Die gefundene Frau. Rita Kuczynski

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Die gefundene Frau - Rita Kuczynski

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einträte. Das Ganze bedürfe selbstverständlich der Schriftform. Ein Nutzungsvertrag unter zehn Jahre rentiere sich jedoch keinesfalls. Ob der Friedhof da mitmache, hielte sie eher für unwahrscheinlich. Ich sollte mal besser nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen.

      Ich bedankte mich für die Auskunft und schlug den Weg zum Friedhof ein. Bevor ich bei der Kirchhofsverwaltung vorsprach, ging ich zum Grab meiner Großmutter. Ich brach einen Zweig aus der Buchsbaumhecke und sagte meiner Großmutter: Auf Wiedersehen. Auf Wiedersehen, sagte ich damit einem Fixpunkt, aus der Zeit, in der es noch feste Orte gab, auf die zurückgekommen werden konnte, selbst nach allem Ende.

      2

      Im Friedhofsbüro erfuhr ich, daß das Grab zwei Erdstellen umfaßte. Ich nahm zur Kenntnis, die Doppelstelle war von einem Unbekannten für die nächsten fünfzehn Jahre bezahlt worden. Auf meine Frage, wer dieser Unbekannte sei, antwortet die junge Frau mit klarem Schweigen. Nach angemessener Pause sagte sie, ich könne also über das Nutzungsrecht im Sterbefall frei verfügen. Verpachten könne ich die Grabstelle allerdings nicht. Das Land gehöre der Kirche.

      Angenommen den Fall, fragte ich, es gäbe doch eine Möglichkeit, die Grabstelle zu verpachten, wie hoch könnte der Pachtzins denn veranschlagt werden?

      Ungerührt von der Frage, sah die Frau in einer Tabelle nach. Bei zwei Grabstellen betrüge der Mietszins für das Doppelgrab in zehn Jahren 12000 DM. Aber das ginge nicht. Das sei gegen alle Vorschriften und gegen die Friedhofsordnung dazu.

      Besser als nichts. Wieviel wäre denn in etwa für den Grabstein zu bekommen?

      Das falle nicht in ihren Zuständigkeitsbereich. Da müsse ein Steinmetz befragt werden.

      Ich bedankte mich und verließ das Büro durch den Blumenladen. Vor seiner Tür lagen Kränze. Auch Wachsblumen waren zum Verkauf in den Schnee gesteckt.

      Ich nahm den Hauptweg des Friedhofs und lief hinaus aus einem Ende, das hinter mir lag. Ich hatte den Ort aufgegeben, der auch mir gehörte in einer Zeit, die nun nicht stattfinden würde. Ich lief aus dieser Zeit, die meine nicht mehr werden konnte und stand auf der Auffahrtsstraße zur Stadtautobahn.

      Wenn dies wirklich ein Ende war, über das ich hinausgegangen war, war ich eine Hinterbliebene. Vielleicht sollte ich mir aus Gründen der Pietät kondolieren. Ich hielt den Buchsbaumzweig fester in der Hand. Er stank. Ich hielt ihn trotzdem. Vielleicht sollte ich mir gratulieren, daß ich nun auf den Namen Agnes hörte.

      Ich hatte einen Ursprung zu mir verlassen. Nicht verloren hatte ich ihn, wie ich befürchtete. Nein, verlassen. Ich stand auf der Straße und war nicht erstaunt, daß ich mit einer zuvor nie gekannten Bestimmtheit zu sagen wußte: Es ginge weiter nach solch einem Ende. Ich registrierte, daß ich nicht einmal irritiert war. Gleichgültigkeit, gegenüber einem eigentlich viel zu lange herausgezögerten Abschied, war das Erste, was sich an Gefühl einstellte. Nicht Trauer, sondern Erleichterung, war das zweite. Sie ging über in Gleichmut, wenn von Mut in diesem Zusammenhang überhaupt die Rede sein soll.

      Ich hieß jetzt Agnes und war wieder frei. Wofür war unklar. Das änderte an dem Gefühl selbst nichts. Im Gegenteil, es verstärkte mein Wohlbefinden.

      Ich machte mich auf den Weg zum Steinmetz. Abdrücke im Schneesand gab es auch hier nicht. Also brauchte ich keine Befürchtungen zu haben, daß Spuren sich abzeichnen konnten, die verrieten, von welchem Ende her ich nun auf mich zulief. Ein Zurück zum Ursprung blieb daher ausgeschlossen.

      Beim Steinmetz angekommen, stöberte ich durch den Garten. Vor den gebrauchten, den abmontierten Grabsteinen blieb ich stehen. Sie waren aneinander gestellt worden. Ich las die Namen, las Geburts- und Sterbetage. Auf vielen Steinen lagen die Daten für den Tag des Todes weniger als zwanzig Jahre zurück.

      Der Steinmetz kam. Er erkundigte sich nach meinen Wünschen. Ich trug ihm mein Anliegen vor.

      Ohne das Objekt gesehen zu haben, könne er natürlich gar nichts über den Wert sagen. Aber wenn es sich wirklich um Marmor von schwarzer Schwalbe handele, meinte er, könne ich mit einer beträchtlichen Summe rechnen. Zumal, wenn der Bildhauer tatsächlich Vargas war und meine Großmutter nicht auf eine der unzähligen Fälschungen hereingefallen sei. Es gab doch gerade in jener Zeit den großen Vargasskandal. Ich registrierte erst jetzt, der Mann, der da vor mir stand, war an die siebzig Jahre alt. Wenn es ein echter Vargas sei, könne ich ihn sogar als Kulturgut dem hiesigen Museum anbieten. Gegen ein entsprechendes Entgelt würde er aber ein besseres Geschäft vermitteln. Wir vereinbarten einen Termin um den Grabstein zu besichtigen.

      Langsam lief ich zum Wohnheim. Zeit hatte ich nicht zu verlieren. Ich hatte keine mehr. Und ich war erstaunt, mit welcher Gelassenheit ich diese Einsicht hinnahm. Ich war wieder frei. Solch ein Satz hört sich gedankenlos an. Aber für mich stimmte er. Ich hatte alles hinter mir gelassen. Insofern ist auch nichts Unredliches daran, wenn ich sage, daß ich meine eigene Hinterbliebene geworden war.

      Falls der Stein ein Kulturgut ist, war es nur sinnvoll ihn zu verkaufen, dachte ich. Von dem Geld kann ich mir vielleicht eine Wohnung mieten. Ich muß Expertisen einholen, um zu erfahren, was der Grabstein wert ist.

      Im Wohnheim stellte ich den Buchsbaumzweig ins Glas. Ich füllte es nicht mit Wasser. Der Zweig sollte nicht wachsen. Ich legte mich auf den Futon und sah wieder auf die Schritte vor dem Fenster. Ich meinte, den Geruch von Hundepisse wahrzunehmen, als ich die noch immer feuchte Stelle mit Schnee in der Fensterecke sah.

      Abrupt stand ich auf. Der Grabstein muß geschätzt werden. Ich muß hier raus.

      3

      Als ich an der Grabstelle ankam, war der Steinmetz schon da. Er hantierte am Sockel des Grabsteins.

      Die Schwierigkeit bleibt die Verschraubung. Am sichersten wäre, den ganzen Stein auszuheben, sagte er zur Begrüßung. Ich müsse ihm helfen. Allein schaffe er es auf keinen Fall. Die paar Meter von der Grabstelle zum Lieferwagen haben es in sich, meinte der Steinmetz.

      Erst jetzt sah ich das Auto. Es stand quer zum Aufgang G. Mit Aufgang G begannen die Erdstellen für Familiengräber. Sie zogen sich hin bis Aufgang L. Der Motor des Lieferwagens lief. Die Laderampe war herruntergefahren. An ihre Enden rechts und links leuchten rot Blinklichter.

      Der Gottesacker war glücklicherweise nicht tief gefroren. Der Steinmetz zeigte auf einen Erdbohrer. Er hatte ihn in den Boden des Gehweges gedreht. Er holte ihn heraus und hielt ihn mir vor die Nase.

      Höchstens zehn Zentimeter.

      Mit den Fingern wischte er die Erde ab, die oberhalb der zehn Zentimeter am Bohrer haften geblieben war.

      Ich habe die Expertisen mitgebracht, sagte ich. Es ist ein echter Vargas.

      Der Steinmetz winkte ab.

      Das habe ich mit geschlossenen Augen gesehen. Dazu brauche ich keine Spezialisten. Laß mal stecken den Schriftkram. Am besten, vergiß ihn. Wenn wir den Stein hier heute loskriegen, hast du unverschämtes Glück. Ich habe einen Abnehmer. Bis 20 Uhr müssen wir geliefert haben. Das war die einzige Bedingung. Glaub mir, das ist ein gutes Geschäft. Du sparst den ganzen Krempel mit dem Amt für Deutsche Kulturgüter und die Erbschaftssteuer dazu.

      Und wie bekommen wir den Stein von hier fort? Der Friedhof schließt gleich.

      Ich habe vom Friedhofsverwalter die Schlüssel für die Ausfahrt zum Nordtor. Natürlich gegen ein Entgelt.

      Und wenn der Stein in falsche

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