Mord und andere Scherereien. Sylvia Giesecke
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Valentin winkte ab, „Ich will es nicht, also lass mich damit gefälligst in Ruhe.“
***
Als Valentin drei Wochen später zum Steg kam, um die Vorräte abzuholen, erwartete ihn eine Überraschung. Zwischen zwei Paketen steckte ein offensichtlich handgeschriebener Brief ohne Absender. Neugierig öffnete er den weißen Umschlag, zog das gefaltete Blatt Papier heraus und begann zu lesen: Lieber Papa, ich habe erst nach dem Tod meines Stiefvaters vor einem halben Jahr erfahren, dass er gar nicht mein leiblicher Vater war. Auf mein Drängen hin hat meine Mutter mir schließlich von dir erzählt. Sie sagte, dass ihr damals unglaublich viel Spaß miteinander hattet, dass sie dich wirklich sehr geliebt hat und nur gegangen ist, weil du zu diesem Zeitpunkt nicht bereit warst, deinen Alkoholkonsum einzuschränken. Seit dem verspüre ich nur noch einen Wunsch, ich möchte dich unbedingt kennenlernen. Menschen können sich ändern und ich hoffe sehr, dass du genau das geschafft hast. Nach einigen leidvollen Erfahrungen meint es das Schicksal inzwischen wirklich gut mit mir. Ich habe einen wunderbaren Mann kennengelernt, den ich nächstes Jahr heiraten werde. Auf der Suche nach dir hat Thomas mich auch tatkräftig unterstützt. Wir haben ein wunderschönes Häuschen auf dem Lande gefunden und sind vor drei Wochen dort eingezogen. Wie uns der nette Mensch von der Behörde gesagt hat, lebst du immer noch alleine. Thomas schlug vor, dass wenn wir uns gut verstehen und die Chemie stimmt, du in unser Gästehaus ziehen könntest, um zukünftig in unserer Nähe zu sein. Du wirst nämlich ganz nebenbei auch bald Großvater. Wir können die vergangene Zeit zwar nicht zurückholen, aber wir könnten eine gemeinsame Zukunft erleben, wenn du es dir denn ebenso wünschst, wie ich. Du hast es mir wirklich nicht leicht gemacht, dich zu finden und ich war ziemlich überrascht, dass es dich ausgerechnet auf diese Insel im Atlantik verschlagen hat. Ich werde mit dem nächsten Postschiff rüberkommen und würde auch gerne ein paar Tage bleiben, wenn es dir recht ist. Ich möchte mir ein Bild davon machen, wie du die letzten Jahre gelebt hast. Ich freue mich wahnsinnig auf unser Zusammentreffen und hoffe so sehr, dass es dir genauso ergeht. Sei ganz lieb gegrüßt von deiner mit Sehnsucht erfüllten Tochter Isabell.
Vollkommen überwältigt vom Sinn dieser Zeilen, drückte er das Blatt Papier an seine Brust. Zum ersten Mal seit so vielen Jahren durchströmte ihn ein schier unbeschreibliches Glücksgefühl. Er durfte seine Tochter, sein eigen Fleisch und Blut, endlich kennenlernen und er könnte sein Enkelkind aufwachsen sehen. Sie wollte, dass er zu ihr zieht und seine noch verbleibenden Jahre mit ihr teilt. Er hätte niemals damit gerechnet, noch einmal soviel Glück erleben zu dürfen. Plötzlich verfinsterte sich sein Blick. Dunkle Wolken schoben sich langsam in seinen von Hochgefühlen überwältigten Geist. Wenn seine Tochter erfahren würde, was er getan hatte, würde sie ihm das garantiert niemals verzeihen. Innerhalb der nächsten Woche musste er eine tief greifende Entscheidung treffen. Wollte er sein restliches Leben mit dem Mädchen auf dieser inzwischen so verhassten Insel verbringen oder wollte er doch lieber im Kreise seiner echten Familie würdevoll altern? Sieben Tage, genau sieben Tage würden ihm bleiben, um über dieses Problem nachzudenken. Sieben Tage, … und ihm graute jetzt schon vor der Entscheidung.
Er las diesen Brief, den er unter seinem Kopfkissen aufbewahrte, mindestens zwei Mal am Tag. Die Zeit verging wie im Fluge und der ständig größer werdende Druck trieb ihn fast an den Rand der Verzweiflung. Er saß auf dem Steg und blickte sehnsüchtig Richtung Festland. Morgen würde das Postschiff kommen, er musste handeln und das sofort. Schweren Herzens machte er sich auf den Weg zum Haus. Für die kommende Nacht hatten sie einen heftigen Sturm angekündigt, doch in seinem Innersten tobte dieser schon jetzt. Kurz bevor er das Haus betrat, zog er seinen Gürtel aus der Hose. Mit zitternden Händen öffnete er die Tür und trat ein. Sie saß am Küchentisch und hatte ihm den Rücken zugekehrt. Wortlos legte er ihr die lederne Schlinge um den Hals und zog sie zu. Sie wehrte sich nicht, ließ es einfach geschehen. Ein Blatt Papier schwebte zu Boden, dann war alles vorbei. Ungläubig starrte er auf den Brief von seiner Tochter. Das Mädchen schien es die ganze Zeit über gewusst zu haben. Vermutlich ahnte sie bereits, was geschehen würde. Ihr war klar, dass sie keine andere Chance hatte, als sich ihrem Schicksal zu ergeben. Sie hatte ihn bereits erwartet und sich deshalb auch nicht gewehrt. Er fiel auf die Knie, legte den Kopf in ihren Schoß und weinte, „Verzeiht mir, … bitte verzeiht mir.“
Als er ihren leblosen Körper hinaustrug, frischte der Wind auf. Er zerrte an ihren Kleidern, als wolle er sie ihm entreißen. Genau in diesem Moment ertönte das Signalhorn des nahenden Postschiffs. In all den vielen Jahren war es nur drei Mal vorgekommen, dass der Fahrplan aufgrund eines Sturmes nicht eingehalten werden konnte und ausgerechnet jetzt kam es zu früh. Ihm blieb keine Zeit mehr das Mädchen zu begraben, deshalb trug er es zurück ins Haus. Sobald er seine Tochter in Empfang genommen hatte, würde er sie um etwas Geduld bitten, damit er seine Aufräumarbeiten noch schnell zu Ende bringen konnte.
Mit klopfendem Herzen lief er zum Steg. Das Boot hatte bereits angelegt. Der Kapitän half seinem einzigen Passagier beim Aussteigen, winkte Valentin zu und kappte die Leinen. Die Vorboten des angekündigten Orkans trieben ihn sichtlich zur Eile an. Da stand sie nun, eingehüllt in einen dunkelroten Mantel mit Kapuze und einem kleinen Koffer in der Hand. Als er auf sie zu ging, fühlte er sich wie ein kleiner Junge kurz vor der weihnachtlichen Bescherung. Gleich würde er sein eigen Fleisch und Blut in die Arme schließen und garantiert nie wieder loslassen. Sie entledigte sich des Koffers, zog die Kapuze vom Kopf und strahlte ihn an, „Papa, endlich. Du ahnst ja nicht, wie sehr ich mich auf diesen Augenblick gefreut habe.“
Valentin sagte kein einziges Wort und schaute ihr ungläubig ins Gesicht.
Sie stutzte, „Was ist los, Papa? Freust du dich denn gar nicht mich zu sehen?“
Er machte wortlos auf dem Absatz kehrt und ließ sie einfach stehen.
Isabell war völlig perplex und verstand die Welt nicht mehr. Dennoch blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Sie hatte ihr Ziel fast erreicht, da ließ sie ein lauter Knall zusammenzucken. Sie erstarrte für einen winzigen Moment, doch dann rannte sie los. Sie fand den leblosen Körper ihres Vaters auf dem Boden direkt neben dem Küchenschrank. Er hatte sich mit einer Pistole in den Kopf geschossen. Aber warum, … warum hatte er das getan? Sie sank zu Boden und nahm seine Hand, „Warum, Papa, … warum jetzt, … ich würde so gerne verstehen …“ Ihr Blick fiel auf die weit geöffnete Schlafzimmertür und auf das Bett ihres Vaters. Sie erhob sich wie in Trance, setzte langsam, nahezu mechanisch, einen Schritt vor den anderen und versuchte krampfhaft die dargebotene Situation zu erfassen. Tausende und Abertausende Gedanken wirbelten ihr durch den Kopf. Doch dann wurden all die verschwommenen Bilder plötzlich ganz klar, die schemenhaften Umrisse nahmen Gestalt an und der dichte Nebel, der sie all die Jahre umgeben hatte, löste sich auf. Während sie behutsam und zärtlich das blasse Gesicht ihrer Zwillingsschwester streichelte, weinte sie bittere Tränen, „Maja, … meine Maja. Endlich habe ich dich gefunden, … ich hab dich doch so sehr vermisst.“
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