Die Angelsächsin. Sabine Keller
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Weder Margarets Mann, noch ihr Vater waren bereit, eine Ausrede von Henry gelten zu lassen. Der französische König sprach sogar von Krieg. Letztendlich versuchte Henry schließlich seinen Fehler auszubügeln, indem er Margarets Krönung nachholen ließ, aber es war schon zu spät. Besonders seine Beziehung zu Louis von Frankreich hatte einen empfindlichen Riss erhalten.
Das Verhältnis zu seinem Sohn war also sowieso schon gespannt, weil Henry dem jungen Mitkönig außer seinen Titeln keine wirkliche Macht zugestehen wollte und die verweigerte Krönung der Schwiegertochter machte die Sache nicht eben besser.
Der Erbe war wirklich nur auf dem Pergament ebenfalls König, tatsächlich ließ Henry ihn in keiner Weise an den Regierungsaufgaben teilhaben. Ebenso erging es dessen Brüdern, auch sie bekamen ihre Titel und Ländereien nur unter der Oberherrschaft des Königs. Selbst Henrys Frau, Königin Eleanor, durfte, wenn überhaupt, dann nur kurzzeitig regieren, als Vertretung in Henrys Abwesenheit.
Als sehr aktiver und außerdem sehr misstrauischer Mensch legte König Henry großen Wert darauf, alle Regierungsaufgaben persönlich zu kontrollieren. Natürlich wollte sich sein Sohn, aus ähnlichem Holz geschnitzt, das nicht einfach gefallen lassen. Er stritt des Öfteren mit seinem dominanten Vater und forderte, endlich als gleichberechtigter Mitregent über eines der Länder seines Vaters eingesetzt zu werden.
Und zu diesen Unstimmigkeiten kam jetzt auch noch Ärger mit einem weiteren Hochzeitsvertrag, der Henrys jüngsten Sohn Prinz John betraf.
„Vielleicht könnte ich mich noch einmal mit Graf Humbert treffen und die Bedingungen für Prinz Johns Heiratsvertrag ändern“, überlegte Henry laut.
„Davon würde ich Euch abraten. Der Vertrag zur Hochzeit zwischen Prinz John und Alais, der ältesten Tochter des Grafen ist unterschrieben und besiegelt. Sie werden heiraten, sobald sie das heiratsfähige Alter erreichen. Wenn Ihr jetzt noch eine Änderung verlangt, stoßt Ihr den Grafen nur vor den Kopf und er könnte die ganze Sache platzen lassen.“
Henry wiegte seinen Kopf hin und her. „Ja, das sollte ich wirklich nicht riskieren. Graf Humbert of Maurienne hat sehr viel Einfluss und ich brauche ihn als Verbündeten. Außerdem sind die ausgemachten Hochzeitsgaben sehr vorteilhaft für mich.“
„Allerdings. Da der Graf keine Söhne hat, werden seine Tochter Alais und ihr Ehemann nach seinem Tode dessen gesamtes Land und alle Titel erben. Selbst wenn Alais vor Erreichen des hochzeitsfähigen Alters sterben sollte, ist das kein Problem, denn die Vereinbarung wird dann auf ihre nächstjüngere Schwester übertragen. Prinz John wird also auf jeden Fall die Erbin heiraten.“
„Es sei denn, dem Grafen wird doch noch ein Sohn geboren. Er ist zwar nicht mehr der Jüngste und die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr groß, aber man weiß ja nie. Ein männlicher Erbe hat in der Erbfolge schließlich Vorrang. In diesem Fall müsste mein Sohn auf die Titel verzichten. Dann bekommt die Tochter nur eine großzügige Mitgift an Ländereien, die auch im Vertrag festgelegt sind. Diesen Punkt hätte ich gerne geändert. Aber gut, ich denke, Ihr habt recht. Hoffen wir einfach, dass es nicht dazu kommt!“
Die Verhandlungen für den Hochzeitsvertrag hatte der König gerade vor wenigen Tagen für seinen sechsjährigen Sohn, Prinz John, geführt. In den höheren Kreisen waren solche Verträge zwischen den eigenen Kindern und den Nachkommen Verbündeter oder auch möglicher Gegner eine allgemein übliche Maßnahme, um das Herrschaftsgebiet zu vergrößern oder die Grenzen zu sichern. Derartige Absprachen wurden von den Eltern oft schon in sehr jungen Jahren für die Kinder ausgehandelt und durch Hochzeitsgaben von beiden Seiten, meist Landübertragungen oder Hilfeleistungen im Kriegsfall, besiegelt.
Zur Festigung einer Alliance mit dem mächtigen Grafen Humbert of Maurienne, Lord von Savoy, hatte König Henry diesem ein Heiratsversprechen zwischen seinem Sohn John und dessen ältester Tochter und Erbin Alais angeboten und der Graf hatte zugestimmt. Kurz nach Weihnachten, welches die königliche Familie mit ihrem Gefolge in Chinon verbracht hatte, war der Hof nach Montferrant in der Auvergne aufgebrochen. Dort hatte Henry sich mit dem Grafen zu ersten Gesprächen bezüglich des Hochzeitsvertrages getroffen.
Die Verhandlungen waren sehr zäh verlaufen, denn jeder der beiden Väter wollte natürlich möglichst gute Bedingungen für sein Kind und für sich selbst herausschlagen und kämpfte beharrlich um jede Einzelheit des Paktes. Nach etwa einem Monat waren in Montferrant die Nahrungsmittel für die vielen Menschen knapp geworden, denn außer dem großen Hofstaat musste auch noch der Graf mit seinem nicht viel kleineren Gefolge verköstigt werden und einfache Bauernnahrung konnte man den edlen Herrschaften natürlich nicht anbieten. Daher wechselten sie in den großen Palast von Limoges über, wo es dann endlich zur Einigung kam.
„Ganz gleich ob der Graf noch einen Sohn bekommt oder nicht, Ihr habt so oder so einen wichtigen Verbündeten gewonnen. Und Eure Gegengabe an die Braut ist doch verhältnismäßig gering“, betonte der Berater. „Die Geldsumme könnt Ihr leicht verschmerzen und zusätzlich müsst Ihr nur drei Burgen abtreten. Sicher, die Festungen von Chinon, Mirebeau und Loudun liegen an der Loire strategisch sehr günstig, aber wie gesagt, es sind nur drei. Ich finde, Ihr habt ein wirklich gutes Geschäft gemacht.“
„Das dachte ich auch, doch inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher. Wenn ich geahnt hätte, welche Auswirkungen mein Angebot dieser drei Loirefestungen haben würde, dann hätte ich mir Alternativen überlegt.“
Dummerweise trug nämlich Henrys ältester Sohn und Erbe den Titel des Grafen von Anjou und war damit der Herr dieser Grafschaft und besagter Burgen, die sein Vater als Hochzeitsgabe benannt hatte. Und da der Prinz sowieso schon nicht in bester Stimmung war, lehnte er die Übergabe seiner Burgen als Mitgift für den kleinen Bruder schlichtweg ab.
Was dachte sich der Vater eigentlich?! Statt ihm endlich die ihm zustehende Macht zu geben, wollte Henry ihm nun auch noch diese drei wichtigen Festungen abnehmen! Ohne ihn im Vorfeld auch nur über seine Pläne zu informieren, geschweige denn ihn vielleicht um Erlaubnis zu fragen! Was sollte er sich denn noch alles gefallen lassen? Das waren seine Burgen, sein Eigentum, und darüber hatte nur er zu bestimmen! Der wütende junge Erbe hatte endgültig genug. So nicht! Gütlich ging es offensichtlich nicht, na schön, dann eben mit Gewalt! Sein Vater würde sich noch wundern!
Jetzt erwies sich Henrys mangelndes Vertrauen seiner Familie gegenüber als großer Fehler. Hätte Henry seine Angehörigen an seiner Regentschaft teilhaben lassen, so hätte das zwar seine eigene Macht ein wenig beschränkt, aber damit wären seine Familienmitglieder wahrscheinlich zufrieden gewesen. So aber fühlten sie sich, selbst von königlichem Blut und doch von den echten Regierungsbelangen ausgeschlossen, unterdrückt und streben nach eigener Befehlsgewalt und Freiheit. Jetzt ging es nicht mehr länger um eine Teilhaberschaft, jetzt ging es um alles.
„Nun gut, das war wohl meine eigene Schuld“, gab Henry widerwillig zu. Er war ehrlich genug, seine Fehler einzugestehen. „Und jetzt ist es zu spät, noch etwas zu ändern. Nach dem vehementen Widerstand meines Sohnes hinsichtlich dieser Burgen hatte ich schon mit Aktivitäten aus seiner Richtung gerechnet. Das habt Ihr mir ja jetzt bestätigt.“ Er zuckte die Achseln und ergänzte leichthin: „Damit werde ich fertig.“
Er nahm das Ganze nicht wirklich richtig ernst. Der Prinz würde, abgesehen von kleineren Streitereien vielleicht, keinen echten Aufstand wagen. Niemand wagte das.
Doch