monique. Reiner Kotulla

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monique - Reiner Kotulla

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morgen um diese zeit. ich rufe mir die szene unseres gestrigen zusammentreffens in erinnerung. der mann, sicher, er schien älter als sie zu sein. zwischen dreißig und fünfzig jahren schätze ich ihn ein. und sie, vielleicht fünfundzwanzig, eher jünger. meiner fantasie sind keine grenzen gesetzt. der eifersüchtige partner, der ihr jeglichen kontakt zu einem anderen mann untersagt. der schon ausrastet, wenn sie jemanden höflich grüßt, der ihre aufmerksamkeit erregt hat. ob der wohl gestern gesehen hat, dass ich ihr kurz in die augen und auf den mund geblickt habe? freundlich hat er jedenfalls nicht auf mich gewirkt, als sie mich gegrüßt hat. warum hat sie überhaupt auf meine bemerkung über die biene reagiert, wenn sie doch angst vor ihm hat? er hätte bemerken müssen, dass sie an meinen tisch gekommen war, um mir zu sagen, dass die knatterkiste mit den drei rädern auch ihr lieblingsauto sei. fragen über fragen. genaugenommen weiß ich überhaupt nicht, was ich von der ganzen sache halten soll. werde ich morgen mehr erfahren?

      drei

      um halbzwölf sitze ich am selben tisch wie tags zuvor.

      „wasser oder kaffee?“, fragt mich die bedienung. sie lächelt, als wüsste sie, auf wen ich warte. heute nehme ich einen kaffee. erwartungsvoll blicke ich immer wieder in die richtung, aus der ich sie vermute.

      um viertel vor zwölf beschließe ich, noch fünfzehn minuten zu warten. zu früh oder nicht, ich bestelle mir ein bier. um zwölf uhr denke ich, na ja, das war´s dann, bin mir aber nicht sicher, ob ich schon aufgeben soll. ich reiße ein blatt aus meinem notizbuch, schreibe meinen namen, mika windhausen und meine e-mail-adresse, [email protected] darauf und warte, dass die kellnerin vorbei kommt. als sie neben mir steht, fragt sie, ob ich noch einen wunsch hätte. ich bedanke mich und frage sie, ob sie sich an die frau erinnern könne, die gestern mit einem mann hier gewesen sei und an dem tisch, ich zeige, welchen ich meine, gesessen hat?

      „aber ja“, sagt sie lachend, „so wie sie sie angeschaut haben.“

      ich gestehe ihr, dass ich heute vergebens auf sie gewartet habe und bitte sie, sollte die frau noch einmal hier herkommen, ihr den zettel zu übergeben. „allerdings“, füge ich hinzu, „nur wenn sie alleine ist.“

      „oder ich eine gelegenheit finde, ihr ihre nachricht unbemerkt zu übergeben. einverstanden?“

      „ich danke ihnen für ihr verständnis“, sage ich, bezahle mit trinkgeld und radele betrübt zurück auf meinen campingplatz.

      vier

      ich erinnere mich an die worte meines sesselnachbarn auf der fähre. leider kamen wir erst in den letzten minuten vor der ankunft in olbia ins gespräch. er wohnt und arbeitet in köln, besucht seine mutter in nuoro, seiner heimatstadt, zu ihrem siebzigsten geburtstag.

      im scherz frage ich ihn, ob es in der barbagia, noch immer banditen gäbe? „schon“, sagt er, „ein paar hühnerdiebe.“ wir lachen beide, und ohne dass ich ihn ermuntern muss, beschreibt er mir seine heimat mit liebevollen worten.

      jetzt, da ich auf dem weg dorthin bin, erinnere ich mich, dass er sinngemäß sagte: die barbagia sei das felsige herz der insel. ein steiniges relief voll verborgener höhlen, kahler steilhänge, dichter eichen- und kastanienwälder. als terrain unüberschaubar und unkontrollierbar für damalige eroberer und heutige carabinieri. es gäbe nur wenige kurvenreiche straßen. karstland macchiaverfilzt, undurchdringlich. er müsse zugeben, auch das land der banditen, entführer und viehdiebe. von jeher hätte man sich dort von außen auferlegten gesetzen nur widerwillig gebeugt.

      ich nehme den bus nach nuoro. er hält im zentrum. dort steige ich um und fahre weiter nach orune, eine kleine stadt ein paar kilometer nördlich gelegen. die besichtigung dieses ortes spare ich mir für das ende meines aufenthaltes auf. stattdessen mache ich mich sogleich auf den weg. mein rucksackinhalt erlaubt es mir, zwei tage autark zu sein. frisches wasser erhoffe ich mir in den bergen zu finden. mithilfe meines smartphones kann ich jederzeit meinen standort bestimmen, kann mich also kaum verlaufen.

      ich wende mich nach osten, straßen beabsichtige ich zu meiden. bald befinde ich mich in einem wald aus knorrigen kork- und steineichen. dichtes unterholz wechselt mit grasbewachsenen lichtungen. ich habe glück, muss mir keinen eigenen weg bahnen. ein schmaler pfad der in meine richtung führt erlaubt es mir, die einzigartige landschaft zu genießen und sie mit allen sinnen in mich aufzunehmen. wenn ich mich auf meinen geruchssinn konzentriere, atme ich mit der luft die verschiedensten pflanzlichen geruchsstoffe ein, deren ursprung ich nicht zu deuten weis. kein zivilisatorisches geräusch erreicht meine ohren, nur das rauschen des windes in den wipfeln der bäume und ein paar vogelstimmen.

      dann plötzlich, auf einer kleinen lichtung, vernehme ich das plätschern eines baches, bevor ich ihn zusehen bekomme. ich beschließe, den rest des tages und die nacht hier zu verbringen.

      einen ast mache ich zur harke, mit dem ich den boden auf etwa einem quadratmeter freikratze und mit granitbrocken eingrenze. als es zu dunkeln beginnt, entzünde ich dort einen teil des gesammelten holzes. der temperatur wegen bräuchte ich das feuer nicht, allein dazu, um die insekten aller art zu verscheuchen. die müdigkeit, die mich bald überkommt, lässt alle bedenken, im freien zu übernachten, in den hintergrund treten.

      fünf

      zwei mal in der nacht lege ich holz nach. am morgen ist noch soviel glut vorhanden, dass ich mir aus quellwasser und kaffeepulver in meiner blechtasse ein warmes getränk bereiten kann. dazu brot und ein stück pecorino ergeben ein gutes frühstück, das ich unter solchen umständen zum ersten mal in meinem leben genieße. mit wasser aus dem bach lösche ich die letzte glut, kratze erde über die asche, nachdem ich die gesteinsbrocken wieder in der gegend verteilte.

      ein wenig wehmut überkommt mich, als ich vom waldrand aus auf meine lichtung zurückblicke, mich von ihr verabschiede, wissend, dass ich diesen ort der ruhe nie mehr wiedersehen würde. eine angewohnheit, die sich mit zunehmendem alter in mir breitmacht.

      ich beschleunige meine schritte. nach gut zwei stunden verlasse ich den wald. vor mir öffnet sich ein weitläufiger taleinschnitt. in diesem tal befindet sich der einzige nuraghische brunnentempel sardiniens, dessen oberirdische abdeckung noch erhalten ist. als nuraghisch bezeichnet man hier alles, was von den ureinwohnern der insel erhalten geblieben ist. eine legende besagt, dass sie in grauer vorzeit, also viele jahrhunderte vor unserer zeitrechnung die insel besiedelt und im laufe der zeit über siebenhundert wehrburgen, verstreut über ganz sardinien errichtet haben. es gibt keine schriftlichen zeugnisse ihrer existenz, einzig eine reihe von bronzeskulpturen, aus denen man schließen kann, dass die einwanderer sowohl jäger, als auch schon ackerbauern und viehzüchter waren. die burganlagen dienten der sicherung ihres besitzes an boden. in den siedlungen gab es eine oberschicht, was besagt, dass der ackerboden bereits unterschiedlich verteilt war.

      all das geht mir durch den kopf, während ich mich dem brunnentempel nähere, dessen guter erhaltungszustand darauf zurückzuführen ist, dass er schon in vorgeschichtlicher zeit durch einen erdrutsch verschüttet und in einem völlig unbesiedelten gebiet liegt. erst 1953 entdeckte man ihn in einem hang. in den achtziger jahren des letzten jahrhunderts wurde die anlage schließlich restauriert.

      nachdem ich den eintritt bezahlt habe, betrete ich das besucherzentrum und bestaune dort die ausgestellten archäologischen fundstücke. ein botanischer lehrpfad führt mich zwischen wildem fenchel, olivenbäumchen und vielen anderen pflanzen zu eigentlichen brunnentempel. dabei lerne ich, die gerüche zu bestimmen, die ich auf dem weg hierher wahrgenommen habe. hier treffen sich die nach oben spitz zulaufenden seitenwände aus trachytblöcken in einem dreiecksgiebel.

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