriet, und fragte die alte Dame möglichst beiläufig: „Als ich ins Haus kam, hing neben der Tür ein Schild mit einem Studio oder so ähnlich. Haben Sie einen Fotografen als Nachbarn?

      Margarete Elias sah ihn mit einem irgendwie traurigen Blick an: „Ach, die Olga meinen Sie. Ja, wissen Sie, das ist so eine Geschichte. Ich will weiß Gott nichts Schlechtes über andere Menschen sagen, das soll man doch nicht, Herr Pastor, nicht wahr?“ „Nein, sicher nicht. Aber was ist an einem Studio denn so schlechtes?“

      „Nun ja, vielleicht bin ich auch bloß etwas altmodisch, und die Olga ist eigentlich ein ganz nettes Mädchen. Ja, das ist sie. Bloß...“ Sie schwieg, aber als der junge Pastor sie fragend anblickte, setzte sie sich möglichst gerade und holte einmal tief Luft.

      „Wissen Sie, Herr Pastor, man kann ja nicht immer bloß lesen oder auf den Fernseher gucken. Da rücke ich mir dann gern den Stuhl ans Fenster und schaue einfach ein bisschen hinaus. Es ist bestimmt nicht gerade viel los hier in unserer Straße. Nur morgens, wenn die Nachbarn zur Arbeit fahren und die Pendler dann hier einen Platz für ihr Auto suchen, ist es laut und lebhaft. Die Leute gehen von hier zum Bahnhof zu ihrem Zug nach Hamburg, denke ich. Genau genommen laufen sie eher, das ist heute wohl so, wo keiner mehr Zeit hat.“

      Patrick spürte, wie sein Gegenüber ablenken wollte. Irgend etwas schien ihr unangenehm zu sein, aber das steigerte nur noch sein Interesse. „Sie wollten doch eigentlich etwas zu dem Studio sagen,“ unterbrach er sie, möglichst beiläufig und bemüht, keinen Vorwurf auszusprechen.

      Frau Elias blickte ihn ein wenig gequält und schuldbewusst an. „Ja, verzeihen Sie, ich komme manchmal vom Hundertsten ins Tausendste. Also, die Olga... Also, das ist so, und ich will wirklich nichts Schlechtes über sie sagen...“ Irgendwie kam sie wieder ins Stocken, doch dann raffte sie sich auf: „Also, wenn ich so hinausschaue, dann sehe ich oft Männer, die hier ins Haus kommen. Eine ganze Reihe, und ziemlich genau jede Stunde einer. Bei so vielen Herrenbesuche, da muß man doch denken...“ Wieder brachte sie den Satz nicht zu Ende. Doch Patrick

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