Das Geheimnis des Walen. Klaus Hoffmann - Reicker

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Das Geheimnis des Walen - Klaus Hoffmann - Reicker

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mußte hier anlegen und Zoll zahlen oder seine Waren auf dem Markt billig feilbieten.

      Und wieder zog die schwarze Spinne ihre Fäden durch sein Gedankennetz. Was war von dem friedlichem Böhmen Karls IV. geblieben, wo man einen Klumpen Gold auf dem Kopf durchs Land tragen konnte, ohne überfallen zu werden. Eigentlich war nur eins geblieben: Noch immer war der Landtag, aus Pans, Rittern und Bürgern bestehend, höchstes Organ des Landes. Sogar Kaiser Maximilian mußte die alten Privilegien des Luxemburgers erneuern. Wollte ein Habsburger Krieg führen, gehorchten die Böhmen nur dem Landtag. Wollte Querini die Religion ändern, wollte er andere Urteile oder Steuern verkünden, brauchte er die Zustimmung dieses Parlamentes. Und da glaubte so ein Jesuit, er könnte das untergraben. Aber sie würden den entschlossenen Widerstand aller Böhmen, gleich ob Tschechen oder Deutsche, stoßen.

      Nun gut, irgendwie würde er dem päpstlichen Legaten schon Zügel anlegen. Sollte dieser aber wider Erwarten besonders störrisch sein könnte ihm Pater Josephs Gefangenschaft vielleicht ein wenig nachhelfen. Sie mochte nur kommen, die päpstliche Kutsche. Nicht umsonst hatte Vladislaw im Vatikan studiert - klerikale Diplomatie.

      Wie schnell das Fleisch dem Wohlleben verfällt – dort hatte er es am eigenen Leibe erlebt. Der Herr im Himmel allein wußte es: Die Gelüste des Menschen sind sein teuflischer Pferdefuß. Damals senkte der kleine Gott dieser Welt den Stachel der Lust auch in Vladislaws Herz. Die Kurie lebte es vor, die jungen Padres machten es nach, und bei Boccacciuo konnte man es lesen. Nicht nur Bruder Rustico entlastete zarte Seelen zu ihm kamen, ihre Sünden abzuladen. Jungen Frauen gab auch Vladislaw den Vorzug. Stets war der Vorhang des Beichtfensters etwas gelüftet, damit das begehrliche Auge die runden Herrlichkeiten abtasten konnte. Nicht selten half Vladislaw bei den anschließenden Bußübungen. Ovid, Catull, Tibull, Mäzenas waren in der Zeit seine Lieblingslektüre.

      „O Göttin von Cypern“, murmelte der Bischof mit einem wehmütigen Blick. „ Gottes Haus wurde für mich zum Tempel der Aphrodite. Wäre diese Macht des Bösen nicht, gäbe es das Paradies. O Herr, gehe nicht zu streng mit deinem schwachen Diener ins Gericht. Gewähre auch mir die Vergebung meiner Sünden.“

      Jeder Mensch besaß so einen Haken, mit dem ihn die Hölle schließlich angelte. Allein Christus vermochte zu widerstehen, als ihm der Satan alle Reichtümer dieser Erde anbot. Querini war nicht Jesus, auch wenn er so tat. Wo also würde er zu packen sein? Wein? Speisen? Ein reizendes Klosterkätzchen? Diplomatischer Spieltrieb oder Machtrausch? Vladislaw würde dem auf die Spur kommen.

      Ein Diener in der Livree des Hauses Lobkowitz trat ein und stieß seinen Stab auf den Boden: „Monsignore Querini reitet eben auf einem weißen Esel in den Hof!“

      „Auf einem weißen Esel...?“

      „Herr, sorgt Euch nicht. Die Kutsche kam gestern im Kapuzinerkloster Raudnitz an. Jesuitisches Theater, denke ich.“

      „Gut!“ Der Bischof setzte sich in seinen Sessel und griff nach den bereitgelegten Kommentaren des Heiligen Augustinus. Das war immer ansprechend, auch wenn man das Werk beinahe auswendig kannte.

      Der Diener trat wieder ein und klopfte mit seinem Stab jetzt dreimal auf den Boden: "Monsignore Querini, Legat Seiner Heiligkeit Papst Gregor des Dreizehnten!“

      Interessiert blickte der Bischof hoch und streckte die Hand vor. Querini verbeugte sich und küßte den Hirtenring. „Gelobt sei Jesus Christus!“

      „...in Ewigkeit, Amen!“ vollendete der Bischof und segnete den Gesandten. Während Querini den Segen des Papstes und dessen Grüße überbrachte, erhob sich Vladislaw lächelnd und gab dem anderen den üblichen Kuß. „Raffaelo, Bruder! So sehen wir uns wieder.“ Jetzt lächelte auch Querini.

      Als Vladislaw dann zu Tisch bat, gingen beider Gedanken zurück in die Zeit vor dem großen tridentinischen Konzil. „ Weißt du noch Raffaelo, das untere Begehren strebte nach Lust, das obere nach Askese und Reinheit. Unser geistiges Verlangen suchte Gott im kalten und Strengen, und das körperliche strebte in die Wirts- oder Freudenhäuser, wo Satan lauerte. Erinnerst du dich, wie uns das ewige Pendeln ganz krank machte? Wie hast du dich entschieden?“

      Querini hätte die unangenehme Frage gern überhört. „Ja so hat es bei vielen angefangen. Erst trieben sie kleine Studien, disputierten dann mit den kursächsischen Reichständen des Melanchthon auf dem tridentinischen Konzil und saßen schließlich im Reformflügel des Kardinal Caraffa in Bologna wie du. Und da habe ich die Seiten gewechselt und du kamst in die Engelsburg.“

      „ Ist mir nicht neu!“, antwortete der Bischof gespielt sorglos und schob sich ein Stück Pastete in den Mund. „Vorzüglich! Koste mal.“ Plötzlich setzte er sich gerade, legte die Serviette weg und begann überfallartig: „Das sagst ausgerechnet du? Erinnere dich alter Sünder! Uns gefielen damals die alten Griechen, weil sie ihre Götter anbeteten gerade wegen ihrer Torheiten. Erinnere dich an Zeus als Stier, Schwan oder Biene. Denk daran, wie du das damals nachmachen wolltest. Ich glaube, wir tun es diesem Volk von Denken nach, nur beten wir hölzerne Schnitzfiguren als Götter an. Wozu also die alberne Maskerade unter uns?“

      Querini hatte nur wenig gegessen. Behutsam legte er den Löffel ab. „Es liegt schon Wahrheit in deinen Worten, nur keine katholische. Ich bin gar der Meinung, daß du unsere katholische Sache weitaus besser vertreten hättest als die konservativen Kardinäle und General Ignatius von Loyola zusammen. Du hättest uns statt Abrahams Gott gewiß gleich Bacchus, Apoll und Venus als Götter gegeben. Es ist wirklich ein Fehler, daß wir in Trident so stark waren, daß sich keine Stimme gegen uns regte. Du hast diesem Mangel dadurch abzuhelfen gewußt, daß du diese heidnische Vielgötterei hier in Böhmen tolerierst und mit den Ketzern in Sachsen befreundet bist.“

      Querini kniff die Augen zusammen und sah Vladislaw nur durch einen Spalt. Warum reagierte er nicht auf diese ätzende Ironie? Genauso sicher hatte der Böhme damals in der Partei Carranzas gesessen neben den Reichsständen aus Sachsen. Die Una Sancta Catholika – die heilige Mutter Kirche – hatten sie reformieren wollen. Reformieren? Nein, verstümmeln. Er, Raffaelo Querini, verspürte das damals noch zeitig genug, um in die siegreiche Fraktion des siegreichen Jesuitengenerals Lainez zu wechseln. Als Eintrittsgebühr sozusagen hatte er diesen fetten Böhmen hier vor sich der päpstlichen Geheimpolizei ausgeliefert. Zeitig genug. Die Jesuiten siegten noch immer,

      In Querinis Brust zog ein stolzes Gefühl. Er saß unter den Siegern. Carranza, Erzbischof von Toledo, heimlicher Protestant und Bewunderer dieses Ketzers Melanchthons, saß im Folterkeller der Inquisition. Mit Hilfe der Kompanie Jesu war der Marien- und Heiligenkult wieder aufgerichtet worden, die Unfehlbarkeit des Papstes durchgesetzt. Und jetzt war Böhmen dran. Wer Wind sät, muß Sturm ernten und wenn dabei ganz Europa zerstampft würde. Herzog Alba Heere waren gerade dabei in den Niederlanden den katholischen Glauben wieder her zustellen.

      „ Ich habe wenig Glauben“, sagte der Bischof ungerührt, „aber dafür eine prächtige Domäne.“ Dabei schwenkte er seinen Glaspokal im Kerzenlicht. “Dir scheinen im Gegensatz dazu mehr die Erdrosselten im Keller der Suprema und die Scheiterhaufen mit Ketzern unwiderstehliche Kraft zu verleihen und Vorstellung der Qualen ewiger Verdammnis. Raffaelo, ehrlich, ist denn das auch ein auch ein Leben? O Herr, willst du den Ruhm seines jungen Ordens mehren, laß in Böhmen einen antikatholischen Aufstand ausbrechen, damit Albas Horden auch dieses Land von Ketzern säubern können. Danach wird die Kompanie Jesu einmarschieren und die zertretenen Menschen am Boden völlig zerstören – so christlich als möglich, versteht sich.“

      „Scherz beiseite!“ sagte Querini plötzlich, ihm wurde das Gespräch zu offen. “Schlimme Zeiten waren das, als wir uns als Gegner gegenüber saßen.“

      „Waren?“ fragte der Bischof belustigt und deutete auf zwei Sessel, zwischen denen ein Schachtisch stand. Wie würde er mit den Figuren zurechtkommen,

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