Der Baum des Lebens. Sandra Losch

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Der Baum des Lebens - Sandra Losch

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Sie erst einmal in Ruhe an, stärken Sie sich und ruhen sie sich ein wenig aus. Ich werde morgen Vormittag um halb elf wieder hier sein. Wir können dann das weitere Vorgehen besprechen, und um 14 Uhr findet die Verlegung des Stolpersteins für Ihre Urgroßeltern statt. Ich werde Sie begleiten. Natürlich nur, wenn Sie das möchten."

      "Ja natürlich, sehr gerne."

      "Dann werde ich Sie jetzt mal allein lassen und verabschiede mich. Gute Nacht, Deborah, bis morgen!"

      "Gute Nacht, Dr. Wagner. Und vielen Dank für alles"!

      Als der Anwalt gegangen war, fiel Deborah erst einmal über den Inhalt des Kühlschranks her. Vor lauter Aufregung hatte sie bisher gar nicht bemerkt, wie hungrig sie eigentlich war, denn das Bordmenü auf dem Flug nach Frankfurt lag schon etliche Stunden zurück. Nach dem Essen nahm sie eine warme Dusche und schaffte es vor Müdigkeit nicht einmal mehr, ihre Koffer auszupacken. Sie legte sich in das frisch bezogene Himmelbett und fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

      Als sie wieder erwachte, war es bereits hellichter Tag und sie schaute erschrocken auf ihre Uhr. Wann wollte der Anwalt wieder vorbeikommen? Halb elf, wenn sie sich richtig erinnerte. Dann hatte sie noch eine Stunde Zeit, um sich frisch zu machen und einen Kaffee zu sich zu nehmen.

      Pünktlich um 10:30 Uhr parkte der silbergraue Mercedes des Anwalts vor dem Haus und Dr. Wagner stand mit einer Tüte Brötchen vor der Tür.

      "Guten Morgen Deborah! Haben Sie schon gefrühstückt? Ich habe Ihnen ein paar Brötchen und auch Kuchen mitgebracht. Hier im Ort gibt es eine kleine Bäckerei, die so herrlichen Streuselkuchen anbietet. Ich sollte eigentlich Diät halten, hat mein Hausarzt mir wegen meiner Cholesterinwerte verordnet. Aber ich dachte mir, bei Kaffee und einem Stück Kuchen lässt es sich bestimmt etwas netter plaudern."

      "Da haben Sie auf jeden Fall recht", pflichtete Deborah ihm bei. "Der Kaffee ist gerade fertig. Kommen Sie, setzen wir uns in die Küche."

      Deborah öffnete den Küchenschrank, in dem bunt zusammengewürfeltes Geschirr mit völlig unterschiedlichem Muster stand, was zum Charme der alten, aber gemütlichen Wohnung passte. Sie deckte den Küchentisch, auf dem eine Wachstuchtischdecke mit orangenem Blumenmuster lag, und Dr. Wagner verteilte den Kuchen auf die Teller. Als sie sich gestärkt hatten, griff der Anwalt behutsam das Thema des vor ihnen liegenden Verfahrens auf.

      "Deborah, inwieweit hat Ihre Großmutter Sie über alles informiert? Sie müssen wissen, was wir vorhaben, wird nicht einfach werden. Die Verlegung des Stolpersteins heute ist nur der Anfang. Dieses Ereignis wird für Sie sicherlich ein emotionaler Moment sein, der auch das Interesse der lokalen Medien auf sich ziehen wird. Ihre Urgroßeltern waren sehr wohlhabende Fabrikanten hier in der Gegend, und die Presse hat bereits Wind davon bekommen, dass ein Restitutionsverfahren an die ursprünglichen Besitzer bevorstehen könnte."

      "Na ja, ich weiß ja noch nicht einmal, was meinen Urgroßeltern damals enteignet wurde, eigentlich weiß ich insgesamt nur wenig über sie. Meine Großmutter spricht nicht gerne über die Vergangenheit."

      "Das werde ich Ihnen morgen Nachmittag alles zeigen. Das Stadthaus Ihrer Urgroßeltern existiert heute nicht mehr, es wurde bei einem Bombenangriff in Schutt und Asche gelegt. Wo es stand, wird morgen der Stolperstein verlegt. Aber die Fabrik gibt es noch, es ist ein erfolgreiches Unternehmen, das in alle Welt exportiert. Darüber hinaus gab es noch einen Landsitz ihrer Urgroßeltern, eine Villa im fränkischen Umland. Wir können demnächst auch einmal dorthin fahren, es ist nicht weit. Was an Kunstgegenständen und Schmuck enteignet wurde, habe ich schwarz auf weiß, da waren die Nazis sehr akribisch."

      Deborah wurde schwindlig, wobei sie nicht hätte sagen können, ob das dem Jetlag zuzuschreiben war oder den Ereignissen, die sie wie eine Lawine überrollten.

      "Das ist alles ein bisschen viel für mich, Dr. Wagner. Ich sollte mich eigentlich gerade auf meine Teilhaberschaft in einer gut etablierten Kunstgalerie in San Francisco vorbereiten. Stattdessen sitze ich hier in einem kleinen Nest in Franken, weil mich meine Großmutter dazu verdonnert hat und weiß nur bruchstückhaft, worum es überhaupt geht."

      Der Anwalt tätschelte ihr in seiner väterlich-fürsorglichen Art den Unterarm:

      "Keine Sorge, ich werde Sie so gut beraten, wie ich nur kann. Im Übrigen wird es auch langsam Zeit für uns, aufzubrechen. Wir wollen doch nicht zu spät kommen zur Stolperstein-Verlegung."

      III. Kapitel

      Julius Falkenstein stand vor dem Spiegel in seinem Ankleidezimmer, band sich einen perfekt sitzenden Krawattenknoten und begutachtete wohlwollend sein Spiegelbild. Der Designeranzug schmeichelte seiner drahtigen Figur und die Farbe der Krawatte harmonierte mit dem Hellblau seiner Augen. An den Schläfen zeigten sich seit kurzem ein paar graue Strähnen in seinen dunkelblonden Haaren, was seine Attraktivität allerdings nur unterstrich. In Gedanken ging er nochmals seine Rede durch, die er zwar in- und auswendig beherrschte, doch der junge Kommunalpolitiker wollte sich nicht den geringsten Fehler erlauben. Julius hatte ambitioniert und voller Ideale vor knapp zehn Jahren den Weg in die Politik eingeschlagen, war inzwischen Landtagsabgeordneter und man stellte ihm bereits die besten Chancen auf einen Ministerposten in Aussicht. Seiner Ehe war sein politisches Engagement nicht gut bekommen. Seine Ex-Frau Lydia war schnell gelangweilt davon, dass ihr Mann weitaus mehr Zeit mit Wahlkampfauftritten und langen Sitzungen verbrachte als mit ihr, so dass die noch junge Ehe bereits nach zwei Jahren wieder geschieden wurde. Lydia, die schon immer gerne im Luxus schwelgte, hatte sich schnell mit dem Erben eines großen Ölkonzerns getröstet und war ihm nach Südfrankreich gefolgt, wo sie nun das Jet Set Leben genoss. In dieser Zeit fand Julius Halt und Unterstützung bei seinen Eltern, Thomas und Angelika, zu denen er ein herzliches Verhältnis pflegte. Er besuchte sie regelmäßig und genoss die Atmosphäre seines liebevollen Elternhauses. Sein großes Vorbild allerdings war sein Großvater, Joachim Falkenstein. Auf seinem Landsitz verbrachte Julius die glücklichsten Stunden seiner Kindheit, begleitete seinen Großvater auf die Jagd und dieser brachte ihm reiten und schießen bei. Joachim Falkenstein war trotz seines fortgeschrittenen Alters ein stattlicher Herr, der nach wie vor sein Unternehmen mit strenger Hand führte, und Julius war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Herr Falkenstein Senior leitete eine renommierte Fabrik für Modelleisenbahnen und hoffte, dass sein Enkel eines Tages in seine Fußstapfen treten würde. Joachim vergötterte Julius, auch wenn er ihn stets zu Disziplin und mit Strenge erzogen hatte. Gleichzeitig ließ er es ihm an nichts fehlen und unterstützte seinen Enkel, wo er nur konnte. Julius wiederum bewunderte seinen Großvater. Umso schmerzlicher war für ihn, dass sein Vater Thomas zu seinem eigenen Vater kein gutes Verhältnis hatte und die beiden seit vielen Jahren getrennte Wege gingen.

      "Lass es gut sein, mein Junge", hatte Thomas vor etlichen Jahren einmal zu ihm gesagt, als Julius noch einen Versuch wagen wollte, die beiden miteinander zu versöhnen. "Er ist nicht nur der strahlende Held und tolle Opa, als den du ihn kennst. Ich habe sehr unter ihm und seiner spartanischen Erziehung gelitten, vor allem nachdem meine Mutter gestorben war. Wir sind nun einmal grundverschieden, und es gibt Dinge aus der Vergangenheit, die ich ihm einfach nicht verzeihen kann. Schlimme Dinge. Aber er war dir immer ein guter Großvater, er hat dir vieles beigebracht und du warst immer so glücklich, wenn du mit ihm zusammen warst. Ich wollte mich nicht zwischen euch stellen, damit ich mir das nicht selbst eines Tages zum Vorwurf machen muss. Du solltest dich selbst frei entscheiden können. Aber zwischen ihm und mir, das wird nichts mehr."

      Danach wollte Julius sich nicht mehr einmischen, die Worte seines Vaters waren deutlich gewesen. Aber der Bewunderung für seinen Großvater taten sie keinen Abbruch, auch wenn er sich manchmal fragte, was so schlimmes vorgefallen war, womit sein Großvater die Verachtung von Thomas auf sich gezogen haben könnte.

      Julius

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