Wo ist deine Heimat?. Andy Hermann

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Wo ist deine Heimat? - Andy Hermann Das Seelenkarussell

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sarkastisch zurück, nachdem der erste Schreck verflogen war. „Können Sie mir helfen, ich habe mich verspätet und das Tor ist zu.“

      „Sicher, steigen Sie drüben ein und ich bringe Sie hier raus“, erwiderte dieser amüsiert.

      Zu fremden Männern ins Auto steigen, und noch dazu mitten in der Nacht in einem unbekannten Wald. Davor warnen Mütter immer ihre Töchter, kam Vera in den Sinn. Aber was sollte sie sonst tun, und das war sicher irgendein Offizieller vom Schloss, sonst könnte er hier kaum mit dem Auto herinnen sein.

      Vera stieg auf der Beifahrerseite ein und sah im Lichte der Innenbeleuchtung, dass der Fahrer ein ganz junger Mann war, bestenfalls drei Jahre älter als sie.

      Dieser hatte die Innenbeleuchtung der Fahrerkabine aufgedreht, um zu sehen, wer da eigentlich in den Wagen stieg, denn er wusste von radikalen Tierschützern, die zu nächtlicher Stunde die Schlossanlagen und den Tiergarten beschädigten. Man konnte nie vorsichtig genug sein.

      Das junge Mädchen, welches in ihrem eleganten Parka zu ihm in den Wagen stieg, sah gar nicht gefährlich aus. Das war keine militante Tierschützerin, das sah eher nach Hietzinger Tussi aus, die sich wirklich vor lauter SMS Schreiben so verspätet hatte, dass alle Tore längst dicht waren.

      Wie sehr er mit seiner Einschätzung falsch lag, konnte er nicht wissen.

      Vera sah ihn an und sagte,“ Hi, schön dass Sie mir helfen, tut mir echt leid, ich habe total die Zeit vergessen, jetzt im Winter wird es so zeitig dunkel. Ich hoffe, ich bekomme keine Probleme, Sie sind sicher von der Parkverwaltung.“

      „Nein, überhaupt nicht, ich arbeite da hinten im Bundesforschungszentrum für Wald und Naturgefahren. Aber eigentlich studiere ich noch auf der Boku, der Universität für Bodenkultur, das ist nur ein Praktikum.“

      „Ich studiere auch in Wien, da können wir per Du sein,“ erwiderte Vera. „Publizistik“, ergänzte sie, im ersten Semester.

      „Du kommst aus Hamburg, stimmt´s“, antwortete der Fahrer.

      „Wieso?“, war Vera verblüfft.

      „Eure Aussprache verrät euch, aber Scherz beiseite, ich habe einen Kollegen, der kommt auch aus Hamburg, deshalb kenne ich den Tonfall. Ich bin übrigens der Daniel, wie heißt du.“

      „Vera, ich komme wirklich aus Hamburg und bin erst seit ein paar Monaten in Wien.“

      Eigentlich sollte Daniel ja gar nicht hier sein, aber der Pickup würde morgen im Burggarten gebraucht und er hatte sich verspätet. Und er hatte einen Schlüssel für die Tore. Da vorne, das sei das Maria-Theresien-Tor, da würden sie jetzt durchfahren. Und wenn Vera mitfahren wolle, dann könnten sie, nachdem er den Wagen abgeliefert hatte, in der City eine Kleinigkeit essen gehen, und sozusagen ihre Befreiung aus dem Schlosspark feiern. Aber natürlich nur, wenn sie nicht schon etwas anderes vorhabe.

      Vera hatte schon ja gesagt, bevor ihr einfiel, dass sie jetzt gerade zu einem Date ja gesagt hatte. Aber irgendwie fühlte sie sich bei diesem Daniel wohl und eine vertraute Atmosphäre begann sich in der Fahrerkabine breit zu machen.

      Daniel fuhr los und bald waren sie draußen im tosenden Abendverkehr von Wien und ließen die Stille des Schlossparks hinter sich.

      *

      Der Pickup war bald in der Garage unter dem Palmenhaus beim Burggarten untergebracht. Beide standen an der Albertina Kreuzung hinter der Staatsoper.

      Es prickelte und Vera sah Daniel erwartungsvoll an: „Wohin gehen wir?“

      Daniel überlegte fieberhaft. Die Frau sah zu gut aus, und war auch noch eine Deutsche, die durfte er nicht enttäuschen, aber sein Budget gab nicht viel her, groß ausgehen konnte er nicht. Und Vera sah wohlhabend aus. Was sollte er bloß machen, er würde sie gerne wiedersehen, aber wenn er den ersten Auftritt vermasselte, dann war es das. Er war nicht so oft in der Innenstadt, er war da mehr der Naturbursche. Er kannte nicht viele gute Lokale in einer für ihn erschwinglichen Preisklasse.

      Vera sah sein Zögern und erkannte spontan die Ursache. „Wir machen getrennte Kassa, da kenne ich ein Lokal gleich um die Ecke“, erklärte sie.

      Dass sie dort vor kurzem mit ihrem Vater gewesen war, verschwieg sie wohlweislich.

      Und so saßen sie bald darauf in originalem Altwiener Ambiente und stießen mit einem Glas Grüner Veltliner auf die geglückte Befreiung Veras aus dem Schlosspark an.

      Daniel gefiel ihr. Er war schon im dritten Semester des Masterstudienganges Forstwissenschaften auf der Universität für Bodenkultur und somit vier Jahre älter als Vera. Er war ein lässiger hemdsärmeliger Typ, der meistens gerade heraus das sagte, was er dachte, wie Vera rasch bemerkte.

      Daniel kam aus St. Pölten, wo sein Vater bei der Niederösterreichischen Landesregierung als Raumplaner arbeitete. Aber jetzt hat er groß Karriere gemacht und einen Job bei der EU angenommen. Bei AGRI, der Generaldirektion für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. Daniel meinte, sie hätten ihn in St. Pölten elegant loswerden wollen und nach Brüssel komplimentiert. Die Familie sah ihn jetzt recht selten, da er die meiste Zeit in Brüssel verbrachte, wo ihm eine Dienstwohnung zur Verfügung stand. Nur alle paar Wochen war ein Heimflug vorgesehen.

      Daniel hatte eine kleine Wohnung in Wien, damit er nicht jeden Tag nach St. Pölten pendeln musste. Seine Mutter war Architektin und hatte ihr Büro in St. Pölten. Sie hatten dort ein Häuschen, wo sie mit Angelika, Daniels kleiner Schwester, lebte.

      Doch dann wollte er genauer wissen, wieso Vera so spät in den Schlosspark geraten war, es interessierte ihn plötzlich brennend.

      Vera konnte ihm unmöglich die Wahrheit sagen, dass sie mit Sigrid über ihr Vorleben so lange telefoniert hatte. Esoterische Spinnerin würde er denken.

      Dann aber hatte sie das Bedürfnis, ihm von Anke zu erzählen. Sie wollte manchmal allein und unbeobachtet sein, immer dann, wenn sie an ihre Mutter denken musste. Ob er das verstehen könne, meinte sie, nachdem sie ihm in kurzen Sätzen erzählt hatte, was damals in der Hamburger Kaufhauspassage geschehen war, und weshalb sie schlussendlich nach Wien ausgewandert waren.

      Als sie geendet hatte, musste sie sich einige Tränen aus den Augen wischen. Daniel war der erste Fremde, dem sie ihre Geschichte erzählt hatte. Auf der Uni wusste es niemand, und das war wohl auch besser so, denn Vera wollte kein Mitleid. Doch mit Daniel war das irgendwie anders.

      Daniels Betroffenheit war groß, denn in seiner Familie waren alle am Leben und soweit glücklich. Jetzt wusste er, wieso er Vera in der dunklen Allee aufgegabelt hatte, er wollte diese Frau näher kennenlernen und erzählte mehr von seinem Leben, um sie von ihrer aufkeimenden Trauer abzulenken. Er merkte, dass es ganz anders lief, als er gedacht hatte.

      Doch Vera war bald wieder wie vorher, und bevor das Essen serviert wurde, kannte jeder die halbe Lebensgeschichte des anderen. Eine seltsame Vertrautheit machte sich breit, wie wenn es irgendeine geheimnisvolle Verbindung zwischen ihnen gäbe.

      Original Schinkenfleckerln kannte Vera nicht, sie schmeckten himmlisch und das warme gedämpfte Licht in der Nische, in der sie ihren Tisch hatten, gab ihr das Gefühl tröstender Geborgenheit. So wohl hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Anke und das Vorleben mit ihrem Vater waren vergessen. Hier und jetzt, das war Daniel, der ihr von Minute zu Minute besser gefiel. Sein brünetter Haarschopf, der leicht unfrisiert wirkte und ihm die Haare ins Gesicht hängen ließ. Seine braunen Augen, die lustig in die Welt blickten, obwohl sie jetzt die meiste

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