Gina Keck. Daniela Dittel
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Als die Händler dann mit dem Frühling und dem Winter aus dem Burgtor davon ritten, stieg pure Verzweiflung in dem jungen Herbst auf und mit ihr setzte ein Wind ein, der die letzten Blätter von den Bäumen riss.
Mit jedem Meter, der zwischen ihm und seine Geschwister kam, verwandelte sich Herbsts Hoffnungslosigkeit in unbändige Wut und mit ihr schwoll der Wind, der draußen tobte, zu einem gewaltigen Orkan an und ließ das Mauerwerk der alten Burg erzittern.
Nach der Raserei umfing den Knaben tiefe Traurigkeit und während ihm dicke Tränen über das Gesicht rollten, verdunkelte sich der Himmel und kalte Regentropfen fielen zur Erde nieder.
«Die Zeit heilt alle Wunden», sagte sich Eberstein und er schien recht zu behalten. Allmählich versiegten die Tränen des Jungen und immer öfter strahlte die Sonne vom Himmel herab. Bald leuchteten wieder bunte Blätter an den Bäumen und die Äste hingen voller köstlicher Früchte.
Eberstein genoss das Leben in vollen Zügen. Täglich ging er auf die Jagd und ebenso eifrig widmete er sich der Erziehung seines Wunschsohnes. Er lehrte ihn wichtige Dinge, die ein guter Nachfolger des Eberstein'schen Geschlechts wissen und beherrschen musste. Vom ersten Tag an liebte er den Jungen wie einen eigenen Sohn.
Allem Anschein nach fand sich Herbst in seiner neuen Rolle als würdiger Nachfolger des Reichs Autum gut zurecht. Er gab seinem Ziehvater nicht den kleinsten Zweifel an seiner Treue und nahm jede ihm gestellte Aufgabe mit Beflissenheit entgegen, um sie zu erlernen.
In kürzester Zeit gewann er das Vertrauen des alten Grafen und somit sämtliche Freiheiten, die ein Sohn von seinem Vater erlangen konnte.
Allerdings steckte eine ganz andere Sache hinter Herbsts tadellosem Verhalten seinem Ziehvater gegenüber. Zum Einen benötigte er das offenkundige Vertrauen des Grafen, um sich überall frei und unbeobachtet bewegen zu können, zum Anderen brauchte er Zeit. Zeit um seine Flucht vorzubereiten, die ihm schon von Anfang an im Kopf herum spukte.
Eines frühen Morgens war es dann soweit. Alle Vorbereitungen waren getroffen. Herbst nahm sein schlichtes gelb-rotes Laubgewand, von dem der Graf glaubte, es wäre schon längst verbrannt worden, zwischen edlen und teuren Anzügen aus dem Schrank und zog es an.
Dann griff er nach dem kleinen, prall gefüllten Lederbeutel, der auf seinem Bett neben einem langen Seil lag. Sachte pflückte er einige schwarze Ameise herunter, die sich darauf tummelten und steckte sie in den Beutel zurück.
Leise flüsterte er ihnen zu: «Ich werde euch bald frei lassen, aber vorerst noch nicht.»
Der Junge legte sich das Seil um die Schulter und schlich lautlos aus seinem Zimmer.
Flüchtig wie ein Windhauch schlich er die Stufen in den großen Saal hinab und stahl sich an den schlafenden Wachen vorbei, die durch den kalten Luftzug fröstelnd aufmerkten, jedoch sogleich weiter schnarchten.
Als er den Burghof betrat, hing ein schwerer Nebel bis auf den feuchten Boden herab. Herbst hatte ihn bereits vor Stunden mit seinen Gedanken heraufbeschworen, um ungesehen an den wach habenden Posten vorbei schleichen zu können.
Nun ging er vorsichtig die schmale hölzerne Treppe zur Burgmauer hinauf, die unter seinen Schritten leise knarrte. Vermutlich wäre er über den schlafenden Wachposten gestolpert, der vor ihm auf einer Stufe lag und die Beine weit von sich streckte, wenn dieser nicht just in diesem Moment einen grunzenden Schnarchlaut von sich gegeben hätte. So konnte der Junge noch rechtzeitig mit einem großen Schritt über ihn hinweg steigen.
Auf der Burgmauer angelangt, befestigte er das Seil an einer Zinne und glitt geschwind an der Außenmauer hinunter. Als er das nasse kalte Gras unter seinen nackten Füßen spürte, beruhigte sich sein wild pochendes Herz. Er atmetet mehrmals die frische feuchte Luft des erwachenden Morgens ein, bevor er wie ein junger Hirsch davon sprang und geschützt durch den Nebel, den sicheren Wald erreichte.
Die Flucht blieb nicht so lange unentdeckt, wie Herbst es sich erhofft hatte. Schon kurze Zeit später trieben die Männer des Grafen ihre Pferde unerbittlich an, um den Flüchtigen einzuholen und in die Burg zurückzubringen.
«Ich muss es schaffen», ermutigte sich der Jüngling selbst.
«Und wenn nicht, dann werde ich meiner Schwester die Botschaft zukommen lassen, die sie zu mir führt. Und dann wird sie mich befreien.»
Mit einem flüchtigen Griff an seinen Gürtel vergewisserte er sich, dass der Beutel mit dem überaus wichtigen Inhalt noch an seinem Platz war.
Endlich erklomm er die Spitze des Donnerbergs. Sein Blick schweifte über das weite Tal, das sich vor ihm auftat. Die alten hohen Laubbäume wirkten wie winzige rote und gelbe Farbkleckse auf der riesigen grünen Fläche, durch die sich der dunklen Fluss schlängelte, der genau dort in die Tiefe stürzte, wo Herbst gerade stand.
Das laute Grollen, das herauf drang und das leichte Beben unter Herbsts Füßen, ließen ihn erahnen, mit welcher Kraft die Wassermassen dort unten auftrafen. Zurecht nannte ihn der Volksmund 'Donnerberg'.
Die wütenden Flüche seiner Verfolger, die nun deutlich zu hören waren, rissen den Jungen aus seinen Gedanken. Sie hatten ihre Pferde zurück gelassen und näherten sich nun auf dem unwegsamen Gelände zu Fuß. Es trennten sie nur noch ein paar steile Meter von ihrem Flüchtigen.
Herbst stand am Rand des Wasserfalls und richtete seine Hände gen Himmel, als bitte er den Allmächtigen um ein rettendes Wunder. Tatsächlich erhob sich ein starker Wind, der die Wachen daran hinderte, das letzte Stück des Bergs hinaufzuklettern. Ohnmächtig beobachteten sie, wie sich eine kleine Windsäule aus Herbsts Händen erhob. Sie sahen, wie sie wuchs und wuchs und wuchs, bis sie letztendlich mit den schwarzen Wolken des Himmels verschmolz, die mittlerweile heraufgezogen waren. Die enorme Kraft mit der sich die Windsäule im Kreis drehte, sog sämtliche Waffen der Ritter in sich auf, während sich die hilflos ausgelieferten Männer an die nächstmöglichen Felsen klammerten oder dahinter Schutz suchten. Mit zusammengekniffenen Augen starrten sie angestrengt durch den aufwirbelnden Staub und erkannten undeutlich, wie Herbst in das Auge des Wirbelsturms trat und darin verschwand. Sie sahen nicht, wie er in rasender Geschwindigkeit Meter für Meter dem Fuße des Berges entgegen rutschte und durch den feinen Nebel des Wasserfalls verhüllt, sicher auf der Erde landete.
Einige der mutigsten Männer trotzten dem Sturm und folgten wagemutig dem Jungen in das Innere der Windsäule, ohne zu wissen, was dort geschehen würde. Sie rutschten ebenfalls in die Tiefe, doch just in dem Augenblick als der Junge mit seinen Füßen den Boden berührte, löste sich der Wirbelsturm auf. Die Männer stürzten mit den Wassermassen hinab und versanken in den tosenden Fluten.
Herbst war klar, dass ihm nur ein kleiner Vorsprung blieb, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Es musste ihm gelingen, zu den Steinstatuen im Eichenwald zu gelangen, um von dort aus in seine Welt zurückzukehren.
Achtsam, um nicht in die Hände von Ebersteins Mannen zu fallen, hielt er sich abseits der üblichen Wege und huschte leichtfüßig zwischen den schützenden Bäumen hindurch. Nur noch ein paar Schritte trennten ihn von den steinernen Figuren, die sich bereits vor ihm abzeichneten. Zögernd trat er auf die Lichtung und vernahm im selben Moment das Trampeln von Hufen. Herbst wirbelte herum und sah aus den Augenwinkeln den Grafen und einige seiner Männer im wilden Galopp heran preschen.
Geistesgegenwärtig sprintete der Junge auf die Statuen los. Hinter ihm wirbelten braune, welke Blätter vom Boden auf und verbargen ihn kurzweilig. Eberstein sprengte mit seinem schwarzen Ross hindurch und die Blätter wirbelten auseinander. Es entbrannte ein ungleicher Wettlauf. Im wilden Galopp