Wir retten die Falschen. Eric Bonse

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Wir retten die Falschen - Eric Bonse

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seines Staatsbesitzes einleitet). Für Unruhe sorgen vielmehr die Chefs der Eurozone, die offenbar die Nerven verloren haben und ihren Partner regelrecht kaputt reden.

      So hört man in Brüsseler EU-Kreisen immer öfter, Griechenland sei ein „failed state“, dem man nicht mehr helfen könne. Prominente EU-Experten gefallen sich in abfälligen Bemerkungen, die darin gipfeln, die Regierung in Athen solle sich an die Weltbank wenden, denn EU und IWF seien nur für entwickelte Länder zuständig. Weitere Spitzen kommen ausgerechnet aus Rom und Madrid – denn dort fürchtet man die „Ansteckung“ mit dem „griechischen Virus“ (der in Wahrheit in den Märkten in New York und London hockt und nicht in Athen).

      Die EU-Granden haben dem bisher nichts entgegenzusetzen. Ratspräsident Van Rompuy, der noch im März verkündet hatte, nun sei die Ansteckungsgefahr für Spanien und Italien gebannt, beklagt sich, dass die Märkte Griechenland keine Zeit für Korrekturen lassen – um im nächsten Satz den Spekulanten recht zu geben und sofortige Anpassungen zu fordern.

      Eurogruppenchef Juncker schweigt seit seinem misslungenen Geheimtreffen einiger handverlesener Finanzminister in Luxemburg. Und von Kanzlerin Merkel hört man nur noch populistische Beschimpfungen der angeblich arbeitsscheuen Südeuropäer, während sich Finanzminister Schäuble hinter den Kulissen mit der Europäischen Zentralbank über eine mögliche Umschuldung Griechenlands streitet.

      Wenn man es recht bedenkt, erinnert das dann doch irgendwie an einen Saustall…

      Tabu Marktversagen

      26. Mai 2011 - Wer hat Schuld an steigenden Spreads?

      Die Stimmen zur Schuldenkrise in Griechenland werden immer schriller. Die griechische EU-Kommissarin Damanaki fürchtet die Rückkehr ihres Landes zur Drachme, Bundesfinanzminister Schäuble warnt vor einem globalen Kollaps à la Lehman Brothers. Aus lauter Verzweiflung tischen die EU-Politiker fast täglich neue Lösungsvorschläge auf. Nur ein Thema sprechen sie nie an: das eklatante Marktversagen in der Eurozone.

      Für Damanaki ist es ein Kampf um Sein oder Nichtsein: Entweder verschärfe die Regierung in Athen ihren Sparkurs nochmals, oder Griechenland müsse die wichtigste Errungenschaft nach dem Krieg, den Euro, aufgeben. Noch dramatischer klingt es bei Schäuble: Entweder erhalte Griechenland mehr Zeit für die Budgetsanierung (hört, hört!), oder es komme zu einer Umschuldung, die dann die globalen Finanzmärkte erschüttern könnte.

      Warum die Märkte so sensibel auf die Schuldenkrise in einem kleinen und – seien wir doch mal ehrlich – selbst für die Eurozone unbedeutenden Land reagieren, können jedoch weder Schäuble noch Damanaki erklären. Seit Monaten steigen die Spreads, also die Zinsdifferenzen zwischen deutschen und griechischen Staatsanleihen. Nach einer kurzen Erholung im Mai 2010, als das erste Rettungspaket aufgelegt wurde, ging es wieder stramm aufwärts.

      Bereits seit Anfang 2011 sind die Risikoaufschläge wieder auf Rekordniveau. Aktuell verlangen Investoren 14 Prozent mehr Rendite für zehnjährige griechische Staatsanleihen als für deutsche Bundesanleihen. Auf diesem Niveau ist eine Rückkehr an die Märkte, die eigentlich für 2012 geplant war, illusorisch, zumal die Tendenz weiter nach oben geht.

      Eigentlich hätten die Spreads aber sinken müssen, schließlich ist die Refinanzierung der griechischen Schulden ja nun gesichert. Zu Jahresbeginn gab es auch noch keine Welle von schlechten Nachrichten, wie derzeit, im Gegenteil: in den letzten Monaten stellten die Griechen sogar einen Sparrekord auf, wie die OECD jetzt feststellte.

      Noch eklatanter ist das Marktversagen bei Irland und Portugal, wo die Zinsen auch ständig steigen – und zwar meist als Reaktion auf schlechtere Ratings, die aber selten durch neue Entwicklungen begründet sind. Auch die Probleme in Athen, die nichts mit den Sorgen in Dublin und Lissabon zu tun haben, sorgen für steigende Refinanzierungskosten.

      Es sind aber just diese willkürlichen Ratings und erratischen Spreads, die die Refinanzierungskosten für überschuldete Staaten massiv erhöhen und damit die Krise weiter verschärfen. Seit Beginn dieses Jahres ist in der Eurozone ein Teufelskreis zustande gekommen, der umso absurder wirkt, als ebenso oder höher verschuldete Länder wie die USA, Japan oder selbst Großbritannien von den Märkten mit Nachsicht behandelt werden.

      Wie schon oft in diesem Blog beschrieben, handeln die Marktakteure nicht rational, sondern folgen Vorgaben – meist aus den USA – und Erwartungen, die zum Beispiel mit dem Scheitern der so genannten PIGS-Staaten beschrieben werden. Griechenland ist in dieser Vorstellungswelt nur der Türöffner für lukrative Geschäfte gegen Irland, Portugal, Spanien – oder eben auch Italien und Belgien, die nun ebenfalls ins Visier der Spekulanten geraten sind.

      Warum wagt es niemand in Brüssel oder Berlin, dieses zentrale Problem anzusprechen? Wenn es zum Super-Gau kommt und sich Griechenland tatsächlich zu einem zweiten Lehman Brothers entwickelt, ist es definitiv zu spät…

      Wetten gegen Europa

      16. Juni 2011 - Die Märkte und die Griechenland-Krise

      Die EU verschiebt die Lösung der Schuldenkrise in Griechenland auf die Sommerpause. Man habe sich mit dem IWF darauf geeinigt, erst einmal die im Juli fällige (und bisher blockierte) Tranche der Hilfszahlungen zu zahlen und danach weiter zu sehen, sagte Währungskommissar Rehn in Brüssel. Damit gewinnen die Europäer Zeit, ihren Streit über die deutschen Forderungen nach einer Beteiligung privater Gläubiger beizulegen. Doch eine Lösung ist das nicht.

      Denn je länger die Europäer warten, desto größere Kreise zieht die Krise. Schuld daran ist nicht etwa ein griechisches „Virus” oder eine neuartige „Ansteckungsgefahr”, wie es in den Medien immer wieder heißt. Streng genommen hat Griechenland mit der Ausbreitung gar nichts zu tun. Zum Flächenbrand kommt es vielmehr, weil die Märkte verrückt spielen und gegen alles und jedes spekulieren, das dem griechischen Problem in irgendeiner Form ähnelt – genau wie in der Finanzkrise, in der das Problem Lehman Brothers urplötzlich jede noch so solide Bank erfasste.

      An den Märkten ist schon jetzt ein regelrechtes Wettfieber ausgebrochen. Investoren setzen nunmehr auf einen „griechischen Unfall“ und erhöhen ihre Einsätze massiv. Zugleich weiten Spekulanten ihre Wetten gegen (noch) stabile Länder wie Italien, Spanien und Belgien aus. Irland und Portugal müssen ohnehin schon seit Wochen für Griechenland und die europäische Entscheidungsschwäche mithaften. Auch die Börse und die Devisenmärkte bleiben von den Attacken nicht verschont; der Euro erleidet einen neuen Schwächeanfall.

      Eigentlich würde man in einer solchen Situation ein entschiedenes Gegensteuern erwarten, zum Beispiel vom Eurogruppenchef Juncker, EZB-Präsident Trichet oder Kommissionschef Barroso. Die ersten beiden nennen sich ja gern „Mister Euro”, Barroso präsentiert sich wo immer möglich als „Monsieur Europe”. Doch die sonst so beredsamen Herren schweigen. Offenbar sind sie um eine Antwort verlegen. Alles starrt auf das Treffen von Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef Sarkozy in Berlin, von dem ein Durchbruch erhofft wird.

      Immerhin hat Sarkozy angekündigt, den Euro gegen alle Angriffe zu verteidigen. Dies sei „die Pflicht“ aller EU-Politiker, sagte er. Der nächste Hilfsplan für Griechenland, der bis zu 120 Mrd. Euro umfassen soll, sei so gut wie sicher. Berlin und Paris stritten nur noch um die Form. In Wahrheit hängt der Haussegen zwischen beiden Länder jedoch schief. Sarkozy wirft Merkel vor, sie engagiere sich zu wenig für Europa und interessiere sich nicht mehr für Frankreich. Fest steht, dass Merkel ihre Umschuldungs-Pläne nicht – wie früher üblich – mit Sarkozy abgesprochen hat.

      Insgesamt gibt die EU ein desolates Bild ab. Obwohl die Eurozone sturmreif geschossen wird und Griechenland in Chaos und Anarchie versinkt, scheint niemand mehr in

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