Die Angelsächsin. Sabine Keller
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Читать онлайн книгу Die Angelsächsin - Sabine Keller страница 13
„Das liegt aber nicht am König, früher war es im Grunde auch nie anders.“ Gischt stäubte zu ihnen hoch und Duncan zog den Kopf etwas zurück. „Wenn man schon als Kind im Alter von sieben Jahren zur Ritterausbildung in die Obhut eines fremden Fürsten in einer weit entfernten Grafschaft geschickt wird, bleibt für Freundschaften gar keine Zeit. Ich kenne zwar die Namen unserer Nachbarn, habe aber die Meisten nie richtig kennengelernt. Man trifft sich höchstens mal als Gegner auf einem Turnier.“
„Stimmt schon. Wir sind uns ja auch erst am Hofe begegnet und das, obwohl wir direkte Nachbarn sind. Aber in unserem Fall kommt unsere Herkunft noch dazu. Normannen und Angelsachsen pflegen selten gesellschaftliche Kontakte miteinander, auch nicht als Nachbarn.“
„Und mein Vater schon gar nicht.“ Duncan schüttelte grinsend den Kopf bei dem Gedanken an seinen starrköpfigen Vater. „Er würde nie auch nur einen Fuß in das Haus eines Normannen setzen! Er hat euch die Eroberung von England vor über hundert Jahren bis heute nicht verziehen und in diesem Punkt ist er auch keinem Argument zugänglich.“
„Ganz unrecht hat er nicht. Viele Normannen haben ihre Macht ausgiebig missbraucht. Die Angelsachsen wurden ausgebeutet und unterdrückt, wo es nur ging. Ich muss zugeben, meine Ahnen waren auch nicht gerade zimperlich.“
„Deine Ahnen, mag sein, aber was kannst du dafür? Man kann doch nicht ewig in der Vergangenheit leben.“
Robert zuckte die Achseln. „Alte Feindschaften und Vorurteile können eben nicht so leicht ausgemerzt werden. Das braucht seine Zeit.“
„Immerhin, das Verhältnis zwischen unseren Völkern hat sich schon sehr verbessert, seit König Henry strikte Gesetzte eingeführt hat, die wirklich für jeden gelten, unabhängig von der Herkunft.“
„Ja, das hat einiges erleichtert. Jetzt sind ja sogar einige angelsächsische Edelleute, so wie du, in den Dienst des Königs getreten, obwohl Henry Normanne ist. Das wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. Trotzdem, bis wir ein einiges Volk bilden, werden sicher noch einige Generationen vergehen. Falls überhaupt je.“
Inzwischen waren sie der Küste langsam näher gekommen und konnten schließlich die Strände der Isle of Wight ausmachen, an denen sie dann östlich entlang segelten. Hinter der Insel kam Portsmouth am Ende einer flachen Landzunge in Sicht. Die kleine Hafenstadt war für den schwerfälligen Frachter leichter zu erreichen, als Southampton, das einige Meilen weiter in einer tief eingeschnittenen Bucht lag.
Der Kapitän ließ jetzt die Segel reffen und sie verloren schnell an Fahrt. Nur ein einziges, schmales Segel blieb oben, damit das Schiff weiter manövrieren konnte. Langsam trieben sie in den Hafen. Auf ein scharfes Kommando fiel nun auch das letzte Segel und sie prallten mit einem sanften Stoß an die Hafenmauer. Sie wurden schon von einem Händler erwartet, der mit ein paar kräftigen Männern zum Entladen bereitstand. Schnell wurden die Taue zu den wartenden Männern hinübergeworfen und nach ein paar geübten Handgriffen lag das Schiff fest.
Die beiden verließen ihren Beobachtungsposten an der Reling und sattelten ihre Pferde. Polternd wurde die Rampe zum Steg hinübergeschoben und sofort machten die Söldner Anstalten, das Schiff zu verlassen. Sobald sie sich jedoch, mit ihrem Gepäck beladen, der Rampe näherten, wurden sie von den Matrosen aufgehalten und an das Heck des Schiffes gedrängt. Was ihre Laune nicht eben verbesserte. Lautstark schimpften und fluchten sie zum Kapitän und den Rittern hinüber.
Unbeeindruckt sagten die Ritter dem Kapitän Lebewohl und führten ihre Pferde unter den wütenden Blicken der Söldner an Land. Offenbar waren die Pferde ebenso froh wie ihre Reiter wieder festen Boden unter den Hufen zu haben, denn diesmal machte auch Duncans Rappe keine Schwierigkeiten an der Rampe. Auf der steinernen Mole saßen die beiden auf und ritten vorsichtig durch die Passanten in den engen Straßen der lebhaften kleinen Hafenstadt.
Es war zwar schon Nachmittag, aber da sie in Barfleur so viel Zeit verloren hatten, hatten sie beschlossen, sofort weiterzureiten. Bis Chichester konnten sie vor Einbruch der Dunkelheit sicher noch kommen. Sie verließen Portsmouth durch das Nordtor und ritten landeinwärts, wo sie bald wieder auf eine der alten Römerstraßen stießen, die hier ein Stück die flache, grüne Küste entlang nach Osten verlief. Über das ebene Grasland konnten sie schon bald die Stadtmauer und den Turm der Kathedrale von Chichester am Horizont sehen. Allerdings hatten sie sich mit der Entfernung verschätzt. Als sie endlich die Stadt erreichten und sich nach einem Nachtlager umsehen konnten, war die Sonne längst untergegangen.
Kapitel 3
Beim ersten Hahnenschrei waren die Ritter schon wieder unterwegs. Es war weit bis London und sie wollten die Stadt wenn möglich heute noch erreichen. Kurz hinter Chichester gabelte sich der Weg und wurde in Richtung London zu einer breiten, gut befestigten Straße. Dieser Weg hatte sogar einen Namen, die Stane Street, und war ebenfalls von den Römern errichtet worden als eine ihrer wichtigsten Verbindungen für ihre Truppen von der englischen Küste nach London. Sie war damit über tausend Jahre alt und trotzdem noch in wirklich gutem Zustand.
Die Römer wählten für ihre Straßen möglichst immer die kürzesten Strecken, wobei sie den Straßenverlauf geschickt an das natürliche Gelände anpassten. Da nördlich von Chichester die Haupthöhenzüge der Hügelkette der South Downs lagen, bog die Straße leicht nach Osten ab und nutzte schließlich das Tal des Flusses Arun mit seiner leichteren Steigung, um die Hügel zu überqueren. Danach ging es ohne größere Schwierigkeiten durch das sanft gewellte Land nach London.
Erschöpft gelangten die Ritter am Abend an die Themse und ritten über die steinerne Brücke hinüber auf das Südtor von London zu. Laut klapperten die Hufe ihrer Pferde durch die gepflasterten Straßen zum White Tower, der großen turmartigen Burg des Königs, wo die beiden in der Unterkunft der Burgbesatzung ihr Lager aufschlugen. Inzwischen war es schon spät am Abend, dennoch fragten sie als Erstes nach Richard de Lucy, dem sie ja die Papiere des Königs aushändigen sollten. Sie hatten Glück, der Justiziar des Königs, der in seiner Eigenschaft als Richter viel im ganzen Land herumreiste, war tatsächlich hier und sie ließen sich sofort bei ihm melden.
De Lucy, ein schon älterer Mann mit hellwachen Augen, begrüßte die ihm bekannten Ritter freundlich und nahm die lederne Mappe in Empfang. Er warf einen schnellen Blick auf das Siegel des Königs, zog die Briefe heraus und überflog sie kurz.
„So, des Königs Erbe wird aufmüpfig. Das war ja früher oder später zu erwarten. Was gibt es sonst für Neuigkeiten aus Frankreich?“, wollte er dann wissen. Henrys Unstimmigkeiten mit seinem Sohn waren dem stets gut informierten Beamten längst über schnelle Boten zugetragen worden.
„Aus Frankreich gibt es nichts, was Ihr nicht längst wisst“, gab Robert zurück. „Aber wisst Ihr auch, dass offenbar jemand hier in England eine Söldnertruppe aufstellt?“
De Lucy sah ihn ungläubig an. „Hier? Aber hier stehen doch keine Gefechte an, also wieso sollte jemand eine Privatarmee brauchen? Seid Ihr sicher?“
Die Ritter erzählten ihm von ihrer Begegnung auf dem Segler.
„Longune, hmm!“, machte de Lucy besorgt. „Ihr konntet nicht erfahren, ob er die Männer angeheuert hat? Bedauerlich. Das hätte ich doch gerne gewusst. Nun gut, ich werde meine Informanten darauf ansetzen. Und was Euren Auftrag betrifft, bis jetzt gibt es nichts Neues. Seit der Nachricht des Herzogs über den Überfall ist es in Grantham ruhig geblieben. Vielleicht waren es ja nur Banditen,