Der raumlose Raum. Peter Mussbach

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Der raumlose Raum - Peter Mussbach

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– Hast du keine Eltern?

       Nein!

       Aber du musst doch Eltern haben!

       Ich bin verwechselt worden.

       Was soll das denn heißen?

       Ich hab eben keine!

       Willst du dich über uns lustig machen?

       Ja!

       Was soll das nun heißen, du bist uns ja der Rechte!

       Ich bin nicht der Rechte!

       Nein, aber siebenmalgescheit!

       Ja, wie das Kasperle!

      Als mir die Fragerei auf den Keks geht, kürze ich die Sache ab, weil ich mich nicht in Gespräche verwickeln lassen möchte. Denn insgeheim habe ich das Gefühl, dass mich jemand sprechen will und unerkannt bleiben möchte. Also werfe ich den Leuten, die sich mir nähern wollen, schon von weitem entgegen … „Sitze da! Eltern um die Ecke! Kommen gleich wieder! Muss warten! Wiedersehen!“

      Ein lustiges, etwas naseweises Mädchen springt plötzlich hinter ihm übers Gras auf ihn zu und lacht auf.

      Na, schau mal her, da sitzt ja das Kasperle im Park und erholt sich von der Vorstellung!

       Wie kommst du denn da drauf?

       Na, dumme Frage, das ist doch klar, das sieht man doch!

       Was sieht man?

       Dass da das Kasperle sitzt!

       Wer denn – wer sitzt wo?

       Na du, hier, das Kasperle!

       Ich soll ein Kasperle sein? – Woran siehst du das?

       Na, eben so!

       Was heiß: Eben so?

       Nun ja, wie soll ich sagen, eben das Ganze!

       Was heißt: das Ganze?

       Na, du eben – das Kasperle!

       Ich soll ein Kasperle sein?

       Na klar; das sieht doch jeder! – Tschüs Kasperle!

      Als ich deutlich werden will, ist sie auch schon weggelaufen. Bestimmt warten ihre Eltern um die Ecke, weil sie wieder zu spät ist – Mädchen sind immer zu spät! „Dumm ist es nur, dass sie mich als Kasperle erkannt hat. Das ist ja schnell gegangen“, denke ich mir, „man will ein Kasperle sein und schon sieht es jeder!“ Hat er etwa das Teddybärkostüm schon abgestreift? – Wann denn? – Er versucht sich zu erinnern.

      Es ist dunkel und kalt geworden. Einige Straßenlaternen flackern aufgeregt durch die Bäume herüber, so dass er Angst bekommt, weil sie ihn wie Blinkeaugen beobachten. Plötzlich schreckt er auf: Ein dicker Käfer krabbelt ihm über den Handrücken; angeekelt rollt er sich zur Seite und schüttelt die Hand von sich weg, als er sich mit seinem Kopf plötzlich im Schoß eines anderen Jungen wieder findet, der sich offenbar unbemerkt neben ihn gesetzt hat. Sofort spürt er dessen angenehme Wärme, die ihm eigentümlich vertraut vorkommt, bleibt liegen, ohne aufzuschauen und kuschelt sich ein.

      Du weißt doch ganz genau, dass man auf dich wartet!

      Woher weißt du das denn?

      Das weiß man eben, wenn man einen Winzling in der Nacht im Park sitzen sieht.

      Wie kann man denn jemanden nachts im Park sehen, wenn er ein Winzling ist?

      Ich habe eben gute Augen!

      Ich auch; aber ich habe dich nicht gesehen, wie du dich neben mich gesetzt hast!

      Dann hast du keine Ohren.

      Oh doch, und auch gute Augen; vielleicht bist du der Winzling, den man gerne übersieht.

      Lass den Quatsch; willst du oder willst du nicht!

      Nein, ich will nicht!

      Was heißt das, du willst nicht; willst du hier etwa die ganze Nacht über sitzen bleiben?

      Vielleicht!

      Was heißt das, du musst nach Hause!

      Das sagst du! – Ich bleibe hier!

      So ein Angeber!

      Was heißt hier Angeber; ich habe keine Angst!

      Musst du ja auch nicht haben.

      Du kannst mich ja mitnehmen, wenn du Angst um mich hast!

      Wohin?

      Nach Hause!

      Ich will nicht nach Hause!

      Du auch nicht?

      Nein! – Aber du musst nach Hause!

      Warum gerade ich? Du kannst ja gehen, wohin auch immer, ich bleibe hier!

      Warum?

      Weil es zuhause langweilig ist.

      Langeweile ist das Schlimmste!

      Ja, dann ist alles leer!

      Dann steckt man in der Falle.

      Wie ein Teddybär!

      Die Warnung zur rechten Zeit

      „Soll ich dir eine Geschichte erzählen?“ fragt ihn der Junge. Schulter an Schulter sitzen sie eng aneinander gelehnt, die fernen Straßenlampen haben sich beruhigt, winzigen Sternen gleich blinzeln sie durch die Äste herüber. „Ja doch“, antwortet er gespannt wie ein Flitzebogen, „das ist doch mal eine Idee, toll, eine spannende Geschichte mitten in der Nacht im Finsteren, also leg los.“

      Seine Eltern, erzählt er, hätten etwas vor mit ihm, denn sie wüssten nicht mehr aus noch ein. Sie würden sich große Sorgen machen, dass er nicht zur Vernunft kommt, ganz aber hätten sie noch nicht aufgegeben, denn schließlich sei er das einzige von drei Kindern, das ihnen geblieben wäre. Sie wollten nicht zum Äußersten schreiten, denn sie liebten ihn wirklich, obwohl ihnen das manchmal schwer falle, denn er werde immer widerspenstiger wie ein Kasperle.

      Irgendetwas müsse geschehen, schließlich seien sie für ihren Sohn verantwortlich, den sie nicht länger wie einen Teddybären durchs Leben zerren wollten, dazu hätten sie nicht mehr die Kraft, irgendetwas müsse geschehen.

      Nun hätten sich seine Eltern beraten lassen, denn alleine, ohne fremden Rat wüssten sie nicht mehr weiter, bei einem Professor in der Großstadt nämlich, der seinen Fall schon kennen würde, schließlich hätte er ihn vor einigen Jahren ja schon einmal behandelt, damals schroff und rücksichtslos, mit den Mitteln der Pädagogik des Neunzehnten Jahrhunderts, als er seiner Mutter empfahl, ihn kopfüber windelweich zu schlagen, damit sie ihm in Ruhe die Windeln wechseln könne, ohne jedes Mal einen Tobsuchtsanfall und eine Ohnmacht zu ernten. Daran aber könne er sich sicher nicht mehr erinnern, denn da wäre er ja erst ein

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