AUSSTEIGEN - LIGHT. Andreas N. Graf

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AUSSTEIGEN - LIGHT - Andreas N. Graf

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zunächst nur auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse abzielt, so viel besser für die allermeisten Menschen. Und die fast zwangsläufige Überfüllung dieser Grundbedürfnisse, mit der wir in einem reichen und sicheren Land wie Deutschland rechnen müssen, würde uns bald mit Staunen und Freude in Anbetracht all der Privilegien erfüllen, die uns praktisch geschenkt werden.

      In Deutschland muss niemand verhungern, niemand muss im Freien schlafen, niemand muss nackt sein, niemand muss alleine bleiben, niemand wird Opfer staatlicher Gewalt, niemand wird ohne Grund seiner Freiheit beraubt. Stattdessen können wir aus vielfältigen Speisen wählen. Wir teilen unsere Wohnung normalerweise nicht mit ein oder zwei anderen Familien. Hocken auch nicht zu acht in der Stube. Haben sogar mehrere Wohnräume zur Verfügung, Sanitäreinrichtungen und eine Küche. Wir können über ein erstaunliches Sortiment an Kleidern verfügen, sind sogar in der bevorzugten Lage uns wintertaugliche Kleidung und Schuhwerk zuzulegen. Und wenn es uns an etwas mangelt, gibt es tausend Hilfsangebote, staatliche und private, und das, obwohl man diese Angebote nicht einmal nötig hat. Ein Wunderland, in dem zu leben wir privilegiert sind. Ein Land, in dem ein Mensch, dem es nur auf das Wesentliche, das Notwendige ankommt, zu jeder Zeit mit Überfülle und Luxus konfrontiert wird. Ein Land, in dem man gehen kann, wohin man will, sagen, was man denkt. Ein Land, in dem ein freies Leben möglich ist, wenn man es nur will.

      Ich zähle zum Beweis meiner kleinen Polemik nur Einiges von dem auf, was ich besitze, ohne es wirklich zu brauchen: Eine mehrtausendbändige Bibliothek großartiger Literatur, meist gebraucht gekauft oder geschenkt bekommen. Einen Laptop – gebraucht gekauft. Jedes Mitglied meiner Familie hat ein eigenes Zimmer, ein eigenes Bett. Jedes Zimmer ist beheizbar. Mein Haus ist abbezahlt. Ich verfüge über ca. 60 (!) Kleidungstücke, darunter vier Hosen, fünf Hemden, drei Pullover, zwei Jacken, fünf paar Socken, drei paar Schuhe etc. – alles (bis auf die Unterwäsche) gebraucht gekauft, alles beste Qualität. Ich besitze ein Auto – einen Kleinwagen zwar mit 200.000km und aus vierter Hand – aber mit CD-Spieler!

      Bin ich nicht ein reicher Mann? Wer kann meinen materiellen Überfluss bestreiten? Mir selbst, und das sage ich ohne jede Ironie, schwindelt im Angesicht des Reichtums, der sich auf meine Person konzentriert hat, ohne dass ich ihn besonders mühevoll erwerben musste. Ich nehme nur, was andere nicht mehr wollen und kann – so arrogant, so dumm bin ich – nicht verstehen, warum bei all dieser absurden Überfülle, nicht jedem Mensch auf diesem Planeten zumindest das Nötigste zur Verfügung gestellt werden kann...

       Anpassen an Gegebenes

      Survival of the fittest – so heißt es bei Darwin, so lautet die Gesetzmäßigkeit, nach der sich Entwicklung, Evolution, vollzieht. Das Überleben der Angepasstesten.

      Wir haben verlernt, uns anzupassen. Was für unsere Vorväter noch natürlich war, erscheint uns heute in Anbetracht unseres technologischen Potenzials, archaisch und rückständig, nämlich: Mit dem auszukommen, was leicht verfügbar ist, d.h. sich an die Gegebenheiten anpassen.

      Stattdessen glauben wir, wir könnten die Gegebenheiten immer an unsere Bedürfnisse anpassen. Und dies nicht einmal an die Grundbedürfnisse, sondern vor allem an die erlernten, die chimärenhaften, die fantastischen, die irrealen. Das letzteres mit Notwendigkeit zur Katastrophe führen wird, ist wohl auch dem Dümmsten mittlerweile aufgegangen. Unser Planet ist begrenzt – unsere Wünsche (und ja: auch unsere Ignoranz, unsere Unbescheidenheit, unser Größenwahn) unbegrenzt. Ich verbiete mir an dieser Stelle das weitere Polemisieren, denn jeder, der Augen hat, zu sehen, der sieht.

      Stattdessen werde ich kurz erläutern, wie effizient die Anpassung an die Gegebenheiten im Gegensatz zu deren Anpassung an unsere Bedürfnisse ist, ohne dabei zu verschweigen, dass beides beizeiten nötig ist.

      Um Land urbar zu machen, um aus Wald Ackerboden zu gewinnen, muss das bestehende Terrain verändert werden. Jeder sieht das ein, jeder versteht, warum wir in diesem Fall unsere Umwelt anpassen müssen. Doch wie schwer, wie langwierig ist dieser Prozess! Jahrhunderte und ungezählte Mühen ungezählter Menschen kostete es, das wilde Germanien, von dem Tacitus noch als einem fast durchgehend bewaldeten und gänzlich unwirtlich Gebiet spricht, urbar zu machen.

      Wie leicht ist es dagegen, Bedürfnisse aus dem Vorhandenen zu befriedigen. Man lebt beispielsweise in der Nähe eines Waldes. Man benötigt Baumaterial, Feuerholz, will sich einen Tisch, einen Stuhl zimmern – siehe: alles im Überfluss vorhanden! Eine Axt, ein Wagen, ein paar Schritte und schon hat man alles beisammen, um sich Behausung, Mobiliar und Wärme zu erschaffen.

      Die Anpassung an das Gegebene ist deutlich einfacher als die Anpassung des Gegebenen – dieses Prinzip auf die Gestaltung des eigenen Lebens angewandt, hilft, dieses immens zu vereinfachen und unglaublich zu bereichern.

      Ein Beispiel aus meinem Alltag. Wir benötigten Unterkunft. Wir wollten neben ausreichendem Wohnraum auch ein Gärtchen für die Kinder. Wir konnten und wollten uns nicht viel leisten, konnten und wollten nur um unser Geld kaufen, also mit dem arbeiten, was faktisch verfügbar war.

      Wir endeten in einer Vorstadtgemeinde, deren Zentrum im Verfall begriffen war, während an ihren Rändern wie Krebsgeschwüre die Neubaugebiete empor wucherten. Irrsinn. Auf der einen Seite günstiger bzw. günstig herzurichtender Wohnraum, der leer steht, auf der anderen Seite immens kostenintensive Neubauprojekte! Ein kleines Haus wurde es also, mit einem kleinen Garten, einem kleinen Hof, einer Scheune dabei. Jeder hat sein Zimmer. Darüber hinaus gibt es zwei Wohnräume. Eines der zwei Bäder und eine der zwei Küchen habe ich zurück gebaut – wir brauchen nämlich nur ein Bad und eine Küche. Die Renovierung erfolgte nach folgenden Überlegungen:

      Was nicht kaputt war, wurde nicht ersetzt.

      Was schadhaft war, wurde repariert.

      Was irreparabel beschädigt war, wurde durch etwas Gebrauchtes (so es verfügbar war) ersetzt.

      War der Schaden nur optischer Natur, wurde er erst einmal ignoriert.

      Nur im äußersten Notfall wurde etwas neu angeschafft.

      Alles was funktionierte, wurde belassen wie es war.

      Was nicht gefiel und ohne großen Kostenaufwand verändert werden konnte (Tapeten, Bodenbeläge – kann selbst ich machen), wurde auch verändert.

      Was nicht gefiel, und nicht ohne großen Kostenaufwand verändert werden konnte (in unserem Fall die 70er-Jahre Zimmertüren) wurde belassen. Wir haben uns den erdfarbenen Rechtecken aus feinstem Pressspan schlicht angepasst und...überlebt.

       Das Geld, das ich nicht ausgebe, muss ich nicht verdienen

      Bislang haben wir uns mit Einzelentscheidungen beschäftigt. Die Grundlage jeder Einzelentscheidung ist aber der gewählte Lebensstil. Wenn ich mich entschieden haben, möglichst ökologisch zu Leben, dann ist beispielsweise die Frage, ob ich Billigfleisch vom Discounter kaufe, bereits entschieden. Wenn ich mich als Selbstversorger durchschlagen will, muss ich mir nicht überlegen, wo ich kostengünstig Gemüse einkaufe. Dann sind andere Dinge wichtig, Anderes wird entschieden, das ist ganz klar.

      Um herauszufinden welches Maß grundsätzlich das richtige für mich ist und welches die Eckpfeiler meiner Entscheidungsarchitektur sind oder seinen sollen, muss ich mir zuerst die Frage beantworten, was für mich das wichtigsten im Leben ist. Welche Ziele, welche Zustände möchte ich verwirklichen? Auch hier werde ich mich jeder ethischen Beurteilung enthalten. Ich bin, wie gesagt, kein Weltverbesserer und keiner Ideologie Kind. Jeder ist sich selbst der Nächste und wenn jeder lernen nur würde, mit seinem Stück des Kuchens zufrieden zu sein, bzw. sich in den Gegebenheiten seiner Existenz einzurichten,

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