Die tätowierten Augen. Viktoras Pivonas

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Die tätowierten Augen - Viktoras Pivonas

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ging das eine Weile, wobei sie sich räusperte und manchmal ´hm, hm´ machte und manchmal gar nichts. Schließlich setzte sie die Lupe wieder ab und meinte, so einen Fall hätte sie tatsächlich noch nicht gehabt.

      Komm, sagte sie, ich werde Dir etwas zeigen.

      Dabei nahm sie seine Hand, so dass er aufstehen musste und ihr wie ein Kind folgen.

      Leise, sagte sie, wir dürfen jetzt nicht stören.

      Der Mann ließ alles mit sich geschehen. So dicht am Ziel seiner Wünsche, wollte er keinen Fehler machen. Schweigend folgte er ihr in den Garten. Zwischen Blumen und Gemüsebeeten stand auf einem Gestell eine kürbisgroße, gläserne Kugel, in der sich das Sonnenlicht sammelte. Dort, wo das Licht gebündelt und gleißend aus der Kugel austrat, lenkte es ein Junge mit einem Spiegel in eine Röhre, die wie ein Fernrohr aussah. Beweglich, am Ende des Rohres, war eine bleistiftdünne weitere Röhre befestigt, die ein bärtiger Mann in der Hand hielt und aus deren Spitze nadelfeine Blitze sprühten. Punkt für Punkt brannte der Bärtige mit dem Instrument einem Mädchen einen Ring um den Finger. Blitz auf Blitz bohrte sich in die Haut und hinterließ eine farbenprächtige Spur, die schließlich ihren Finger umschloss.

      So einfach ist das, sagte der Mann, und ließ die Hand seiner Führerin los.

      Ja, antwortete sie, so einfach – wenn man es kann. Aber komm zur Seite. Du darfst meinen Helfer nicht stören. Die Kleine wollte mehrere Ringe. Etwas musst du noch warten. Leg dich inzwischen ins Gras. Ich pflücke noch einige Kirschen, Tollkirschen, fügte sie hinzu.

      Kaum hatte sie ihn verlassen, war sie schon wieder da.

      Es wird schmerzen, sagte sie, das Licht wird Dich blenden und zunächst wirst Du gar nichts erkennen. Aber Böses wird Deinen Augen nicht mehr schaden. Das kann ich versprechen.

      Genau das wünsche ich mir doch, sagte der Mann.

      Ja, ja, das wünschst Du Dir, antwortete sie geduldig, das heißt aber noch lange nicht, dass das Böse aus der Welt verschwindet.

      Hauptsache, sagte der Mann, ich werde nicht blind.

      Wenn Du unbedingt willst, sagte sie, komm, die beiden sind jetzt fertig. Als erstes träufele ich Dir Tollkirschensaft in die Augen, damit sie sich weiter öffnen. Aber ich warne Dich. Es wird wehtun und es wird eine Zeitlang dauern. Danach führte sie ihn zu der gläsernen Kugel. Der Mann musste sich ins Gras legen; sie kniete an seiner Seite nieder und nahm das Röhrchen zur Hand, aus dem die Blitze schossen.

      Schau, sagte die Frau und griff sich ein welkes Blatt. Ein greller Strahl durchbohrte das Blatt.

      Schau, wiederholte sie und hielt das Blatt vor sein Gesicht, damit er das Löchlein sah.

      Los! sagte er.

      Da holte sie wieder ihre Lupe hervor, beugte sich über sein Gesicht und ließ den ersten Blitz in sein Auge fahren. Dann kamen die Blitze Schlag auf Schlag und ihm war, als müsste er direkt in ein Feuer schauen. Nach einer Weile hätte er am liebsten die Augen geschlossen und den Kopf zur Seite gedreht. Aber sein Wunsch war stärker und obwohl ihn die Lichtblitze zunehmend schmerzten und die Augen zu tränen begannen, hielt er still. Als er meinte, es nicht mehr ertragen zu können, sagte die Frau:

      Das war das eine, jetzt das andere Auge.

      Der Mann nickte. Obwohl er wusste, was ihn erwartete, schien jetzt alles nur noch schlimmer. Ihm war, als läge er unter einer Nähmaschine und als würde eine Nadel immer schneller und heftiger in sein Auge fahren.

      Als die Frau schließlich aufstand, sagte er:

      Jetzt bin ich wirklich blind.

      Geblendet, antwortete die Frau. Kein Wunder, bei diesem Licht. Bleib liegen und erhole Dich ein bisschen. Vielleicht hörst Du das Gras wachsen.

      Sie lachte leicht und er hörte, wie sich Ihre Schritte entfernten. Dann war es still. Das Gras raschelte an seinem Ohr; in der Ferne vernahm er den Gesang einer Lerche. Als die Frau nicht wieder kam, blinzelte er vorsichtig unter den Lidern hervor. Das war gut so, denn das Licht blendete ihn so stark, dass gleich wieder Tränen flossen.

      Immerhin, sagte er sich, ganz blind bin ich nicht.

      Der zweite Versuch verlief schon besser und nach dem dritten stand er auf und ging ins Haus. Da saßen die Frau mit ihrem bärtigen Helfer und der junge Mann, der den Spiegel gehalten hatte, um einen Tisch.

      Setz Dich, lud die Frau ihn ein, hier sind Brot und Wein. Danach kannst Du schlafen.

      Und der Bärtige sah ihm direkt in die Augen und wandte sich dann an die Frau:

      Gute Arbeit.

      Ich weiß, erwiderte sie, es ist gute Arbeit.

      Als der Winzer einige Tage später vorbeikam, um den Mann abzuholen, war er nicht wenig erstaunt, ihn bei der Gartenarbeit zu treffen.

      Ich hole nur mein Bündel, sagte der Reisende. Verabschiedet habe ich mich schon.

      Als sie dann auf der Fahrt nebeneinander saßen, meinte der Winzer:

      Ich sehe keinen Unterschied.

      Ich auch nicht, antwortete der Mann. Jedenfalls nicht im Spiegel. Als ich danach fragte, erklärte die Frau: mir würde es gehen wie dem Angler, der sehe auch nur die Fische. Und nach einer Pause habe sie hinzugefügt: ich würde jetzt gute Freunde brauchen.

      Fein, sagte der Winzer, neben Dir sitzt schon einer. Dann lenkte er die Fuhre um ein Schlagloch.

       -.-

      Kaum schwieg der alte Abel, sagte der Junge, der noch immer zu seinen Füßen saß und nur von Zeit zu Zeit das Feuer geschürt und nachgelegt hatte:

      Das war ein schönes Märchen.

      Moment, Moment, meldete sich jemand zu Wort, Abels Geschichte ist noch nicht zu Ende.

      Doch, sagte der Junge und zu Abel: die Geschichte ist doch zu Ende?

      Nein, nein widersprach die Stimme aus dem Hintergrund: das geht noch weiter. Die Frau hat etwas mit seinen Augen gemacht, das muss doch eine Wirkung haben. Ich möchte auch wissen, was sie ihm hineingezeichnet hat…

      Wird man das je erfahren? fragte die junge Frau eher sich selbst.

      Aber das muss weitergehen, beharrte die Stimme, die sich bisher so hartnäckig geäußert hatte: der Mann kann doch wieder sein Leben in die Hand nehmen, ohne Angst zu erblinden. Das geht bestimmt weiter…

      Ja, ja, stimmte Abel zu, das geht weiter. Ich bin nur ein bisschen müde geworden. Ich hätte nicht gedacht, dass mich eine so kurze Erzählung dermaßen ermüden könnte. Nun ja, die letzten Tage.

      Sicher nicht nur die letzten Tage, sagte plötzlich der Verwundete, es waren Jahre, schlimme Jahre.

      Und es ist noch nicht vorbei, meinte die junge Frau.

      Mir, sagte der andere Uniformierte, der mit dem roten Stern, und wiederholte dann: Frieden!

      Dabei sprach er so laut und heftig, dass alle erschraken. Vielleicht auch, weil seine Stimme rau und

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