Palmer :Exit 259. Stephan Lake
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„Ich habe da ein Anliegen“, sagte er, und Palmer sah zu, wie sein Nachbar den Bauch noch weiter vorschob und die fleischigen Daumen rechts und links in den Gürtel hing und wie daraufhin das Hemd an allen Seiten spannte. An mehreren Stellen war der beige Stoff dunkel von Schweiß.
„Herrlicher Tag heute, nicht?“, sagte Mark. Und als Palmer still war und nicht einmal mehr nickte, „Sehe schon, Ihr Haus steht, Palmer. Sie waren fleißig, kann man gar nicht anders sagen. Aber so seid Ihr Deutschen ja.“ Er sagte, „Ihr alter Trailer, was haben Sie jetzt damit vor? Verkaufen?“
So seid Ihr Deutschen ja.
Palmer wartete einen Atemzug bevor er sagte, „Vielleicht. Ich habe mir noch keine Gedanken gemacht.“
Mark musterte den Trailer aus der Entfernung.
„Der sieht noch gut aus. Für den könnten Sie fünfzehnhundert bekommen, zweitausend vielleicht, wenns nicht schnell gehen muss.“
„Warum fragen Sie? Brauchen Sie eine neue Bleibe?“ Und bevor Mark antworten konnte, „Wie gesagt, ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht. Sie haben ein Anliegen, Mark?“
„Mein Anliegen, tja. Ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll, also sage ich es gerade heraus: Was halten Sie davon, bei der Arbeit ein Shirt anzuziehen. Huh?“ Mark legte die Hand über die Augen zum Schutz gegen die Sonne. „So halbnackt, da könnten Sie die Leute verschrecken. Öffentliches Ärgernis, Sie verstehen?“
Palmer hätte fast gelächelt. Er hatte erwartet, sein Nachbar würde nach dem Hund fragen, er wäre ihm weggelaufen, ob Palmer ihn gesehen hätte; stattdessen das. Halbnackt, öffentliches Ärgernis. Hinter dem Steuer sah Palmer diesen Yazzie den Kopf schütteln, als hätte er auch noch nie so etwas Blödes gehört, und sagte, „Nein, verstehe ich nicht“, und lächelte dann doch, „und Ihr Kollege auch nicht“, und gab Mark Zeit, einen Blick in den Tahoe zu werfen. „Hier gibt es keine Öffentlichkeit, Nachbar“, sagte Palmer dann. „Außer Ihnen und Ihrer Frau lebe nur ich hier. Die nächsten Ranches sind Meilen entfernt, und unser Camino hier ist nicht gerade eine Durchgangsstraße. Es kommt niemand her, der nicht hier wohnt. Oder jemanden besuchen will, der hier wohnt. Und das kommt ziemlich selten vor, wie wir wissen. Keine Touristen, keine Kinder, keine Durchfahrenden. Keine Öffentlichkeit. Niemand, der Anstoß nehmen könnte an jemandem, der bei der Arbeit in der Hitze das Shirt auszieht.“
Der Cop war sein Nachbar und hatte daher vielleicht diese ausführliche Antwort verdient, ausführlicher, als Palmer sie normalerweise gegeben hätte. Das ganze Konzept von Nachbarschaft war neu für ihn. Aber damit musste es dann auch genug sein.
„Ruth nimmt Anstoß, Palmer, und wenn meine Frau an etwas Anstoß nimmt, dann genügt mir das.“ Mark hob beide wulstigen Hände. „Nur ein freundlich gemeinter Rat. Sie leben auf Tribal Land, und wir“ – mit einem Daumen deutete er auf sich – „sind hier das Gesetz. Und Sie und ich wollen doch gute Nachbarn bleiben, oder?“ Und als Palmer nicht antwortete, sagte er, „Ja, und das war auch schon alles.“
„Sagen Sie, Mark“, sagte Palmer, „haben Sie eigentlich einen Hund?“
„Einen Hund?“ Mark schüttelte den Kopf und lachte kurz, „Was soll ich mit einem Hund?“, drehte sich um und stieg ein. „Schönen Tag noch, Nachbar.“
Palmer sah dem Tahoe nach, der hinauf Richtung Highway wackelte und quietschte und dabei dicke Staubwolken hinter sich her zog.
Dann schaute er hinüber zu dem Haus seiner Nachbarn. Ein Ranchhaus, eingeschossig, in der Form eines Hufeisens und rundherum Fenster.
Und an einem der Fenster, genau wie vorhin, stand Marks Frau und sah wieder zu ihm herüber.
6
„Wohin jetzt?“, sagte Chad und strich mit zwei Fingern über seine Oberlippe. „Zum nächsten Nachbarn, oder bist du durch? Mann, du hast ein Talent, unsre Zeit zu verschwenden.“
Chads Schnurrbart, nur wenige Haare, die nach allen Seiten abstanden, der dünnste Schnurrbart, den Mark je gesehen hat. Mark wusste, die Finger würden den ganzen Tag an der Oberlippe rummachen, ohne jede Wirkung, es würden nicht mehr Haare werden, und die wenigen Haare würden auch am Abend noch abstehen und genauso morgen und übermorgen.
Mark wusste auch, das besser nicht zu kommentieren.
„Und du bist gereizt heute“, sagte er. „Warum hast du vorhin den Kopf geschüttelt, huh?“
„Warum ich den Kopf geschüttelt hab?“
„Ja, warum?“
„Geez, Mac, ehrlich.“
„Was, stößt dir der Saft hoch?“
„Welcher Saft?“
„Von Ruth.“
„Ich hab keinen Saft getrunken.“
„Sie hat dir keinen gegeben?“
„Nein.“
„Ich hab ihr gesagt, sie soll dir von dem Saft geben.“
„Hat sie aber nicht, und ich schätze, deine Ruth wollte mir damit einen Gefallen tun. Sie weiß selbst, dass man das Zeugs nicht trinken kann.“
„Einen Gefallen tun, huh?“, sagte Mark und sah Yazzie von der Seite an. „Sie hat dir keinen Gefallen zu tun. Sie hat zu tun, was ich ihr sage. Verdammtes Weib.“
„Vergiss den blöden Saft, Mac, und vergiss deinen Nachbarn. Wenn er dich stört, hast du Möglichkeiten, da brauchst du nicht unsre Zeit verschwenden.“ Chad sah ihn an. „Wir haben Wichtigeres.“
Drei Meilen fuhren sie durch das Flussbett. Eine Unterhaltung war schwierig, also hielten sie den Mund. Mark klammerte sich an Armlehne und Türgriff und stieß trotzdem zwei Mal mit dem Kopf gegen die Decke. Seine Maße waren einfach nicht für diesen verdammten Weg gemacht. Chad hatte es besser.
Nach zwanzig Minuten erreichten sie den Cattleguard und dahinter den Parkplatz am Highway. Aber statt weiterzufahren stellte Chad den Motor aus und lehnte sich zurück.
„Was ist?“
„Wir haben ein Problem“, sagte Chad. „Ich zeigs dir.“
Sie stiegen aus und gingen um den Wagen herum. Chad öffnete die Hecktür. Mark sah in den Kofferraum.
„Uh“, machte er. „Was haben wir denn hier?“ Mit dem Knie stützte er sich auf der Ladefläche ab und beugte sich in den Kofferraum und strich mit der Hand über die Tasche. Leder, bunt bestickt, mit zwei massiven Schnallen aus poliertem Messing. „Schöne Tasche. Wirklich schön. Feine Arbeit, fühlt sich gut an. Weiches Leder, sehr robust. Hält ein Leben lang. Damit kannst du wirklich was anfangen.“ Er sagte, „Bison. Ich kenn mich aus, mein Onkel hat früher Taschen gemacht, so wie die hier. So ähnlich. Bison. Glaub mir, die halten ein ganzes Leben.“ Er sagte, „Was ist da drin?“
„Mach halt auf.“
Mit