Die Angelsächsin. Sabine Keller
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Robert nahm seine ledernen Satteltaschen aus einer großen Eichentruhe und warf sie auf sein Lager, dann suchte auch er seine Kleidung zusammen und packte sie in die Taschen. Sie waren es gewohnt, mit leichtem Gepäck und ohne Packpferde zu reisen. Für den Ritt legten sie noch ihre Kettenhemden und die Waffenröcke mit dem Wappen des Königs, ein aufgerichteter goldener Löwe auf rotem Grund, bereit, dann verließen sie zusammen die Unterkunft. Das Ganze hatte nicht viel Zeit in Anspruch genommen, sie würden rechtzeitig in der Halle sein. Auf dem Weg dorthin suchten sie jedoch zuerst noch den Zahlmeister auf, der ihnen einen Beutel Münzen für die Reise mitgab.
Schließlich betraten sie die geräumige Halle der Festung, den Ort, an dem alle gesellschaftlichen Zusammenkünfte stattfanden. Hier trafen sich die Mitglieder des Hofes auch zum abendlichen Mahl. In dem tagsüber freien Saal hatten Bedienstete große Eichentafeln auf kreuzweise zusammengefügten Holzgestellen aufgebaut, die während des Essens als Tische dienten und anschließend schnell wieder abgebaut werden konnten. Auf diese Art konnte die Größe der Tafel je nach Anzahl der Anwesenden leicht angepasst werden. Als Sitze dienten Schemel, die an den Wänden der Halle aufgereiht waren und von den Dienern an die Tafel gezogen wurden.
Wie in den meisten Burgen war auch hier an einer der kurzen Seiten, direkt vor dem einzigen Kamin in diesem Raum, der Fußboden etwas erhöht. Dieses Podest war der Familie des Hausherrn, in diesem Fall dem König, und seinen vornehmsten Gästen und Hofmitgliedern vorbehalten. Warum sich die Empore gerade hier befand, hatte seinen Grund, denn der sehr geräumige und zugige Saal war im Winter entsprechend kalt und nur in unmittelbarer Nähe des großen Kamins konnte sich eine gewisse Wärme halten. Am entgegengesetzten Ende der Tafel herrschte oft genug eine lausige Kälte, die die Finger beim Essen klamm werden ließ und den rangniederen Anwesenden vorbehalten war.
Der Hofstaat wartete schon fast vollzählig auf das Erscheinen des Königs, als die Ritter eintraten. Die hölzernen Fensterläden waren schon geschlossen und sperrten das letzte Tageslicht aus. Stattdessen sorgten von der holzgetäfelten Decke herabhängende schmiedeeiserne Kronleuchter für die nötige Helligkeit, zusammen mit Kerzenleuchtern auf der Tafel. Das flackernde Licht spiegelte sich auf verschiedenen altmodischen Waffen, mit denen die Wände zwischen den Fenstern dekoriert waren. Lose Gruppen standen plaudernd um die Tafel herum und einige Damen hatten sich, in Gespräche vertieft, auf den steinernen, mit Kissen belegten Bänken in den Fensternischen niedergelassen. Dort waren sie ungestört und konnten doch die Vorgänge im Saal gut im Auge behalten.
Heute hatte sich, neben einigen Gästen aus Italien, ein wandernder Minnesänger eingefunden, der den Hofstaat an diesem Abend mit seinen Balladen unterhalten wollte. Solche Zerstreuung war leider eher selten und fand nur statt, wenn sich zufällig ein umherziehender Sänger, Harfenspieler oder Jongleur in der Gegend befand. Aber dafür waren solche Auftritte bei den Zuhörern natürlich umso beliebter und so warteten die Anwesenden auch an diesem Abend gespannt auf die Darbietungen des Minnesängers. Sie boten eine willkommene Abwechslung zu den üblichen Diskussionen über alles und jedes, was gerade aktuell war, von Politik und internationalen Beziehungen bis zum neuesten Klatsch und Tratsch.
Inzwischen hatte sich auch König Henry in Begleitung der italienischen Gäste eingefunden, und als nun Diener große Platten mit Essen auftrugen, begaben sich alle an die Tafel und nahmen Platz, wobei eine strenge Rangordnung eingehalten wurde. Duncan und Robert, beide von höherer adeliger Herkunft, hatten ihren Platz an der oberen Hälfte der Tafel, zwischen anderen Angehörigen der höheren Gesellschaft. Der niedrige Landadel und besitzlose Ritter mussten mit dem unteren Ende der Tafel vorlieb nehmen.
Das allabendliche Treffen war immer wieder ein kleines gesellschaftliches Ereignis. Es war üblich, sich für diese Gelegenheit glanzvoll zurechtzumachen und die Damen und Herren des Hofes übertrafen sich gegenseitig mit ihren edlen Gewändern und Frisuren nach der neuesten Mode. Die illustre Gesellschaft bildete zwar nach außen hin einen zusammengehörenden Hofstaat, aber nur in der gerade vorherrschenden Mode war man sich halbwegs einig. Ansonsten gingen die einzelnen Meinungen weit auseinander und beim Mahl diskutierte man die unterschiedlichsten Ansichten aus, hier wurden harmlose Gerüchte verbreitet oder auch bösartige Intrigen geschmiedet.
Robert und Duncan waren schnell in Gespräche verwickelt. Sie waren geübt im höfischen Small Talk, der ebenso zur Etikette gehörte wie die Teilnahme an Gesellschaftstänzen. Bei den Ladys galten die beiden als begehrte Gesprächspartner, denn sie waren unverheiratet und außerdem Mitglieder der aristokratischen Gesellschaft und somit keine schlechte Partie. Allerdings blieb die heimliche Hoffnung der einen oder anderen Hofdame auf eine feste Verbindung mit einem der Ritter bisher erfolglos, da keiner der beiden dem seichten Geplauder und gezierten Gehabe der Edelfrauen viel abgewinnen konnte. Sicher, einige der Frauen waren ihnen sympathisch, aber das war auch alles.
„Sir Duncan, habt Ihr schon gehört: Die Zofe der Gräfin Beaumont hat sich doch tatsächlich erdreistet ...“
Duncan hörte seiner Tischnachbarin nur mit einem Ohr zu und warf seinem Freund, der in ähnlich lebenswichtige Erörterungen vertieft war, über deren Kopf hinweg einen gequälten Blick zu. Die Geschichte kannte er längst, in mehreren verschiedenen Varianten. In diesem Augenblick konnte er es kaum abwarten, den Hof für eine Weile zu verlassen. So plötzlich der Auftrag des Königs in die Routine des Ritterlebens geplatzt war, so willkommen war die Abwechslung auch.
„Meint Ihr nicht auch, Sir Duncan?“ Die Hofdame wartete auf seine Reaktion. Seufzend fügte er sich in sein Schicksal und schenkte seiner sehr schönen, aber leider auch ein wenig hohlköpfigen Gesprächspartnerin ein charmantes Lächeln.
„Ungeheuerlich, in der Tat.“
Da endlich begann der Minnesänger seinen Auftritt und erlöste den jungen Ritter. Der herumreisende Künstler kannte viele amüsante Balladen und berichtete über den heldenhaften Kampf gegen Feuer speiende Drachen und die neuesten Taten mutiger Kämpfer irgendwo im Königreich. Jeder wusste, dass die Lobgesänge maßlos übertrieben waren und Drachen gab es nicht mehr, seit irgendein tapferer Held vor einigen Jahren den letzten der grausigen Bestien erlegt hatte. Mit Ausnahme des Ungeheuers aus dem schottischen Loch Ness, das immer wieder von sich reden machte und hartnäckig allen Tötungsversuchen entging. Aber die Übertreibungen störten niemanden. Der Sänger war wirklich gut und wusste sein Publikum zu begeistern und so wurde es ein langer Abend, bis sich die beiden Ritter endlich auf ihre Lager warfen. Immerhin waren ihnen durch die Ablenkung des Minnesängers viele sonst unvermeidliche Fragen über ihr Gespräch mit dem König erspart geblieben.
Am nächsten Morgen wurden Duncan und Robert beim ersten Tageslicht von ihren Knappen geweckt und wuschen sich fröstelnd mit dem eiskalten Wasser aus den bronzenen Waschschüsseln, die die Knappen bereitgestellt hatten. Nachdem sie sich angezogen hatte, ließen sie sich von ihren Knappen beim Überziehen der widerspenstigen Kettenhemden helfen. Darüber kamen noch der Waffenrock mit dem Wappen des Königs und der lederne Gürtel mit dem Dolch und dem langen, doppelschneidigen Schwert.
Bereit zum Aufbruch schickten sie dann ihre Knappen mit dem Gepäck, zusammengerollten Decken und ihren Schilden zu den Pferden. Sie selbst nahmen ihre grauwollenen Umhänge, suchten die Küche auf und ließen sich dort ein letztes, kräftiges Frühstück geben. Um diese Zeit waren der Burghof und die Küche noch leer, außer den Küchenmägden begegneten sie nur einigen Bediensteten, die mit verschlafenen Gesichtern schon ihren Pflichten nachgingen.
Gestärkt gingen auch die Ritter schließlich zu den Ställen, nachdem sie sich vorher noch einen Beutel mit Proviant und Wasserflaschen besorgt hatten. Ihre Knappen hielten die Pferde schon bereit, das Gepäck hinter dem Sattel angeschnallt. Die massiven Schilde waren mit ihren dicken Lederüberzügen, Eisenbeschlägen und dem eisernen Buckel in der Mitte auf die Dauer zu schwer und die Ritter konnten sie während des Rittes nicht ständig tragen. Sie hingen griffbereit vorne an der linken Schulter der Pferde, wo sie im Notfall schnell