Die Angelsächsin. Sabine Keller

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Die Angelsächsin - Sabine Keller

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Schluss machen kann. Jedenfalls wünsche ich Euch viel Glück.“

      Die beiden verabschiedeten sich und verließen, hungrig und durstig nach dem langen Ritt die Burg. Sie waren spät in London eingetroffen und das abendliche Mahl der Burgbewohner war schon vorüber, also suchten in den verwinkelten Gassen von London nach einer Wirtsstube. Sie betraten das nächstbeste Schankhaus, in dem auch Essen serviert wurde, setzten sie sich müde zwischen einige Bürger der Stadt an einen groben Holztisch und bestellten frisches Bier und gebratenes Geflügel.

      Robert griff nach dem tönernen Bierkrug, den der Wirt sofort gebracht hatte. Auf das Essen mussten sie noch etwas warten. „Der König kann wirklich von Glück sagen, einen Mann wie Richard de Lucy zu haben. Einen fähigeren und loyaleren Mann hätte er für den Posten des obersten Justiziars kaum finden können.“

      „Nach allem, was man hört, hat Henry überhaupt eine gute Hand in der Auswahl treuer Leute“, bestätigte Duncan, goss sich ebenfalls Bier in seinen Becher und nahm einen tiefen Schluck.

      „Wenn man von Thomas Becket einmal absieht, hast du recht.“

      „Becket? Wieso? Als Kanzler des Reiches und Henrys rechte Hand war er ihm doch immer treu ergeben. Es war nicht seine Schuld, dass man ihm zusätzlich das Amt als Erzbischof von Canterbury aufgedrängt hat.“

      Der Angelsachse Thomas Becket war ein enger Freund des Königs gewesen und hatte ihm jahrelang als Kanzler tatsächlich sehr ergeben gedient. Dann jedoch machte König Henry den Fehler, Becket, der eine kirchliche Ausbildung hatte, zum Erzbischof zu ernennen. Das brachte den aufrechten Mann in einen Gewissenskonflikt, denn er nahm seine neue Aufgabe ebenso ernst wie bisher sein Kanzleramt. Dummerweise war der König hinsichtlich der Zuständigkeit der kirchlichen Gerichtsbarkeit geteilter Meinung mit den Vertretern der Kirche und Becket konnte beim besten Willen nicht beiden Seiten dienen.

      „Becket hätte die Ernennung ablehnen müssen.“

      Duncan schnaubte. „Das hatte er doch versucht. Henry hat ihn damals lange genug drängen müssen. Außerdem, ernsthaft, wie willst du denn einen Wunsch des Königs ablehnen!“

      Die Kirche hatte für Kirchenangehörige eigene Gerichtshöfe, die nach eigenen Gesetzen richteten und eigene Strafen verhängten. Aber nach Henrys Meinung hatte nur er als der König die oberste Gerichtsbarkeit inne und somit unterstand ihm logischerweise auch die Kirche. Es ging hier ums Prinzip, er wollte sich vorbehalten, auch Kirchenangehörige jederzeit durch königliche Gerichte aburteilen zu können. Außerdem misstraute er den in der kirchlichen Rechtsprechung gerne verwendeten Gottesurteilen. Da mussten Angeklagte bei der Wahrheitsfindung für Nichtigkeiten ihr Leben lassen, während als höchste Strafe für Mord oder ähnlich schwere Vergehen dagegen nur die Exkommunikation verhängt wurde. Für einen Gläubigen mochte das eine harte Strafe sein, für König Henry jedoch nicht.

      „Nein, ich kann den Mann schon verstehen“, fuhr Duncan fort. „Da gab es keinen Mittelweg. Jede Partei pochte auf ihre angestammten Rechte. Becket musste sich wohl oder übel entscheiden, entweder für den König oder für die Kirche. Er wählte eben die Kirche.“

      Als Erzbischof von Canterbury war Thomas Becket in England der oberste Vertreter der Kirche gewesen und damit einer der mächtigsten Männer des Landes. Für ihn als Kirchenmann stand die Kirche über allem Weltlichen, schließlich waren die Geistlichen die Vertreter Gottes. Und somit konnte er unmöglich zulassen, dass sich irgendein Mensch, und sei es auch ein König, über die Macht der Kirche, beziehungsweise über die Macht Gottes stellen wollte.

      „Na schön, du hast nicht ganz unrecht, Becket musste eine Wahl treffen“, gab Robert zu. „Aber seine Entscheidung hat niemandem geholfen. Der endlose Streit danach hat einige Opfer gefordert und auch ihn letztendlich ins Grab gebracht. Er hätte besser nachgeben sollen.“

      Nach jahrelangen Konfrontationen und der Aufstellung für beide Seiten geltender, gesetzlicher Richtlinien in den Konstitutionen von Clarendon, die später von der Kirche doch wieder abgelehnt wurden, endete der Streit zu guter Letzt mit der Ermordung des Erzbischofs in seiner eigenen Kathedrale in Canterbury. Ausgeführt von vier Rittern des Königs, aber nachweislich ohne Henrys Wissen und gegen seinen Willen. Immerhin zählte er den unbeugsamen Mann trotz aller Meinungsverschiedenheiten zu seinen Freunden. Dennoch hielten viele den König für den heimlichen Auftraggeber dieser Schandtat, denn der Tod seines hartnäckigsten Gegners kam dem König schließlich nicht ganz ungelegen.

      „Becket hätte einlenken sollen? Warum? Genauso gut kannst du sagen, Henry hätte nachgeben müssen. Das ist doch eine prinzipielle Kompetenzfrage: Wer hat das Sagen, das weltliche Oberhaupt oder das Kirchliche? Gott ist der oberste Richter, klar, nur sind seine Vertreter hier unten halt doch bloß Menschen und damit nicht klüger oder gerechter als ein König oder Kaiser oder wer auch immer.“

      „Schon gut, über diese Frage werden sich die Geister wohl ewig streiten. Wir zwei werden auch keine Lösung finden. Aber einen Erzbischof wegen dieser Streitigkeiten zu ermorden ist sicher nicht der richtige Weg, da sind wir uns doch wohl einig!“ Eine Schankmagd brachte jetzt das bestellte Fleisch an ihren Tisch und einen Korb mit dunklem Brot.

      „Natürlich! Ich will auf keinen Fall einen Mord gutheißen!“, beteuerte Duncan zwischen zwei Bissen. „Und ich gehöre auch nicht zu denen, die Henry für den Auftraggeber halten. Er hatte sicher nichts damit zu tun. Becket war sein Freund, trotz allem. Diese Ritter hatten Henrys Wut auf den unbeugsamen Erzbischof einfach missverstanden.“

      „Ja, das denke ich auch. Henry hat damals ehrlich um ihn getrauert, du hast es ja miterlebt. Es war richtig von Papst Alexander, den Spekulationen ein Ende zu setzten und Henry offiziell freizusprechen, auch wenn er es vielleicht nicht ganz freiwillig getan hat.“

      Robert spielte auf ein offenes Geheimnis an. Henry war im letzten Jahr von Papst Alexander persönlich von aller Schuld an Beckets Tod losgesprochen worden, aber erst, nachdem er ein ganz klein wenig politischen Druck ausgeübt hatte. Die umstrittenen Richtlinien von Clarendon waren kurz danach bis zur beiderseitigen Zustimmung abgeändert worden. Seitdem hatte Henry die Unterstützung der mächtigen und reichen Kirche wieder völlig auf seiner Seite.

      „Die üble Geschichte hat den König noch vorsichtiger werden lassen. Dabei könnte er sich mit gutem Gewissen durchaus auf seine Leute verlassen. Becket ist eine Ausnahme, er war bisher der einzige Beamte, der je die Fronten gewechselt hat. Trotzdem gibt Henry seither jedem nur noch möglichst geringe Befugnisse, und das gilt besonders für seine Familienmitglieder. Unter seinen vielen Beamten besitzt eigentlich nur Richard de Lucy sein absolutes Vertrauen und wirklich große Macht.“

      „Ich halte Henrys übertriebene Vorsicht eher für einen Fehler“, meinte Robert und nahm sich einen weiteren Hühnerschenkel vom Brett. „Man muss auch Verantwortung abgeben können, selbst auf die Gefahr hin, mal einen Rückschlag einzustecken. Es gibt einige, die über das mangelnde Vertrauen des Königs gekränkt sind. Nimm doch nur seinen Sohn! Der Prinz hat eine Menge Titel, aber keine Macht. Henry hat seinen Erben von den Regierungsbelangen vollkommen ausgeschlossen. Du siehst ja, wohin es geführt hat. Jetzt steht ihm deswegen ein Aufstand bevor.“

      „Tja, man hat es nicht leicht mit seinen Eltern. Ich verstehe mich auch nicht sonderlich mit meinem Vater. Wir haben in so ziemlich Allem unterschiedliche Ansichten.“ Duncan hob seinen Becher und grinste. „Auf die Väter“, sprach er einen Toast aus und Robert stimmte lachend bei, auch wenn sein Vater anscheinend eine rühmliche Ausnahme war, denn sie hatten ein recht gutes Verhältnis zueinander.

      Gestärkt verließen die Ritter später die Gaststube und vertraten sich in der Stadt noch etwas die Beine. Nach dem langen Ritt tat ihnen ein wenig Bewegung gut. Inzwischen waren dunkle Wolken über London aufgezogen, die den

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