Elena. Eckhard Lange

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Elena - Eckhard Lange Antike Sagen, für unsere Zeit erzählt

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Das war ja bekannt, daß die Damen heute in irgendeiner stillen Straße eine Wohnung für ihr Geschäft anmieteten. Es gab diese kleinen Anzeigen in der Tageszeitung und die Hinweise im Internet, da brauchte es keiner behördlich kontrollierten Häuser mehr. Nicht umsonst war die Clemensstraße im ehemaligen Hafenviertel längst wieder eine normale Wohnstraße, auch wenn ihr Ruf noch nicht ganz vergessen war.

      Irgendwie war Patrick enttäuscht: Das Mädchen, das ihm da eben begegnet war, das ihn irgendwie berührt hatte, war nichts als eine ganz gewöhnliche Hure. Nur eines schien jetzt klar zu sein: Er war dieser Frau ganz sicher noch nie begegnet. Es konnte nur irgendeine Ähnlichkeit sein, die ihn diese plötzliche Sympathie empfinden ließ. Auch wenn er sich nicht erinnern konnte, wem sie ähnlich sieht.

      Frau Elias machte noch immer ein bekümmertes Gesicht. „Die Olga ist ganz sicher nicht so eine... Sie wissen schon, Herr Pastor. Und sie kommt ja auch nicht von hier, sondern irgendwo aus dem Osten. Man hört das ja auch deutlich. Und man liest ja auch, daß diese Mädchen irgendwie gezwungen werden, also entführt oder so. Und auch wenn Olga immer freundlich zu mir ist, ich bin sicher, sie ist sehr, sehr traurig. Vor allem, wenn dieser glatzköpfige Kerl mit seinen Kumpanen hier auftaucht, abends meistens, dann dröhnt da unten die Musik, und danach hab ich die Olga schon öfter weinen hören. Aber was soll ich alte Frau da machen!“ Margarete Elias hatte ihre Hände im Schoß gefaltet und blickte ihren Besucher ratlos an.

      Patrick nahm sich zusammen. Er war hier, um dieser alten Dame zum Geburtstag zu gratulieren, und die Frau dort unten ging ihn erst einmal nichts an. Aber Frau Elias mit ihrem Mitgefühl und ihrer Hilflosigkeit umso mehr. Er griff nach ihren Händen: „Nein, da können Sie wahrscheinlich wenig machen. Aber ich finde es schön, daß Sie diese Olga nicht verachten, sondern verteidigen. Und ich finde es gut, wenn Sie ein paar freundliche Worte für sie übrighaben. Die bekommt sie wahrscheinlich selten zu hören bei ihrem... Beruf. Und es mag schon sein, daß sie das alles nicht ganz freiwillig macht. Wir sollen niemand vorschnell verurteilen, das hat auch unser Herr gesagt.“

      Der Pastor ärgerte sich im gleichen Augenblick, in dem er diesen Satz aussprach. Es war nicht seine Art, mit frommen Sprüchen um sich zu werfen, vor allem, wenn man sich damit elegant aus der Affäre zu ziehen versucht. Und genau das tat er eben jetzt, oder? Doch Margarete Elias blickte ihn dankbar an: „Da haben Sie recht, Herr Pastor. Und die Olga hätte das auch nicht verdient, da bin ich ganz sicher. Aber nun müssen Sie endlich auch diesen Kuchen hier probieren!“ Und mit dieser abrupten Kehrtwendung wollte sie ganz offensichtlich das Gespräch über ihre junge Nachbarin beenden, und Patrick war in diesem Augenblick sichtlich erleichtert.

      Als er sich verabschiedete, bemerkte seine Gastgeberin: „Das war wirklich nett, daß Sie mich besucht haben, Herr Pastor. Ich weiß, unsere Pfarrer haben viel zu tun, aber es wäre schön, wenn wir uns nicht erst an meinem nächsten Geburtstag wiedersehen würden. Wenn ich den noch erlebe.“

      Patrick verstand die Bitte wohl, und er versprach ihr, „wenn es sich so ergibt, einfach mal auf einen Sprung vorbeizukommen.“ Es müsse ja nicht gleich mit Kaffee und Kuchen sein, obwohl ihm der ganz ausgezeichnet geschmeckt habe. Und er war sicher, daß er diese Zusage einhalten würde. Und dabei dachte er auch an diese unbekannte junge Frau dort unten. Aber das wollte er selber nicht wahrhaben.

      4.

      Es waren gut vier Wochen seit diesem Besuch vergangen. Der junge Pastor hatte einen der Kirchenvorsteher aufgesucht, der nach einer Operation noch immer im Universitätsklinikum lag. Es war ein wunderbar warmer Frühsommertag, er hatte noch einen Cappucino in der Caféteria auf dem Campusgelände getrunken – der nächste Termin war erst eine abendliche Einladung bei seiner Kollegin. Sie wollten ganz in Ruhe und bei einem Glas Wein im Garten ihres Pfarrhauses alles besprechen, was während der kommenden Ferienmonate zu regeln war. Patrick war froh, mit Verena Gensch-Jungjohann eine erfahrene Pastorin an seiner Seite zu wissen, die ihn dennoch ganz als Kollegen behandelte und sich mit ihren sicherlich vorhandenen guten Ratschlägen sehr zurückhielt, es sei denn, er bat sie ausdrücklich darum.

      Er hatte seinen Wagen nahe an diesem neu angelegten Park abgestellt, und er genoss es, nun an den Unigebäuden vorbei noch den Weg durch das frische Grün zu schlendern, ganz ohne Eile und mit Zeit zum Nachdenken. Und dabei kam ihm das Erlebnis in der Friederikenstraße wieder in den Sinn. Ganz spontan beschloss er nach einem kurzen Blick auf die Uhr, sein Versprechen einzulösen und Margarete Elias zu besuchen, auch wenn er sie vielleicht beim Abendessen stören würde. Er wollte ja auch nur kurz hereinschauen, so wie er es zugesagt hatte. Und irgendwie hoffte er, nicht nur der alten Dame dort zu begegnen.

      Dieses Mal hatte er Glück: Er fand einen Platz für seinen Corsa direkt vor der Haustür, gleich hinter einem protzigen Geländewagen mit diesen doch völlig unnötigen verchromten Frontschutzbügeln. Bloße Angeberei war das in seinen Augen, wenn der Fahrer nicht gerade in einem Forsthaus zu Hause war. Als er die Haustür öffnete, sah er, daß die Wohnungstür zu diesem sogenannten Studio weit offenstand, und aus der Wohnung tönte gerade ein Geräusch wie von einem Polterabend. Offenbar war etwas Zerbrechliches auf den Boden gefallen – oder geworfen worden. Eine Sekunde lang wollte er klopfen und nachschauen, doch er besann sich und stieg die Treppe hinauf. Als er gerade den Absatz erreicht hatte, hörte er unten eine Männerstimme brüllen: „Wo bist du denn hin, du dumme Kuh!“ Und er sah, wie ein bulliger kahlköpfiger Typ in Tarnjacke und Bomberstiefeln aus der Tür trat, sich umschaute und dann mit lautem Fluch zur Haustür hinauslief.

      Patrick drehte sich wieder um, und da entdeckte er sie: Auf der obersten Stufe saß Olga, zusammengekauert und weinend. Als er hinaufeilte, erblickte er noch mehr: Aus ihrer Nase lief ein dünnes rotes Rinnsal und tropfte auf ihre knappsitzende Bluse, und unter dem linken Auge zeichnete sich ein bläulicher Fleck ab. Ganz instinktiv ergriff Patrick mit der Rechten die Hand der jungen Frau, zog sie zu sich hoch, während er mit der Linken die Klingel von Margarete Elias drückte. Kaum hörte er drinnen, wie sie die Kette einhängte, rief er: „Ich bins, Pastor Troy. Machen Sie bitte schnell auf!“

      Die Tür ging auf, Patrick schob die völlig apathische Olga über die Schwelle, folgte ihr und schloß hinter sich die Tür. Erschrocken hatte Frau Elias alles mit angesehen, dann verstand sie: „Kindchen, du blutest ja! Das war dieser Glatzkopf mit der Militärjacke, nicht wahr?“ Und sie zog die junge Frau in die Küche und drückte sie sanft auf einen Stuhl. Patrick war den beiden gefolgt, doch ehe er noch etwas sagen konnte, begann es ununterbrochen zu klingeln, zugleich schlug jemand mit der flachen Hand gegen den Türrahmen: „Ist die Olga bei dir, Oma? Sie soll rauskommen!“

      Patrick legte den Finger auf die Lippen, doch die alte Frau ging zur Tür und rief, ohne sie zu öffnen: „Die Olga? Was soll die denn so spät am Abend noch bei mir?“ Und dann fügte sie tatsächlich noch mit strafendem Ton hinzu: „Und außerdem bin ich nicht Ihre Oma, junger Mann!“

      Trotz der gespannten Situation mußte der junge Pastor grinsen: Diese Frau hatte Courage, alle Achtung! Der Kerl draußen fluchte, doch dann hörten die drei, wie er die Treppe wieder hinunterpolterte. Margarete Elias zitterte nun doch ein wenig, aber sie sah Patrick mit einem fast spitzbübischen Lächeln an: „Das war doch nicht gelogen, oder, Herr Pastor?“

      „Nein, das war es nicht, aber es war einfach eine geniale Antwort!“ Doch dann wandte er sich der jungen Frau zu, die stumm dagesessen hatte. „Wir sollten Sie erst einmal verarzten, Olga, dann sehen wir weiter. Er wird wohl kaum noch einmal heraufkommen.“ Und zu Frau Elias gewandt, fragte er: „Haben Sie irgendwo etwas Watte? Und Eis im Kühlschrank?“

      Rasch kam beides auf den Küchentisch; Patrick drehte einen Pfropf aus der Watte und gab ihn Olga, damit sie das blutende Nasenloch verstopfen konnte. Frau Elias hatte einige Eiswürfel in ein Geschirrtuch gewickelt und drückte die Kompresse auf die anschwellende Wange. „Du musst selber fest drücken, Kindchen,“ sagte sie sanft und gab der Jungen

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